Nachteile betrieblicher Bündnisse bei Tariffragen
Die von Union und Liberalen geforderten so genannten betrieblichen Bündnisse bergen für Betriebsräte und Arbeitnehmer Risiken. Wie schnell beispielsweise Betriebsräte in Extremsituationen auch heute schon unter Druck geraten können und dabei in Konflikt mit ihren betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben kommen, zeigt das Beispiel der Kirch Media.
Mitte Oktober unterzeichneten Geschäftsführung und Betriebsrat den dritten Interessenausgleich und Sozialplan, der die Kündigung von ca. 150 Mitarbeitern bis Ende 2004 vorsieht. Rund 80 Mitarbeiter sollen zur Restabwicklung des Unternehmens und dem avisierten Verkauf der übrig gebliebenen Filmrechte zunächst weiter beschäftigt werden. Der langjährige Standort in Ismaning wird aufgegeben. Der Betriebsrat sah sich bei den Verhandlungen großem Druck von Geschäftsführung und Belegschaft ausgesetzt. Nach bereits zwei ausgehandelten Sozialplänen, deren Abfindungen trotz unterzeichneter Verträge und Zusagen der Geschäftsführung und Insolvenzverwaltung bis heute nicht ausbezahlt wurden, war das Vertrauen der Mitarbeiter in die aktuellen Verhandlungsergebnisse zumindest gespalten. Seitens der Geschäftsführung wurden vor dem Hintergrund der Unumgänglichkeit der Betriebsstilllegung schnelle Verhandlungsergebnisse und weit reichende Kompromisse eingefordert. Unter diesen Bedingungen stimmte der Betriebsrat trotz intensiver und auch kontroverser Diskussionen letztlich der Entlassung von Mitarbeitern zu, die unter besonderem Kündigungsschutz stehen, u. a. von BR-Mitgliedern.
Diese Extremsituation, in der das Unternehmen vor der Schließung steht und es für den BR nur noch um Kündigungszeitpunkt, -ausgestaltung und Abfindungshöhe, nicht mehr aber um den Erhalt der Arbeitsplätze geht, belastet die BR-Mitglieder auch moralisch erheblich. Obwohl die Situation aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht recht eindeutig ist, sieht sich der BR zu einem anderen Entschluss gezwungen. Die Entscheidung des Betriebsrates ist kein Einzelfall, zeigt aber deutlich, dass eine Verhandlungssituation, in der eine der verhandelnden Parteien einem ungleich höheren und vor allem persönlichen Druck ausgesetzt ist, nicht Ziel einer starken Interessensvertretung in den Betrieben sein kann und darf. Auch wenn es in diesem Fall nicht um tarifliche Regelungen geht, zeigt er deutlich, wie kritisch und im Zweifelsfall nachteilig für die betroffenen Mitarbeiter betriebliche Bündnisse sein können.