Obwohl der Südkurier die Gemeinsamen Vergütungsregeln (GVR) unterzeichnet hat, lag mein Honorar weit unter den dort geltenden Sätzen. Rechtsanwalt und Klageandrohung haben den Verlag jedoch umgehend zu einer Honorarnachzahlung von 130 Prozent bewegen können. Mit meinem Bericht möchte ich auch andere freie Journalistinnen und Journalisten dazu ermuntern, ihre berechtigten Forderungen gegenüber den Verlagen geltend zu machen.
In der Zeit von Januar 2016 bis August 2016 habe ich erneut (meine frühere Tätigkeit ist 20 Jahre zurückliegend) als freie Journalistin für den Südkurier, Lokalredaktion Meßkirch, gearbeitet. Von Anfang an habe ich dabei in den Gesprächen mit dem zuständigen Lokalredakteur darauf hingewiesen, dass ich hauptberuflich tätig bin. Ebenfalls von Anfang an strittig zwischen dem Südkurier und mir waren die nach meiner Meinung nachgerade skandalös niedrigen Honorare des Südkuriers, die weit unter den Sätzen der Gemeinsamen Vergütungsregeln für hauptberuflich tätige Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen (GVR) liegen. Denn der Südkurier ist Mitglied des Verbandes Südwestdeutscher Zeitungsverleger, der die GVR 2010 unterzeichnet hat.
Nachdem ich im Rahmen meiner freien journalistischen Tätigkeit im Juli 2016 „versehentlich“ eine potenzielle Verbrauchertäuschung eines sehr großen Anzeigenkunden des Südkuriers recherchiert hatte, kündigte der Südkurier am nächsten Tage ohne Angabe von Gründen per E-Mail das Auftragsverhältnis. Ich weise hiermit ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei diesen Vorfällen um einen chronologischen Zusammenhang handelt; eine Kausalität kann ich nicht nachweisen.
In Reaktion auf die Beendigung des Auftragsverhältnisses machte ich gegenüber dem Südkurier schriftlich und unter Fristsetzung meine Honorarnachforderung geltend, so wie sie sich aus der Differenz zwischen den tatsächlich vom Südkurier gezahlten Honoraren und den Entgeltsätzen, wie sie die GVR vorsehen, ergibt. Daraufhin verlangte die Chefredaktion des Südkuriers den Nachweis der Hauptberuflichkeit, der eigentlich zu Beginn des Auftragsverhältnisses hätte stehen müssen. Als Mitglied der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Uion (dju) in ver.di war das für mich allerdings kein Problem. Den Nachweis erbrachte ich über vorgelegte Kopien der Presseausweise sowie meines Versichertenstatus bei der Künstlersozialkasse.
Danach meldete sich der Südkurier nicht mehr. Die Einschaltung eines Rechtsanwaltes inklusive Klageandrohung wurde notwendig. Dies führte umgehend zu einer überraschenden Reaktion: Schriftlich erklärte der Südkurier seine Bereitschaft, das nachgeforderte Honorar im gesamten Umfang abzüglich eines von mir geltend gemachten Dokumentationsaufwandes zu zahlen. Mit einer weiteren Verzögerung von elf Tagen ging der geforderte Nachzahlungsbetrag ohne weitere Abzüge (abgesehen von dem Dokumentationsaufwand) auf meinem Konto ein.
Die Höhe der geforderten und nach meiner Meinung vom Südkurier durch die Zahlung als berechtigt anerkannten Forderung beträgt gerundet 130 Prozent des gesamten in der Zeit von Januar bis August 2016 gezahlten Honorars. Die enorme Höhe dieser Nachforderung ergibt sich meines Erachtens hauptsächlich aus der Tatsache, dass der Südkurier seinen freien Mitarbeiter_innen die Online-Verwertung ihrer Artikel nicht vergütet. Tatsächlich jedoch bedeutet diese Online-Verwertung nach GVR einen sogenannten Zweitabdruck, der selbstverständlich zu honorieren ist. Gleichzeitig wird vom Südkurier erwartet und unverhohlen bis nachgerade unverschämt von dem Lokalredakteur in Meßkirch verbal gefordert, dass freie Mitarbeiter_innen das kostenpflichtige Online-Abonnement des Südkuriers erwerben. Erst werden die Freien demnach um ihre Honorare beim Zweitabdruck geprellt und dann sollen sie auch noch dafür bezahlen, ihre eigenen Artikel online einsehen zu können, um auf diesem Weg an Belegexemplare zu gelangen!
Auch wenn die Zeitungsverleger mit Wirkung zum 1. März 2017 die GVR gekündigt haben, hoffe ich, dass mein Erfolg und insbesondere die Höhe der erfolgreich durchgesetzten Honorarnachforderung andere freie Journalistinnen und Journalisten dazu ermuntert, ihre Forderungen gegenüber den Verlagen geltend zu machen – oder sie zumindest als komfortable Verhandlungsbasis für die Vereinbarung zukünftiger Honorare zu nutzen, die dann im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung stehen.
Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass solche Forderungen nach Urteil des Landgerichts Düsseldorf (Az. 12 O 455/14) offensichtlich auch über viele Jahre rückwirkend, möglicherweise bis zum Jahr 2010, geltend gemacht werden können. In dem genannten Fall hatte ein Kollege nach Angaben von dessen Anwaltskanzlei 40.000 Euro von einem Zeitungsverlag nachgefordert und erhalten.
Zur berechtigten Sorge vieler Freier, nach Geltendmachung ihrer berechtigten Honorarforderung entsprechend den GVR keine Aufträge mehr zu bekommen, kann ich nur sagen: Betroffene sollten sich überlegen, ob sie bei einer Nachzahlung von potenziell bis zu 130 Prozent ihrer Honorare bis zurück ins Jahr 2010, für Bilder zurück bis 2013, einen drohenden Auftragsrückgang oder sogar –ausfall nicht doch komfortabel kompensieren können.
Für die Inanspruchnahme anwaltlichen Beistands zur Durchsetzung meiner Forderung gegenüber dem Südkurier musste ich ebenfalls nicht geradestehen, da die Kosten dafür nach Paragraf 280 und 286 Bürgerliches Gesetzbuch vom Schuldner zu tragen sind.
M berichtete über weitere Fälle, zum Beispiel beim Reutlinger General-Anzeiger