Jetzt geht es ans Umsetzen

Verbindliche Standards für Text-Honorare an Tageszeitungen

Seit dem 1. Februar 2010 gibt es verbindliche Standards für die Text-Honorare der deutschen Tageszeitungen. Sieben Jahre nach Beginn der Verhandlungen von dju in ver.di und DJV mit dem Verlegerverband BDZV sind die Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie Journalistinnen und Journalisten in Kraft.


Als angemessene Vergütungen im Sinne des Urheberrechts gelten Honorare für Textbeiträge je nach Auflagenhöhe und journalistischer Gattung zwischen 47 Cent und 1,65 Euro pro Druckzeile, beim Zweitdruck zwischen 38 Cent und 1,25 Euro. Diese Sätze liegen zwar sieben bis 14 Prozent unter den Werten des Tarifvertrags für arbeitnehmerähnliche Freie (12a-Tarifvertrag), können für viele Freie aber zu einem deutlich höheren Einkommen führen, zum Teil zur Verdoppelung von bisher gezahlten Zeilenhonoraren.

Was vereinbart wurde

Niedrigere Zeilenhonorare können nicht mehr rechtsverbindlich vereinbart werden. Zahlen Verlage bereits höhere Honorare (es sind wenige), gelten diese als angemessen. Eine Absenkung ist nach den Vergütungsregeln ausgeschlossen.
Wie für die Print- ist auch für die Online-Ausgabe nur eine einmalige Veröffentlichung abgegolten, wenn vorher vereinbart, aber auch im Rahmen von Mantellieferungen und klar definierten Redaktionsgemeinschaften (Auflagenaddition im Rahmen der Tabelle).
Wird darüber hinaus eine Weitergabe an Dritte vereinbart, werden ab 300.000 Exemplare Gesamtauflage Honoraraufschläge von 40 Prozent der jeweiligen Auflagenstaffel fällig. Für andere zusätzliche Online-Nutzungen und die Einstellung in externe Datenbanken wie GBI-Genios erhalten Freie 55 Prozent der erzielbaren Netto-Erlöse. Für ein Total-Buy-Out müsste ein deutlich höheres als das Vergütungsregel-Honorar gezahlt werden.
Die Vergütungsregeln enthalten keine Bildhonorare. Die Gewerkschaftsseite konnte die BDZV-Honorarspannen von etwa 35 bis 60 Prozent der 12a-Bildhonorare nicht akzeptieren. Der Verlegerverband veröffentlicht sie aber als Bildhonorare, „die nicht unterschritten werden sollten“. Damit deklariert er noch niedrigere Honorare als unangemessen. Das ist also rechtlich angreifbar. Die Verhandlungen über Bildhonorare werden ab Januar 2011 fortgesetzt mit dem Ziel, in neun Monaten einen Abschluss zu erreichen, über die Vergütungsregeln insgesamt dann erneut ab Januar 2012.

Lage wurde schwieriger

Das Verhandlungsergebnis ist naturgemäß ein Kompromiss. Es brauchte 45 Verhandlungsrunden bis er erreicht war. Auf Seiten der Verlage gab und gibt es durchaus unterschiedliche Interessen und Meinungen, auf was man sich einlassen könne – bei den Honoraren und der Rechteübertragung. Anfangs hatten einige auch noch die Hoffnung, man könne die mit großen Kampagnen bekämpfte Urheberrechtsreform von 2002 zurückdrehen.
Schwerwiegend war die zunehmende Diskrepanz zwischen den Forderungen der Gewerkschaften und der Realität an vielen Tageszeitungen. Online-Übernahme von Artikeln ohne Honorar sind fast schon Regel, Rechte-Buy-Out bleibt weithin klaglos – beklagt ja, geklagt wird kaum – und auch nach Honorarkürzungen fanden sich genügend Auftragnehmer.
Diese Entwicklung schwächt nicht nur die Durchsetzungskraft der freien Journalisten, sondern prägt natürlich auch den Erfahrungs- und Erwartungshorizont der Verleger und Verlagsmanager – ebenso wie die aufziehende „Zeitungskrise“, die seit längerem auch für Redakteure und andere Verlagsangestellte zu massiven Einschnitten bis hin zum Arbeitsplatzverlust führt.

Akzeptabler Kompromiss

Honorare für Textbeiträge in Tageszeitungen
a) Nachrichten, Berichte
Auflage bis 10.000 bis 25.000 bis 50.000 bis 100.000 bis 200.000 über 200.000
Erstdruckrecht 47–51 52–56 62–68 73–79 84–91 94–103
Zweitdruckrecht 38–42 41–45 46–50 56–60 63–69 71–78
b) Reportagen, Gerichtsberichte, Spitzen, Glossen, unterhaltende Aufsätze, Kurzgeschichten
Auflage bis 10.000 bis 25.000 bis 50.000 bis 100.000 bis 200.000 über 200.000
Erstdruckrecht 59–64 62–68 78–84 94–102 116–126 121–132
Zweitdruckrecht 44–48 46–50 61–66 71–77 88–95 91–100
c) Kommentare, Leitartikel, Interviews, fachliche und wissenschaftliche Aufsätze, Kunstkritiken, Essays, Alleinveröffentlichungsrechte
Auflage bis 10.000 bis 25.000 bis 50.000 bis 100.000 bis 200.000 über 200.000
Erstdruckrecht 74–80 78–85 98–105 119–128 145–158 151–165
Zweitdruckrecht 55–60 58–63 76–83 89–96 110–119 114–125

Angabe der Beträge in Cent. Die Berechnung der Honorare erfolgt nach Anzahl der Druckzeilen (Normalzeile mit 34 bis 40 Buchstaben). Als Mindesthonorar für einen Beitrag ist das Honorar für 20 Zeilen des jeweiligen Erstdruckrechts zu zahlen.

Vor dem Hintergrund der Branchenentwicklung sind die Gemeinsamen Vergütungsregeln ein akzeptabler Kompromiss. So haben es auch die Freien der dju-Tarifkommission gesehen und einstimmig für Annahme votiert.
Der Abschluss kann sogar als Erfolg bewertet werden, wenn die vereinbarten Standards für die Honorare freier Journalistinnen und Journalisten in weiten Teilen der Tageszeitungsbranche auch wirklich durch- und umgesetzt werden. Dafür werden sich die Freien gemeinsam in den Verlagen, aber auch einzeln gegenüber ihrem Auftraggeber mit der dju in den kommenden Monaten stark machen müssen. Erforderlich ist auch die Unterstützung der Redakteurinnen und Redakteure und der Betriebsräte. Diese Phase hat jetzt begonnen – und man darf durchaus optimistisch sein, dass ein Ende des Honorardumpings in Sicht ist.

Gemeinsame Vergütungsregeln für Freie an Tageszeitungen

Als Broschüre in allen dju-Geschäftsstellen

Rüdiger Lühr, als freier Journalist
in der dju-Verhandlungskommission

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Top Tarifergebnis im Kino

In den Tarifverhandlungen mit der Kino-Kette UCI (United Cinemas International GmbH) wurde am 19. Februar 2024 ein Tarifergebnis erzielt, das an vielen Stellen die ver.di-Forderungen erreicht, so auch den Einstiegslohn von 14 Euro. In der anschließenden Befragung der Mitglieder bis zum 4. März gab es keinerlei Ablehnung. Somit beschloss auch die ver.di-Tarifkommission einstimmig die Annahme des Tarifergebnisses.
mehr »

Einschüchterungsversuche der Hohenzollern

Eine Studie der Universität Leipzig hat am Beispiel der deutschen Adelsfamilie Hohenzollern untersucht, wie kritische Berichterstattung und Forschung durch gezielte Anwaltsstrategien beeinflusst oder behindert werden sollen. Die Kommunikationswissenschaftler*innen haben dabei die Wirkung von SLAPPs (Strategic Lawsuits Against Public Participation) aus Sicht der Betroffenen nachvollzogen. Verunsicherung und Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sind direkte Folgen bei ihnen.
mehr »

Honoraruntergrenzen bei der Kulturförderung

Claudia Roth will ein Versprechen einlösen und Mindeststandards für Honorare von Freien bei der Kulturförderung des Bundes sichern. Laut Ampel-Koalitionsvertrag von 2021 sollten öffentliche Gelder für die Kultur an faire Vergütung gekoppelt sein. Nun, so die Kulturstaatsministerin, werden „für den Kernbereich der Bundeskulturförderung“ Mindesthonorare für Künstler*innen und Kreative eingeführt.
mehr »

Verwaltungsräte treten aus dem Schatten

Die Verwaltungsräte der Öffentlich-rechtlichen Sender sind mächtig. Sie überwachen und kontrollieren die Geschäftsführung des Intendanten oder der Intendantin, soweit es nicht um die inhaltliche Gestaltung des Programms geht. Außerdem legen sie den Haushaltsplan und den Jahresabschluss fest, kontrollieren die Beteiligung an Unternehmen und vieles mehr. Ihre Beschlüsse fassen sie nicht öffentlich.
mehr »