Ins Gerede gekommen

Synchronbranche im Umbruch: Preiskrieg und Honorardumping

Weil deutsche Kinobesucher und TV-Zuschauer keine Untertitel mögen, haben hiesige Synchronfirmen im Laufe der Jahrzehnte einen enormen Qualitätsstandard entwickelt. Derzeit steckt die Branche allerdings in einem Umbruch: Weil gerade die Fernsehsender an allen Ecken und Enden sparen, ist es unter den Synchronproduzenten zum Preiskrieg gekommen.

Synchronisation, hat ein Hollywood-Regisseur angeblich mal gesagt, „ist die Rache der Deutschen an den Alliierten“. Tatsächlich gibt es kaum ein Land in der Welt, das Importe für Kino und Fernsehen so hartnäckig und konsequent ins Deutsche überträgt. Wie hoch Qualitätsniveau heutzutage ist, zeigt sich, wenn man sich beispielsweise große Western aus den Fünfzigerjahren anhört: John Wayne reitet durch die Weite des Monument Valley, doch die Dialoge klingen, als befinde er sich in einer Besenkammer. Die Feinheiten einer guten Synchronisation sind für den Laien mittlerweile kaum vernehmbar. Natürlich würde es Filmfreunden sofort auffallen, wenn Robert Redford nicht mehr mit der Stimme von Rolf Schult sprechen oder ein anderer als Christian Brückner seine Stimme Robert DeNiro leihen würde. Ansonsten aber muss man schon Experte sein, um Unterschiede wahrzunehmen.

„Hauptsache Deutsch“

Das allerdings ändert sich gerade. Die Kosten für eine Synchronisation sind in den letzten fünf Jahren um bis zu 25 Prozent gefallen. Um überhaupt noch profitabel arbeiten zu können, wird an den Produktionsbedingungen und am Personal gespart. Dass dies auf Dauer nicht ohne Folgen für die Qualität bleiben kann, steht außer Frage. Jeder weiß, dass die Qualität einer „Synchro“ letztlich darunter leidet. Sorgen wiederum bereitet dies offenbar nur den Produzenten. Auf Seiten der Auftraggeber, etwa der Fernsehsender, sieht man keinen Handlungsbedarf. Die Frage, ob eine aufwändigere Synchronisierung auch nur einen Zuschauer mehr bringe, wird im Sinne der Sparsamkeit beantwortet. In Kreisen der Synchronschauspieler kursiert ein von den Sendern energisch dementierter Ausspruch, mit dem ein Sendervertreter angeblich die Qualitätsdiskussion rund um eine TV-Serie beendet hat: „Hauptsache Deutsch“.
Einer der prominentesten Kritiker dieser Entwicklung ist Axel Malzacher, aktueller Träger des Preises für die beste Synchronregie. Der frühere Schauspieler arbeitet seit Anfang der Neunziger im Synchronbereich, zunächst als Sprecher, später auch als Autor und Regisseur. Aus seiner Sicht beginnt das Dilemma bereits bei den Gagen: Vor 15 Jahren, erinnert er sich, „bekam man als Sprecher 7 Mark pro ‚Take’; heute sind es 3,50 Euro“. Ein „Take“ ist die Maßeinheit der Branche und dauert rund zehn Sekunden. Ein Manfred Lehmann, abonniert auf Gérard Depardieu und Bruce Willis, wird sich kaum mit einem Taschengeld abspeisen lassen. Die Synchronschauspieler aus der zweiten oder dritten Reihe aber haben kein Druckmittel in der Hand. Ihre Arbeit leidet vor allem darunter, dass auf Leseproben oder Wiederholungen verzichtet wird; der erste „Take“ muss sitzen.

Zuschauer mit Bauchgefühl für Qualität

ver.di hat bereits vor zwei Jahren auf diese Problematik hingewiesen und eine Gagenempfehlung für den Synchronbereich herausgegeben. (www.connexx-av.de) Nur noch in wenigen Fällen ist ein Aufwand möglich, wie er beispielweise im Fall von „Syriana“ betrieben wurde. Für die Übertragung des Polit-Thrillers mit George Clooney hat Malzacher seinen Synchron-Preis bekommen: „Der Film spielt zu großen Teilen im Iran, die Einheimischen reden Englisch mit starkem Akzent. Für die Synchronisierung habe ich also Menschen gesucht, die deutsch mit Farsi-Akzent sprechen. Das waren natürlich Laien, mit denen man keine zwanzig ‚Takes’ in der Stunde machen kann. Aber so was ist längst die große Ausnahme“. Malzacher ist überzeugt, die Zuschauer wüssten eine gute Synchronisation zu würdigen. „Selbst wenn sie es nicht artikulieren können: Die Leute haben ein Bauchgefühl für so etwas“. Der qualitative Unterschied zwischen Kino und Fernsehen zeige sich allein schon in der Anzahl der „Takes“: Beim Kino seien es 15 bis 20 Stück pro Stunde, beim Fernsehen doppelt so viele. Der Synchronregisseur sieht seine ohnehin kaum wahrgenommene Zunft immer weiter ins Abseits gedrängt: „Früher wurden in der ‚Hörzu’ bei den Schauspielern auch die Sprecher erwähnt oder standen wenigstens im Abspann. Heute gibt es gar keine Abspänne mehr“.
Beinahe gleichzeitig, aber unabhängig voneinander haben sich Sprecher und Produzenten im vergangenen Jahr organisiert. Auslöser waren allerdings weder Qualitätsdiskussion noch Gagenfrage, sondern sozialversicherungsrechtliche Fragen. Die Sprecher gründeten den Interessenverband der Synchronschauspieler (IVS), die Firmen den Bundesverband deutscher Synchronproduzenten (BVDSP). Da es allen Beteiligten vorrangig um Qualitätssicherung geht, hat man sich auf ein gemeinsames Papier geeinigt. Es sieht unter anderem vor, dass ein „Take“ nicht länger als 6 bis 10 Sekunden dauern sollte, und legt die Anzahl der „Takes“ pro Stunde fest (Kino: nicht mehr als 30, Fernsehen: nicht mehr als 35).
Einige Punkte deuten an, dass eine derartige Qualitätssicherung offenbar überfällig ist. So sieht die Übereinkunft beispielsweise ausdrücklich vor, dass bei der Synchronarbeit auch ein Regisseur anwesend sein muss. Und natürlich ist völlig offen, wie sich die Auftraggeber verhalten werden.

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