Redakteure von „Bremer Nachrichten“ und „Weser-Kurier“ wurden nach dem Streik ausgebootet
Man stelle sich vor, jemand kommt nach vierwöchiger Abwesenheit nach Hause und möchte sich in seinen Lieblingssessel fallen lassen – aber da sitzt schon ein Nachbar. Die Werkbank im Keller ist ausgelagert worden, und täglich kommt ein Pizzabote, obwohl man lieber selber kochen würde. So ähnlich ist es nach dem Journalistenstreik manchen Redaktionsmitgliedern von „Weser-Kurier“ (WK) und „Bremer Nachrichten“ (BN) ergangen: Sie durften nicht mehr in ihrem Spezialgebiet arbeiten oder wurden Opfer von Outsourcing.
WK und BN unterscheiden sich nur in ihren Politikseiten. Den Rest produziert eine gemeinsame Redaktion. Beim Streik zählten die Bremer bundesweit zu den aktivsten. Nach Schätzungen des Betriebsrats verweigerten 120 der 150 Redakteure und Volontäre konsequent vier Wochen lang die Arbeit. Währenddessen schusterten die Chefredakteure gemeinsam mit Streikbrechern, Freien und frisch eingestellten Volontärinnen notdürftig die Zeitung zusammen.
Der Ausstand scheint die Chefs persönlich gekränkt zu haben. Jedenfalls reagierten sie mit „kleinlichen Rachemaßnahmen“, wie es in Redaktionskreisen heißt. Der Gourmet des Hauses verlor seine Kochserie, und eine kurz vor dem Ruhestand stehende Kollegin musste an einen Streikbrecher ihre Rubrik „Bremisches vor 50 Jahren“ abtreten, für die sie mit viel Herzblut sogar Freizeit geopfert hatte. Der ver.di-Landesfachbereich Medien und auch der DJV sahen in diesem Vorgehen eine unerlaubte Maßregelung von Streikenden und protestierten schriftlich – bis Redaktionsschluss dieser «M»-Ausgabe ohne Erfolg.
Ein weiterer Anlass für Proteste: Die Vermischtes-Seiten wurden seit dem Streik komplett von dpa produziert. Einer der altgedienten Macher musste fortan einer Jungredakteurin zuarbeiten, die die von Schleichwerbung triefende Beilage „Zeitung in der Schule“ betreut. Inzwischen haben die Chefs aber Einlenken signalisiert: Das Vermischte wird wohl wieder im Hause produziert – in einem neuen Großressort gemeinsam mit Politik und Wirtschaft.
Fragwürdiger Umgangston
Nicht korrigiert wurde die Auslagerung von Themenseiten wie Musik und Motor an eine Serviceagentur – was vor allem freie Mitarbeiter trifft, aber auch künftige Arbeitskämpfe erschwert: „Das sind institutionalisierte Streikbrecher“, meint ein WK / BN-Redakteur.
Bald nach dem Ausstand kam der nächste Hammer: Obwohl die Belegschaft bereits Einkommenseinbußen hingenommen hat, soll nun auch noch jede fünfte Redakteursstelle bis 2010 gestrichen werden – allerdings ohne betriebsbedingte Kündigungen.
Eigentlich hatte der Verlag „Bremer Tageszeitungen AG“ (Bretag) 2003 zugesichert, dass die Belegschaft rechtzeitig in Umstrukturierungsprozesse eingebunden werde – aber bei den jüngsten Sparmaßnahmen war davon zunächst nichts zu merken. „Mauertaktik“ und „Agieren nach Gutsherrenart“ warf deshalb der Redaktionsausschuss den Oberen vor. In diesem Beschwerdebrief wurde auch gleich noch der Umgangston gerügt („Zoten, sexistische Sprüche, das Herziehen über abwesende Kolleginnen und Kollegen“). Das zielte wohl vor allem auf einen stellvertretenden WK-Chefredakteur, der auch politisch umstritten ist: Er fordert zum Beispiel, die Bremer Frauen- und Ausländerbeauftragten einzusparen.
Und was sagen die Verantwortlichen zu den Protestbriefen? Weder Verlag noch Chefredaktion gäben Auskünfte über Betriebsinterna, erklärte eine Vorstandssprecherin auf «M»-Anfrage.