Warnstreiks der Journalisten an Tageszeitungen brachten Bewegung in die Verhandlung
Die „Giftzähne” der Verleger konnten gezogen werden, brachte es ver.di nach der achten Verhandlungsrunde für die rund 14.000 Redakteurinnen und Redakteure sowie Freie und Pauschalisten bei Tageszeitungen am 8. März in Hamburg auf den Punkt. Einen Durchbruch habe es trotz einiger Fortschritte dennoch nicht gegeben. Die Streiks der letzten Tage und Wochen haben damit erste Wirkung gezeigt. Weitere Streiks sind nicht ausgeschlossen und um den Druck zu erhöhen, hat die dju-Tarifkommission bereits auch grünes Licht für Urabstimmungen gegeben. Die Verhandlungen werden am 26. März fortgesetzt.
Denn der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hält nach wie vor an seiner Forderung fest, die manteltarifvertraglichen Regelungen zu verschlechtern. „Die Verlegervertreter beharren auf Kürzungen, zum Beispiel der Absenkung der Jahresleistung und des Urlaubsgeldes von 175 auf 150 Prozent und Einschnitten bei den Urlaubstagen. Selbst wenn ein solcher Einschnitt dadurch scheinbar kompensiert würde, dass auf das nach wie vor magere Angebot von einem Jahr ohne Gehaltserhöhung und einem zweiten Laufzeitjahr mit nur 1,4 Prozent mehr Geld noch was drauf gelegt wird: Es liefe am Ende nicht nur auf ein Nullsummenspiel, sondern auf ein echtes Minusgeschäft hinaus. Das lehnen die streikenden Kolleginnen und Kollegen ab”, erklärte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Verhandlungsführer Frank Werneke.
Erste Fortschritte seien bei den Verhandlungen mit dem BDZV hingegen in der Frage nach der Einbeziehung der Onliner erreicht worden: „Was es heute an Bewegung gegeben hat, ist wesentlich den zwei Streikwellen zu verdanken, mit denen über Tausend Journalistinnen und Journalisten in den vergangenen Wochen ihren Forderungen nach spürbar mehr Geld und einer Einbeziehung der Onliner in die Tarifverträge Nachdruck verliehen und Einschnitten eine deutliche Absage erteilt haben. Das verdient unseren Respekt. Es konnten auch die Giftzähne bei den Verlegerforderungen wie eine Reduzierung von Tarifleistungen nach langer Krankheit gezogen werden”, sagte Werneke.
Tarifwerk der Zumutungen.
Das von den Verlegern propagierte „Tarifwerk Zukunft” wurde von den Beschäftigten aus den Zeitungsredaktionen sehr schnell als „Tarifwerk der Zumutungen” enttarnt. Es gehe darin schlicht um Kürzungen zulasten der Redakteurinnen und Redakteure. Deren Arbeitsdruck steige jedoch angesichts der wachsenden Zahl der redaktionellen Vertriebswege im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung ständig, bei gleichzeitigen Reallohnverlusten über die letzte Dekade hinweg. Wer angesichts dessen zum Beispiel verlange – wie es die Verleger bis zum 8. März taten –, dass Krankheitstage, die über den Zeitraum der Lohnfortzahlung hinaus gehen, durch das Streichen von Urlaubstagen ausgeglichen werden, verrate damit viel über eine Haltung, die das Gegenteil von Wertschätzung ausdrückt. Und ginge es nach den Verlegern, sollen Gehaltsgruppen und die Berufsjahresstaffel so zusammengestrichen werden, das Neueinsteiger künftig über fünf Prozent weniger Geld bekommen: „Das hat natürlich auch unmittelbar Auswirkungen auf Leistungen wie die von der Gehaltshöhe abhängige Altersversorgung. Und weniger Urlaub sollen sie auch bekommen. Die Arbeit jener, die die Zeitung der Zukunft produzieren, soll also schon heute entwertet werden”, machte Werneke deutlich. Und die Beschäftigten in den Redaktionen setzen dem Ansinnen der BDZV-Vertreter entgegen: „Wir wollen ein echtes und spürbares Plus im Geldbeutel und kein Kompensationsgeschäft nach dem Modell rechte Tasche, linke Tasche, wo auf der einen Seite eine Kürzung im Manteltarifvertrag durch eine kleine Erhöhung des mageren Gehaltsangebots scheinbar „kompensiert” wird. Denn was weg ist, ist weg!” 5,5 Prozent mehr Gehalt und Honorar sowie eine Weiterentwicklung der journalistischen Ausbildung stehen daher nach wie vor im Forderungskatalog.
In sieben Bundesländern gingen Redakteurinnen und Redakteure, Pauschalisten und freie Journalistinnen, nicht selten gemeinsam mit Verlagsmitarbeiterinnen und Druckern, auf die Straße, um ihren Unmut über die Herabsetzung ihrer Leistungen kund zu tun. In Baden-Württemberg waren Beschäftigte von bis zu zwölf Tageszeitungen wie der Stuttgarter Zeitung dabei, mitunter mehrere Tage am Stück. „Nicht kreativ zum Nulltarif” oder „ Gutes kann nicht billig sein”, hieß es am 7. März bei einer großen Demonstration auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Den zweiten Tag in Folge hatten am 7. März rund 100 Redakteurinnen und Redakteure der Zeitungen des Medienhauses Südhessen (Darmstädter Echo) und der Frankfurter Neuen Presse (FNP) und ihrer Regionalausgaben die Arbeit niedergelegt. An einer Kundgebung vor dem Verlag der FNP in Frankfurt nahmen auch Delegationen anderer Medienunternehmen teil wie der PDF, einem redaktionellen Zuarbeiter der Frankfurter Rundschau, sowie der Telemarketingfirma und FAZ-Tochter maincom. Die dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß hatte in ihrer Rede auf der Kundgebung den Beginn einer neuen Streikwelle angekündigt, die auch wieder Redaktionen in anderen Bundesländern erreichen werde. Damit sollte für die Fortsetzung der Tarifverhandlungen in Hamburg ein Zeichen gesetzt werden. Haß sagte: „Diese Streikwelle verleiht den Forderungen der Journalistinnen und Journalisten, fest angestellten wie freien, nach spürbar mehr Geld und der Abbildung der realen Verhältnisse in modernen Redaktionen durch Einbeziehung der Onliner in den Geltungsbereich der Tarifverträge Nachdruck. Sie zeigt, dass unsere Forderungen von einer breiten betrieblichen Basis getragen und unterstützt werden, die dem Kürzungsprogramm des BDZV eine klare Absage erteilen.”
Am Abend und in der Nacht zum 7. März traten auch rund 90 Beschäftigte der Frankfurter Societäts-Druckerei (FAZ u.a.) und der Westdeutschen Verlags- und Druckerei Gesellschaft in Mörfelden (Rheinische Post) in einen Warnstreik. Sie unterstützten damit die ver.di-Forderungen. Die Verhandlungen für die Druckindustrie werden am 12. März in Hamburg in dritter Runde fortgesetzt (kurz nach Andruck der M). Wegen der Streiks erschienen am 7. März mehrere Tageszeitungen in Frankfurt und Südhessen nur in reduziertem Umfang.
In Bayern waren die rund 130 Beschäftigten aus Verlag und Redaktion der Süddeutschen Zeitung sowie die Belegschaft des Oberbayerischen Volksblattes (Rosenheim) mit dabei. Redakteurinnen und Redakteure, Freie und Pauschalisten der Tageszeitungen Die Glocke, Haller Kreisblatt, Herforder Kreisblatt, Mindener Tageblatt, Mindener Tageblatt Online/Service, Neue Westfälische, OWL-Online, Panorama-Verlag- & Werbeges., Vlothoer Anzeiger, Westfalen-Blatt sowie dem Zeitungsverlag für das Hochstift Paderborn trafen sich im „Bunten Haus” der Gewerkschaft ver.di in Sennestadt in Ostwestfalen-Lippe und diskutierten über die unzumutbaren Ansinnen der Verleger nach einer Nullrunde, die schlechtere Arbeitsbedingungen zur Folge hätte. Das wurde einmütig zurückgewiesen. Ebenso wie die Journalistinnen und Journalisten folgten auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zeitungsherstellung der Neuen Westfälischen in der Druckerei Küster-Pressedruck dem Streikaufruf.
Der Verhandlungsführer des BDZV, Georg Wallraf, spricht von einer „Annäherung in den bisher sehr unterschiedlichen Standpunkten” bei den Verhandlungen. „Wir haben Missverständnisse ausgeräumt und erstmals in unterschiedlichen Modellen für eine Tarifeinigung, die die Regionalisierungsproblematik einschließt, gedacht.” Alle Materien, und somit auch die Gehaltstabellen, seien mit DJV und dju in ver.di diskutiert worden. Angesichts dessen gäbe es aus seiner Sicht keinen Grund für weitere Streikmaßnahmen.
Das sehen die Journalistinnen und Journalisten anders. Sie setzten ihre Warnstreiks vor allem in Baden-Württemberg und Ostwestfalen das gesamte Wochenende nach der achten Verhandlung fort.