FR: Entlassungen nach Warnstreik

Werbung für die Frankfurter Rundschau. Ein Archivbild von 2018. Foto: Wikimedia/Philipp Gross

Seit Monaten fordern die Beschäftigten der Frankfurter Rundschau (FR) einen Tarifvertrag. Doch die Geschäftsführung hat die Verhandlungen mit den Gewerkschaften ver.di und DJV Hessen nach zwei Verhandlungsrunden abgebrochen. Mit einem Warnstreik forderte die Belegschaft zuletzt am vergangenen Freitag die Wiederaufnahme der Verhandlungen. Nun kündigte die Geschäftsführung drei streikenden Journalist*innen. Kein Zufall, befürchtet ver.di.

Protest gegen unhaltbare Bedingungen bei der FR
Foto: Christoph Boeckheler

Die Reaktion des Geschäftsführers Rempel auf den Warnstreik der FR  folgte knapp eine Woche später. In einer Mail an die Belegschaft kündigte er am 7. Dezember an, das Ressort FR+ (Multimedia-App) aufzulösen und den Klimapodcast einzustellen. Drei jungen Kolleg*innen, die teilweise schon vor Beendigung ihres Volontariats von der FR übernommen wurden, solle innerhalb ihrer Probezeit gekündigt werden. Für die Gewerkschaft ver.di riecht das gewaltig nach Union Busting. Der Arbeitgeber bestrafe offensichtlich diejenigen, die den geringsten Schutz genießen, dafür, dass die Beschäftigten ihre Rechte wahrnehmen, erklärte ver.di in einer Pressemitteilung.

Union Busting bei der Frankfurter Rundschau?

Aus Sicht der Gewerkschaften handelt es sich um eine unerlaubte Maßregelung. Denn das Streikrecht ist in Deutschland ein Grundrecht.

„Dass ausgerechnet die Geschäftsführung der Frankfurter Rundschau und die Ippen-Gruppe als Mehrheitsgesellschafterin dieses Recht mit Füßen tritt und junge talentierte Kolleg*innen kaltschnäuzig vor die Tür setzt, macht deutlich, wie wenig ihnen an einer in die Zukunft gerichteten, progressiven publizistischen Stimme liegt“, sagt Anja Willmann, Gewerkschaftssekretärin bei ver.di-Hessen.

Das harte Vorgehen des Arbeitgebers beeinträchtige auch die Glaubwürdigkeit der FR. Die Verantwortlichen wurden aufgefordert, diese Einschüchterungspraxis zu beenden und mit den Beschäftigten und den Gewerkschaften an einer Lösung des Konflikts zu arbeiten. Die Gewerkschaften forderten den Arbeitgeber außerdem dazu auf, die verkündeten Einschnitte zurückzunehmen. Die FR brauche ein modernes digitales Erscheinungsbild und junge Redakteur*innen die Zukunftsthemen besetzen.


Update: Solidaritätsbekundungen von Kolleg*innen:

von ver.di im WDR

von der dju Bayern

von der dju Baden-Württemberg

 


Aktualisierung vom 10. Januar 2024

Einigung erzielt – Gerichtstermin abgesagt

Der Termin am Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 11. Januar konnte abgesagt werden: Stattdessen gab es eine Einigung.  Die FR-Redakteurin Yağmur Ekim Çay wird bis Ende März 2024 weiterbeschäftigt, für diesen Zeitraum aber vom Arbeitgeber freigestellt. Damit ist die juristische Auseinandersetzung um die Fortführung des Arbeitsverhältnisses beigelegt.

Bei der Kündigung handelte es sich aus Sicht von ver.di um eine Reaktion auf einen Warnstreik im Dezember. Mit Methoden des Union Bustings soll gewerkschaftliches Handeln im Keim erstickt werden, teilte ver.di mit.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

Buchtipp: Sprache des Kapitalismus

Über gendersensible Sprache läuft schon seit Jahren eine hochemotionale Debatte. In Bayerns Schulen, Hochschulen und Behörden gilt seit dem 1. April sogar ein Genderverbot. Über Begrifflichkeiten wie „steigende Preise“ oder Finanzkrisen, die wie ein „Tsunami“ über uns kommen, wird dagegen weniger gestritten. Sie beherrschen längst unser Denken und Sprechen, sind in unseren Alltag eingedrungen. Wer in diesem Wirtschaftssystem sozialisiert wurde, nutzt sie automatisch, ohne weiter darüber nachzudenken.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »