Tummeln im tariffreien Raum

Neue Westfälische lagert seit Jahren aus Verlag und Druckerei aus

Die Neue Westfälische-Firmengruppe, zu der mehrere Unternehmen in Bielefeld gehören und die überwiegend (57,5 %) im Besitz der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (ddvg; Eigentümer: SPD) ist, versucht seit einigen Jahren, die tariflich geschützten Arbeitsverhältnisse in tariffreie Arbeitsbereiche zu verlagern. Zurzeit wird im Verlag der Neuen Westfälischen (NW) geplant, die EDV-Abteilung im Wege einer Betriebsänderung auszugliedern.


Die Beschäftigten bei der EDV sollen zwar ihre Anwartschaften mitnehmen, aber eine Tarifbindung ist nicht vorgesehen. Einen Betriebsrat möchte die Verlagsleitung nicht haben. Zumindest soll die Zahl der Beschäftigten die 20 nicht überschreiten, damit kein dreiköpfiger Betriebsrat agieren kann.
Derweil kündigte die Betriebsleitung bei Küster-Pressedruck an, den Bereich der Einlage auszugliedern und fremd zu vergeben. Man will sich von den 26 Kolleginnen trennen, die bisher Lohngruppe II (Std.-Lohn: 13,82 €) oder III (Std.-Lohn 14,89 €) verdienen, um dann von einer Fremdfirma zu günstigeren Bedingungen die Arbeit erledigen zu lassen. Die Kolleginnen werden sich gerichtlich gegen ihre Kündigungen wehren. Aus anderen Bereichen wissen die Betriebsräte der Neuen Westfälischen, dass in diesen Fremdfirmen häufig nur Löhne von 6 bis 7 Euro gezahlt werden. Zuschläge, Jahressonderzahlung und Urlaubsgeld sind hier ein Fremdwort. Die Betriebsleitung hat außerdem angekündigt, auch in weiteren Abteilungen der Produktion Personal einzusparen und Fremdvergaben vorzunehmen.
Schon vor einigen Jahren wurde der Fuhrpark der NW-Gruppe in eine Speditionsfirma ausgegliedert. Nachdem die Ausgliederung zunächst rückgängig gemacht worden war, gliederte man diesen Bereich nicht wieder in den Verlag oder die Druckerei ein, sondern gründete die WMS (Westfälische Medien Service GmbH & Co. KG), eine 100prozentige NW-Tochter. Hier wird für Neubeschäftigte der Speditionstarif angewandt, der deutlich unter den Tarifen der Druckindustrie und der Zeitungsverlage liegt. Da man diese Firmenhülle nun mal hatte, wurden über die WMS dann auch noch Leiharbeiter in den Redaktionen der NW, in der Rotation und dem Versand bei Küster Pressedruck beschäftigt. Nach gewerkschaftlichen und politischen Protesten wurde die Leiharbeit 2010 wieder eingestellt.
Beim ausgegliederten Callcenter Pro Media Service (PMS) arbeiten nur noch einige wenige Altbeschäftigte zu Tarifbedingungen (Verlagstarif), der überwiegende Teil der Kolleginnen geht für einen Stundenlohn von 8 bis 8,50 Euro seiner Arbeit nach – ohne Jahresleistung, ohne Urlaubsgeld. Bei der NW-Logistik wird seit Jahren ein Tarifvertrag für die Zusteller verweigert.
Das Zeitungsverlagsgewerbe hat in den vergangenen Jahren starke Rückgänge bei den Abonnentenzahlen und den Anzeigen- und Werbeeinnahmen verkraften müssen. Die Neue Westfälische liegt dabei aber immer noch im unteren Bereich und macht weiterhin für ihre Gesellschafter gute Gewinne. Der Hauptgesellschafter ddvg beschreibt seine Firmenphilosophie auf seiner Homepage so: „Die ddvg ist der Tradition der sozialdemokratischen Unternehmungen verpflichtet. Ihre Entscheidungen orientieren sich streng nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten, ohne dabei die sozialen Verpflichtungen unternehmerischen Handelns zu ignorieren.“

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Filmschaffende kriegen künftig mehr

In der achten Tarifverhandlungsrunde für die rund 25.000 Filmschaffenden haben sich die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die Schauspielgewerkschaft BFFS und die Produktionsallianz auf Eckpunkte einer vorläufigen Tarifeinigung verständigt. Doch nicht alle Verhandlungsthemen konnten geklärt werden. Die Frage nach der Regelung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Film wurde verschoben.
mehr »

Schutz vor zu viel Stress im Job

Immer weiter, immer schneller, immer innovativer – um im digitalen Wandel mithalten zu können, müssen einzelne Journalist*innen wie auch ganze Medienhäuser sich scheinbar ständig neu erfinden, die Belastungsgrenzen höher setzen, die Effizienz steigern. Der zunehmende Anteil und auch Erfolg von KI-basierten Produkten und Angeboten ist dabei nur das letzte Glied in der Kette einer noch nicht abgeschlossenen Transformation, deren Ausgang vollkommen unklar ist.
mehr »

Für eine Handvoll Dollar

Jahrzehntelang konnten sich Produktionsfirmen auf die Bereitschaft der Filmschaffenden zur Selbstausbeutung verlassen. Doch der Glanz ist verblasst. Die Arbeitsbedingungen am Set sind mit dem Wunsch vieler Menschen nach einer gesunden Work-Life-Balance nicht vereinbar. Nachwuchsmangel ist die Folge. Unternehmen wollen dieses Problem nun mit Hilfe verschiedener Initiativen lösen.
mehr »

Tarifverhandlungen für Zeitungsjournalist*innen

Bereits Ende Mai haben die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di und dem Zeitungsverlegerverband BDZV begonnen. Darin kommen neben Gehalts- und Honorarforderungen erstmals auch Regelungen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zur Sprache.
mehr »