Defizitäre Frankfurter Rundschau vor radikaler Kündigungswelle
Das Ziel der Eigentümer der Frankfurter Rundschau (FR) steht fest: 4,3 Millionen Euro an Personalkosten sollen eingespart werden – egal wie, Tarifbruch inklusive. Die FR gehört der Mediengruppe DuMont Schauberg (50 Prozent plus eine Aktie), der SPD-Medienholding DDVG (40 Prozent) und der Karl-Gerold-Stiftung (10 Prozent) und erscheint im Verlag Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main (DuV).
Erst 2009 war ein Haustarifvertrag abgeschlossen worden. Die Beschäftigten der FR verzichteten auf Urlaubsgeld und Jahresleistung, um die defizitäre Zeitung zu retten. Im Gegenzug wurden Auslagerungen und betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2012 ausgeschlossen. Wenn allerdings bestimmte Ergebniszahlen nicht erreicht werden, kann der Arbeitgeber einmalig betriebsbedingte Kündigungen aussprechen. Danach ist dies bis zum Ende der Laufzeit des Tarifvertrages nicht mehr möglich. Auslagerungen und Abspaltungen sind komplett ausgeschlossen. Doch MDS und die DDVG planen neben einer radikalen Kündigungswelle tariflose Gesellschaften für die Regionalberichterstattung und den Onlinebereich. Ursprünglich sollte sogar die Mantelproduktion nach Berlin tariflos ausgelagert werden.
Restlos unglaubwürdig
„Neben dem massiven Arbeitsplatzverlust bedeuten die Details der Pläne von DuMont Schauberg und SPD-Medienholding einen nicht hinzunehmenden Tarifbruch. Insbesondere die SPD macht sich damit restlos unglaubwürdig“, sagte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. ver.di fordert einen Altersteilzeittarifvertrag, um die geplanten Kündigungen zu verhindern.
Dass die FR seit vielen Jahren in finanziellen Schwierigkeiten steckt, ist unbestritten. Im Jahr 2003 musste das Land Hessen mit einer Bürgschaft aushelfen, 2004 übernahm die SPD-Medienholding das Blatt. Die DDVG übergab im Jahr 2006 an MDS die Mehrheit an der FR. Auch damals war die FR wirtschaftlich nicht gesund. Trotz massivem Arbeitsplatzabbau und obwohl die Beschäftigten auf Tarifleistungen verzichteten, bleibt die Situation kritisch. Im vergangenen Jahr hat die Frankfurter Rundschau 19 Millionen Euro Verlust erwirtschaftet, im Jahr davor sogar 24,5 Millionen Euro. MDS und die DDVG pumpen jährlich Millionen in das defizitäre Blatt. Doch auf Dauer soll damit Schluss sein. „Es ist Verständnis dafür zu spüren, dass eine weitere Quersubvention durch die anderen Titel nicht länger akzeptabel ist, um deren Zukunftsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen“, sagte MDS-Vorstand Franz Sommerfeld gegenüber dpa. Dieser verschwurbelte Satz von der MDS-Spitze bedeutet im Klartext: Bis Ende 2013 sind MDS und DDVG bereit, noch einmal eine zweistellige Millionensumme in die FR zu schießen, danach muss sich das Blatt allein tragen.
Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine radikale Kündigungswelle geplant. Von den 124 Redakteuren und Angestellten der Redaktion sollen 83 entlassen werden. „Wir kämpfen um vernünftige Abfindungen und einen ordentlichen Sozialplan“, sagt Marcel Bathis, Betriebsratsvorsitzender der Frankfurter Rundschau. Mit den verbleibenden 41 Vollzeitstellen will die Geschäftsleitung die Berichterstattung aus Frankfurt und dem Rhein-Main-Gebiet, das Feuilleton, die Sport- und Wirtschaftsredaktion sowie den Freizeitbereich besetzen. Die Zahl der Stellen ist aus Sicht des Betriebsrats nicht ausreichend, um das Arbeitsvolumen abzudecken. Zudem werden die Volontäre mit eingerechnet, obwohl sie nicht als Vollzeitkräfte eingesetzt werden dürfen. Sie sollen ihre Ausbildung künftig konzernweit erhalten, da vor Ort nicht mehr alle notwendigen Ressorts vorhanden sein werden.
Teure Beschäftigte gegen „preiswertere“ austauschen
Die bisher in der ebenfalls tariflosen Leiharbeitsfirma Pressedienst Frankfurt (pdf) angestellten 30 Redakteure sollen entlassen werden. Die Geschäftsleitung will eine neue, tariflose Regionalgesellschaft gründen, die mit 19 Arbeitsplätzen die Lokalbüros in Wiesbaden, Offenbach, Hanau/Bad Vilbel und Bad Homburg besetzt. Die Beschäftigten der FR sind bei dem Druck- und Verlagshaus Frankfurt (DuV) angestellt, das das Blatt herausgibt. „Der Betriebsrat und ver.di wollen erreichen, dass alle Außenbüros in der DuV bleiben“, betont Marcel Bathis. Zumindest teilweise ist die Geschäftleitung von der Idee abgerückt, die Lokalbüros mit einem fremden Dienstleister zu betreiben. Zwei sollen aber an eine Firma vergeben werden, die zumindest auf dem Papier nichts mit der FR zu tun hat. Die aus Sicht der Geschäftsleitung noch immer zu teuren DuV-Beschäftigten will man weggekündigen, um dafür die „preiswerteren“ pdf-Beschäftigten einzusetzen.
Neu gegründet werden soll die tariflose Firma DuMont Digital GmbH mit 30 Arbeitsplätzen. Dort sollen überregionale Online-Inhalte wie entwickelt und auch an die Berliner Zeitung geliefert werden. Das gilt auch für iPad-Applikationen, die es für die FR bereits gibt. „Für die DuV-Kolleginnen und -kollegen verhandeln wir gerade einen Nachteilsausgleich, wenn sie in die neue Online-Firma wechseln“, erklärt Marcel Bathis. Sie fallen dann nicht mehr unter den Haustarifvertrag der DuV und würden bei der tariflosen Firma weniger verdienen.
Aus Frankfurt sollen 23 Beschäftigte nach Berlin wechseln, darunter auch die vier Ressortleiter für Politik, Wirtschaft, Feuilleton und Sport. „Wir konnten erreichen, dass die Beschäftigten aus Frankfurt weiterhin bei der DuV angestellt sein werden“, erläutert Marcel Bathis. Ursprünglich sollten auch sie tariflos ausgelagert werden. Verhandelt wird noch über die Umzugskosten für die Beschäftigten. Geplant ist, dass die Redakteure der Berliner Zeitung gemeinsam mit den Frankfurtern die überregionalen Seiten der FR künftig in Berlin produzieren. „Das sind allein 35 bis 40 Seiten für die FR täglich an sechs Wochentagen“, stellt Renate Gensch, Betriebsratsvorsitzende des Berliner Verlages, fest. Sie befürchtet eine massive Arbeitsverdichtung für alle betroffenen Redakteure.
Zahlreiche Freie betroffen
Für ver.di ist auch die publizistische Unabhängigkeit beider Zeitungen gefährdet. „Dies ist eine Kampfansage an die Kolleginnen und Kollegen bei der Frankfurter Rundschau und die Pressevielfalt in Deutschland“, sagte Frank Werneke, stellvertretender ver.di-Vorsitzender. Die neue Redaktionsgesellschaft führe zu einem Verlust an Medienvielfalt unter den überregionalen Tageszeitungen. Davon sind neben den Redakteuren nicht zuletzt auch zahlreiche freie Journalisten betroffen, denen ein Auftraggeber mit bundesweiter Verbreitung wegbricht.