Tarifabschluss bittersüß

Klaus Schrage, Betriebsratsvorsitzender bei den "Nürnberger Nachrichten"Foto: Bernd Mann
Klaus Schrage, Betriebsratsvorsitzender bei den „Nürnberger Nachrichten“
Foto: Bernd Mann

Freude, Stolz, Triumph gar? Der Tarifabschluss für die Zeitungsjournalisten_innen hinterlässt nichts von alledem. Er enttäuscht alle, die sich besonders stark für ein gutes Ergebnis engagiert hatten. Ist es also paradox, wenn unser Verhandlungsführer Frank Werneke den Abschluss „vertretbar“ nennt und jenen dankt, „die mit Streiks und Aktionen den Druck auf die Verleger erhöht haben“? Meine Antwort: Nein.

Als Mitglied der ver.di/dju-Verhandlungskommission habe ich erlebt, dass sich der Tonfall der BDZV-Vertreter in der fünften Runde geändert hatte. Der Einigungswille wurde betont, es klang authentisch. Aber es folgten ärgerliche Momente. Der BDZV hat zunächst ein verschlechtertes Angebot vorgelegt, nach dessen Überprüfung innerhalb von fünf Minuten gemeinsam festgestellt wurde, dass wohl ein Rechenfehler vorliege. Dieses schludrige Auftreten wirkte arrogant. Manches Mitglied unserer Verhandlungskommission vermutete, konfuses Auftreten seitens der Verlegerseite sei Teil ihrer Strategie gewesen.

All das verstört deshalb besonders stark, weil man sich auch als Tarif-Verhandler Arbeitgeber wünscht, denen das Wohl der Beschäftigten am Herzen liegt. Arbeitgeber, die sich darüber bewusst sind, dass gute Bezahlung erforderlich ist, damit sich auch in Zukunft wirklich kluge Köpfe für Zeitungsjournalismus interessieren. Weil man hofft, dass es so etwas wie Sozialpartnerschaft gibt.

Am Verhandlungstisch ist das pure Romantik. Die Botschaft der Arbeitgeber lautet: Wenn Du Macht hast, dann nutze sie.

Wo war unsere Macht? Wenn ich an unsere ersten internen Beratungen im Vorfeld der Tarifrunde zurückdenke, haben wir viel erreicht. Damals herrschte größte Skepsis, dass man Redakteure_innen für eine reine Gehaltsrunde motivieren könne. Schließlich jedoch hat sich eine breite Streikbewegung entwickelt, die auch Regionen erfasst hat, an die man anfangs nicht gedacht hatte.

Aber: Es gab Kollegen_innen, die den Aufruf zum Warnstreik ignoriert haben, weil sich ein Arbeitskampf nicht in ihren Terminkalender eintakten ließ. Es gab Kollegen_innen, die auf eine für mich nicht erklärbare Weise verzagt oder gleichgültig waren. Und auch Kollegen_innen, die an Streiktagen besonders ehrgeizig gearbeitet haben, um den Arbeitskampf ins Leere laufen zu lassen.

Wir waren viele. Aber wir hätten mehr sein sollen. Also habe ich dem Verhandlungsergebnis zugestimmt und werde es vertreten. Unter Berücksichtigung aller Aspekte, wozu auch die vom BDZV zunächst abgelehnte Erhöhung für die Pauschalist_innen und die 12a-Journalisten_innen gehört. Ebenso wie die Übertragung des Ergebnisses auf die Nord-Verlage, welche erneut bemüht waren, sich in eine wirtschaftliche Notlage hineinzulügen.

Ich bin erleichtert, dass es in ersten Reaktionen mir gegenüber – auch aus den Reihen der Aktiven – deutlich mehr Zuspruch als Kritik gegeben hat. Es wurde anerkannt, dass dieses Ergebnis das Mögliche war. Mehrmals wurde ausdrücklich für das Engagement der Mitglieder der Verhandlungskommission gedankt. Das tut gut und ist ein gutes Zeichen für die Solidarität innerhalb unserer Gewerkschaft. Mehr werden sollten wir aber immer.


Klaus Schrage (58) ist Betriebsratsvorsitzender bei den „Nürnberger Nachrichten“ und Mitglied der dju-Tarifverhandlungskommission. Er ist 1987 in die Journalistengewerkschaft eingetreten.

 

M Online lädt zur Diskussion über das Tarifergebnis für die Redakteur_innen an Tageszeitungen ein:

Diskussionsforum zum Tarifabschluss

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Weniger Demokratie wagen

Mit dem Slogan „Medienvielfalt stärken – Meinungsfreiheit sichern“ ist die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD angetreten.  Keine Koalitionsvereinbarung ohne Bekenntnis zur „flächendeckenden Versorgung mit journalistischen Angeboten“. Aber halt: Hieß es nicht bei der Ampel (und der letzten Merkel-Regierung!) noch „flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen“?
mehr »

Von Drehtüren und Seitenwechslern

Seit gestern hat Deutschland eine neue Bundesregierung. Das Personalkarussell dreht sich - sowohl in der Politik als auch in der PR. Einige prominente Namen der künftigen Mannschaft von Bundeskanzler Friedrich Merz kommen aus dem Journalismus. Zu den spektakulärsten Seitenwechseln zählen die Personalien Stefan Kornelius und Wolfram Weimer. Kornelius, seit 2000 in leitender Funktion bei der Süddeutschen Zeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, tritt die Nachfolge von Steffen Hebestreit (SPD) als Regierungssprecher an. Mit Weimer wird gar ein Verleger („Business Punk“) und Publizist („Cicero“) und Ex-Focus-Chefredakteur neuer Staatsminister für Kultur und Medien.
mehr »

Rechtsextreme im Fernsehen

Durch meine Eltern habe ich Anstand und Respekt beigebracht bekommen. Daher missfällt es mir, Menschen nicht anzuhören, nur weil sie eine andere oder unliebsame Meinung vertreten. Das geht mir auch so bei der Frage, ob man Politikerinnen und Politiker der rechtsextremen AfD in TV-Talkshows einladen sollte. Ein grundsätzliches „Nein“ behagt mir nicht. Ein offenes „Ja“ kommt mir allerdings auch nicht über die Lippen, angesichts der AfD-Auftritte gerade im Vorfeld der jüngsten Bundestagswahl. Was also tun?
mehr »

Hartes Brot: Freie im Journalismus

Freie Journalist*innen oder Redakteur*innen haben es häufig nicht leicht: Sie werden oft schlecht bezahlt, nicht auf Augenhöhe behandelt, Mails und Anrufe werden zuweilen ignoriert, sie warten auf Rückmeldungen zu Themenangeboten, Redaktionen sind in manchen Fällen für sie nicht zu erreichen. So geht es vielen Freien, egal, welches Medium.
mehr »