Rundfunkbeschäftigte fühlen sich im Stich gelassen

Beim WDR wurde an allen Standorten gestreikt, hier zusammen mit der "Maus" in Köln. Foto: ver.di

Nachdrückliche bundesweite Warnstreiks bei den Öffentlich-Rechtlichen

Seit dem Frühjahr läuft die aktuelle Tarifrunde um Entgelt und Honorare für die über 45.000 Beschäftigten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Kein leichtes Unterfangen, nicht zuletzt angesichts von Vorwürfen der Vetternwirtschaft, der Beitragsvergeudung und -veruntreuung seitens des Managements in Sendeanstalten, allen voran beim RBB. Jedoch „nicht nur in der RBB-Krise, auch in der Tarifpolitik lassen die ARD-Intendant*innen einen Schulterschluss mit den Beschäftigten vermissen“, betonte ver.di-Tarifsekretär Matthias von Fintel in der Juni-M.

Seit April kann der Starter NDR bereits neun Verhandlungsrunden verbuchen. Auch in anderen ARD-Anstalten saßen Gewerkschaften und Intendant*innen mehrfach zusammen am Tisch. Und noch immer sind die Angebote der Sendeanstalten von den Vorstellungen der Gewerkschaften weit entfernt. ver.di forderte vor allem Tariferhöhungen von 5,5 bis 6 Prozent, mindestens aber 250 Euro sowie wertgleiche Erhöhungen für Freie und kurze Laufzeiten etwa von 12 Monaten. Für Kolleg*innen mit niedrigen Entgelten, für Auszubildende und Volontär*innen sollen stärkere Tarifsteigerungen durch Festbeträge oder Mindesterhöhungen erreicht werden. Von Arbeitgeberseite wollte man nicht über 2,5 Prozent gehen, teilweise kombiniert mit bis zu einem Jahr andauernden sogenannten Nullmonaten.

Keine Wertschätzung

Die Beschäftigten fühlten sich im Stich gelassen. Auf der einen Seite Kostendruck und vervielfachter Output bei immer weniger Personal in Technik und Redaktionen sowie gestiegene Lebenshaltungskosten, die einen Inflationsausgleich zur Folge haben müssten. Auf der anderen Seite keine entsprechende Wertschätzung der Arbeit. Mit Warnstreiks – etwa beim WDR, SWR und NDR bereits im Mai und Juni – verliehen die Rundfunkbeschäftigten ihren Forderungen Nachdruck. Dennoch schienen die Verhandlungen im September festgefahren. Erneut gingen etwa 1.000 Beschäftigte für Tariferhöhungen vor die Sendehäuser. Die Rundfunkanstalten blieben bei ihren Angeboten von maximal 2,8 Prozent und Einmalzahlungen bis zu 3.000 Euro, nach langer Zeit ohne Tariferhöhung. Außerdem wollen sie Laufzeiten von 24 Monaten.

Am 9. November kam es zu ARD-weiten Warnstreiks und Protestaktionen. Mehr als 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus sieben Sendern beteiligten sich. Auch das Deutschlandradio war dabei. Bei der Deutschen Welle in Bonn und Berlin gab es aktive Mittagspausen vor den Häusern. Per Videoschalte wurde von allen Standorten berichtet. Rund 350 User klinkten sich direkt in den Stream ein. Mehr als 2.500 Zugriffe hatte das Streik-video auf YouTube bereits 10 Tage später zu verzeichnen.

Programm aus der Reserve

In vielen Programmen der ARD kam es zu Ausfällen, Sendungen aus der Konserve mussten Lücken füllen. Im ARD-Gemeinschaftsprogramm Das Erste lief am Mittwochvormittag statt einer aktuellen Ausgabe der vom WDR produzierten Sendung „Live nach Neun“ eine Best-of-Folge. Im WDR selbst gab es nach eigener Darstellung Änderungen bei den Hörfunknachrichten. WDR5 übernahm in der Nacht die Nachrichten von NDR Info. WDR2 und 1Live sendeten die SWR-Nachrichten aus der ARD-Pop-Nacht.

Auch in den Hörfunkprogrammen von Radio Bremen machte sich die Arbeits-niederlegung gemeinsam mit der ausgelagerten Tochter Bremedia bemerkbar. Alle Morgensendungen liefen verkürzt, danach es habe nur noch Musik mit Verkehrsinfos und Schlagzeilen gegeben, berichtete Gerrit Busch vom ver.di-Senderverband. „Von sehr spürbaren Auswirkungen im Programm“ berichtete auch Jasmin Bozok vom ver.di-Senderverband des Saarländischen Rundfunks. In allen Hörfunkwellen liefe nur Musik. Beim Saarländischen Rundfunk waren die die Arbeitgeber am Tag vor den ARD-weiten Streiks zu den Tarifverhandlungen mit

einer lauten und musikalischen Protestaktion der Beschäftigten begrüßt worden. Dennoch war in der Tarifrunde nach 20 Minuten Schluss. Von Seiten der Intendanz sei kein verhandlungsfähiges Angebot unterbreitet worden, so ver.di. Auch die Hörer*innen des Deutschlandradios bekamen den Streik zu spüren. Im Frühprogramm hätten beim Deutschlandfunk Abteilungsleiter einspringen müssen. Katja Barton vom ver.di-Senderverband Deutschlandradio Berlin berichtete, dass im Berliner Funkhaus ab 10.30 Uhr der Streik vermeldet wurde, Interviews nicht wie gewohnt stattfanden und bis 17 Uhr Etliches aus dem Archiv kam.

Zum Redaktionsschluss dauerten die Tarifverhandlungen noch an. M Online hält die M-Leser*innen auf dem Laufenden.

 

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