Sechs Euro fünzig brutto

Mitarbeiter mit langem Atem – ein Stimmungsbericht aus Bremen

Seit Monaten mauert die Geschäftsführung der CinemaxX AG in den Tarifverhandlungen. Bundesweit wurde die Auseinandersetzung mit 75 Aktionen begleitet. Zu den Aktivsten gehört die Belegschaft des Bremer CinemaxX.

26. August 2004. 19 Uhr 30, Haupteingang des Bremer CinemaxX-Kino: „Ladykillers“, „Spiderman“ und „Shreck“ stehen auf dem Spielplan. Zwei Tage vor dem nächsten Verhandlungstermin am 27. August in den Tarifauseinandersetzungen zwischen ver.di und der CinemaxX AG, gruppiert sich hier eine ungefähr 40 Personen starke Gruppe mit Trillerpfeifen und Megaphon zum Warnstreik.

Auf Transparenten ist zu lesen: „Die Leidensgeschichte gibt es heute vor dem Kino“ und „Ginge es nach Flebbe – bei Mitarbeitern Ebbe“ oder „Ich bin ein Fall für den Armutsbericht“.

Spaltung in zwei Klassen

Die „Dauerstreikmannschaft“ aus Bremen trifft sich bereits zum 18. Mal. Auch der strömende Regen verdirbt der munteren Truppe nicht die Laune. Die Aktiven verteilen Flugblätter an Kinogäste. Traditionsgemäß sind hier wieder fast alle zur Aktion angetreten. Einzig vier Mitarbeiter sind in Absprache mit den Streikenden im Betrieb geblieben, wovon sich drei noch in der Probezeit befinden.

Seit bereits acht Monaten ist die Arbeitgeberseite nicht bereit, auf die Beschäftigten zuzugehen. Flebbe und Scheunemann, als Vorstände der CinemaxX-AG, können sich bislang nur einen Tarifvertrag vorstellen, der Neueingestellten gesenkte Einstiegsgehälter von 6,50 Euro, kürzere Urlaubsdauer und Wegfall der Jahresleistung anbietet und dabei Minischichten von drei Stunden zulässt. Dagegen werden die Forderungen nach geregelten Löhnen, Arbeitszeiten und Bedingungen der Beschäftigten, die für 7 bis 11 Euro arbeiten, als utopisch bezeichnet. Das einzige „Zugeständnis“ der Arbeitgeber – dass die schlechteren Bedingungen nur für Neueinstellungen gelten – empfindet die Belegschaft als Spaltung in zwei Klassen.

Nachdem sich andere Multiplexkinos nach Streikaktionen im Sommer über einen neuen Haustarifvertrag einigten, sehen die CinemaxX-Mitarbeiter einen Hoffnungsstern für die folgenden Verhandlung mit CinemaxX. „Wir wären schon zufrieden, wenn alle auf das alte Niveau angehoben würden“, sagt eine Mitarbeiterin. „Wir wären schon zufrieden, wenn alle auf das alte Niveau angehoben würden“, sagt eine Mitarbeiterin.

Für den „Jubiläumsstreik“ in Bremen waren Betriebsratsmitglieder aus den CinemaxX-Betrieben der gesamten Bundesrepublik gekommen. Außerdem gab es Unterstützung des DGB, vertreten durch Helga Ziegert, DGB-Regionsvorsitzende für Bremen und Bremerhafen. Die Auseinandersetzung gehe in seiner Bedeutung über den CinemaxX-Betrieb hinaus, heißt es beim DGB. Der Versuch, auch im Niedriglohnbereich die Arbeitsbedingungen weiter zu verschlechtern, füge sich in die allgegenwärtige Strategie der Arbeitgeber.

„Bei einer Entwicklung mit Stundenlöhnen von 7 bis 10 Euro und Arbeit nur noch auf Abruf muss man sehen, dass das eine Spirale nach unten ist, die wir stoppen müssen.“, sagt Helga Ziegert den Anwesenden. Außerdem spricht sie den Streikenden ihre Bewunderung für ihren langen Atem aus.

Im Kinofoyer bilden sich lange Schlangen vor den spärlich besetzten Kassen. Die meisten Besucher haben Verständnis, lassen sich aber ihren Kinoabend durch die Wartezeit nicht verderben. Einige Besucher haben bereits von den Auseinandersetzungen in den Medien gehört. Von Radio Bremen sowie dem NDR wird die Bremer sowie die regionale Öffentlichkeit derzeit gut über diese Tarifauseinandersetzung informiert. „Ich kann die Mitarbeiter gut verstehen“, sagt ein Besucher. „Das ist hier der gleiche Trend wie derzeit überall. Bei den Kleinen wird gespart.“

Streikbrecher-Prämie

Dass der Kinobetrieb überhaupt aufrecht erhalten bleiben konnte, hängt damit zusammen, dass sich der Bremer Betriebsleiter Jens Schmidt nach den vorausgegangenen Streiks wappnete. So hatte er, ohne den Betriebsrat zu informieren, eine Ersatzbelegschaft angeheuert. Diesen Mitarbeitern stellt er für den Streikbruch eine Prämie in Aussicht. Sein Verhalten verstößt laut Gewerkschaftsvertretern gegen das Betriebsverfassungsgesetz und wird juristisch geprüft.

Gegen 21 Uhr packt die Streikmannschaft nach den Abschlussworten von Herbert Behrens, Gewerkschaftssekretär im Fachbereich Medien in Bremen und Karl-Heinz Belz, Mitglied von Tarifausschuss und Verhandlungskommission, zusammen. Die Stimmung ist auch jetzt noch ungebrochen und hoffnungsfroh. Die Bremer Belegschaft will kämpfen, bis ein annehmbares Ergebnis in Richtung Tarifvertrag auf dem Tisch liegt.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

ARD: Durchbruch in Tarifrunde

In dem seit Januar andauernden Tarifkonflikt in ARD-Rundfunkanstalten gibt es erste Verhandlungsergebnisse. Zum Wochenende hin konnte am Freitag (15. November) ein Ergebnis im SWR erreicht werden. Für ver.di ist das ausschlaggebende Ergebnis, dass neben sechs Prozent Tariferhöhungen in zwei Stufen über eine Laufzeit von 25 Monaten auch eine für mittlere und niedrige Tarifgruppen stärker wirkende jährliche Sonderzahlung so stark erhöht wurde, dass es nachhaltige Tarifsteigerungen zwischen sechs und über zehn Prozent gibt.
mehr »

Fakten for Future

Menschen jeden Alters machen sich Sorgen um die Zukunft unseres Planeten. Carla Reemtsma ist Klimaschutzaktivistin und Mitorganisatorin des Schulstreiks Fridays for Future („Klimastreik“) in Deutschland. Als Sprecherin vertritt sie die Bewegung auch in der medialen Öffentlichkeit. Wir sprachen mit ihr über Kommunikationsstrategien, Aktivismus und guten Journalismus.
mehr »

rbb-Intendantin blockiert Tarifeinigung

ver.di ruft die Beschäftigten des rbb ab dem 30. Oktober 2024 zu einem dreitägigen Warnstreik auf. Grund ist die Weigerung der Intendantin Ulrike Demmer, den seit dem Frühjahr ausgehandelten Beendigungsschutz-Tarifvertrag für freie Beschäftigte im Programm zu unterzeichnen und in Kraft zu setzen. Dabei hat auch der Verwaltungsrat dem Tarifvertrag schon seit Monaten zugestimmt.
mehr »

Warnstreik bei der Süddeutschen Zeitung

Für die zweite Tarifverhandlungsrunde am 25. Juli 2024 hatten die Verhandler*innen des Zeitungsverlegerverbandes BDZV der dju in ver.di ein Angebot zu Tariferhöhungen angekündigt. Gehalten haben sie das Versprechen nicht. Konkrete Zahlen zur Tariferhöhung blieb der BDZV schuldig. Stattdessen stellte er Gegenforderungen zum Nachteil der Zeitungsredakteur*innen. Heute streikten dagegen über 100 Beschäftigte der Süddeutschen Zeitung. In Nürnberg gab es eine Aktive Mittagspause vor dem Verlag Nürnberger Presse.
mehr »