Vom Wert qualifizierter Arbeit

In den Tageszeitungsverlagen steht ein kämpferisches Frühjahr bevorDie Tarifbewegung 2002 begann für die Printjournalisten im Sommer und endete zum Jahreswechsel mit einem miserablen Zwischenstand: kein Abschluss! Die festangestellten und freien Journalisten warten seit August auf eine Erhöhung der Tarifgehälter und der Honorare. Die davon unabhängigen Gespräche zu gemeinsamen Vergütungsregeln für freie Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen mit dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) werden erst im Januar 2003 beginnen.

Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) bot nach zwei Verhandlungsrunden für die etwa 10.000 Redakteurinnen und Redakteure an Zeitschriften 2,3 % mehr Gehalt ab Januar und eine Einmalzahlung von 75 Euro an.

Die Zeitungsverleger haben sich in dieser Tarifrunde zu einer so seit Jahren ungekannt harten Verhandlungsposition versteift. Für die Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen liegt auch nach sechs Verhandlungsrunden lediglich ein Angebot von 2,1% Gehaltserhöhung ab Dezember 2002 vor. Dies entspricht – ähnlich wie im Zeitschriftenbereich – nur einer effektiven Erhöhung von etwa 1,4 %. Gleichzeitig hat der BDZV mit der Kündigung des Manteltarifvertrages (MTV) für die rund 15 000 Journalisten in Tageszeitungs-Redaktionen zum Ende des Jahres 2002 eine offene Kampfansage gemacht.

Verhandlungsstand weit unter den Erwartungen

In dieser Situation war keine Nachbesserung der Angebote seitens der Verleger zu erwarten. Deshalb haben sich die Verhandlungskommissionen der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di in beiden Fällen dazu entschlossen, die vorgelegten Angebote nicht anzunehmen. Für die Gehaltsrunde mit dem BDZV kommt dies einem Verhandlungsabbruch gleich. Ein erneuter Termin wurde nicht verabredet. In beiden Runden liegen die Verhandlungsstände weit unter den Erwartungen, die sich an den Abschlüssen für Verlagsangestellte und Druckkollegen von 3,4 % anlehnen. Die Versuche der Verleger, die Gehaltsentwicklung der Journalisten von der allgemeinen abzukoppeln, werden von der dju strikt abgelehnt. Die dju-Tarifkommission wird die Situation und deren Folgen am 23. Januar diskutieren.

Die vom BDZV gewollten und bereits benannten Verschlechterungen im MTV sind alles andere als kleine Nüsse. Die Planungen betreffen eine Kürzung des Urlaubsgeldes um 15 %, eine Ausdehnung der Wochenarbeitszeit auf 6 Tage, eine Verschlechterung des Status quo bei den Urheberechten, und – nicht zu vergessen – die beabsichtigte Abschaffung von weiteren Stufen in der Berufsjahresstaffel. Zusätzlich sollen Bildjournalisten ganz aus dem Geltungsbereich der Tarifverträge fallen. Es kämen also stattliche Einsparungen für die Verlage zusammen. Nach Beispielrechnungen summieren sich die Kürzung von Urlaubsgeld, die Streichung der 5-Tage-Woche und die Abschaffung einer Berufsjahresstaffel (ab. 15. Berufsjahr) auf ca. 10 500,- EUR im Jahr für eine betroffene Redakteurin bzw. einen Redakteur. Die Einsparungen des Verlegers bedeuten natürlich Einkommensverluste für Journalisten. Und wenn dann auch noch Bildredakteurinnen und -redakteure ausgeschlossen werden, macht dies deutlich: ein ganzes Berufsbild soll hier angegriffen werden. Es geht letztendlich um die Frage, welchen Wert eine hoch qualifizierte Ausbildung und hoch engagierte Arbeitsleistung in Zukunft noch haben soll. Den Verlegern scheint diese nicht mehr viel wert zu sein.

Solchen Verschlechterungen tritt ver.di offensiv entgegen. Die dju-Tarifkommission wird sich mit einem Bündel drängender Themen beschäftigen, die sich allesamt aus der steigenden Arbeitsverdichtung in den Redaktionen ergeben: Warum sollten nicht auch die finanziellen Bestandteile des MTV verbessert werden? So ist eine Anhebung der Jahresleistung auf 100 % sicherlich ein gutes Ziel. Offen diskutiert werden die Anhebung des Antrittsgeldes an Sonn- und Feiertagen sowie die Einführung eines Antrittsgeldes am Samstag. Auch über Spätdienstzuschläge wird nachzudenken sein. Und es werden auch die Arbeitszeitregelungen auf den Prüfstand gestellt. Forderungen nach Arbeitszeitsouveränität werden in Redaktionen immer häufiger diskutiert, wie auch die 4-Tage-Woche in Zeiten immer stärkerer Arbeitsverdichtung als sinnvolle Alternative gilt. Warum soll neben den gesetzlichen Regelungen nicht auch tarifvertraglich die Teilzeitarbeit gefördert werden? Der Vereinbarkeit von Familie und Beruf täte das gut. Qualität tut Not im Journalismus und damit steht das Recht auf Weiterbildung wieder auf der Tagesordnung. Im Redaktionsalltag bleibt zur Zeit angemessene fachliche und technische Weiterbildung auf der Strecke – und damit die journalistische Qualität. Schließlich sind Anreize zur Reduzierung der Lebensarbeitszeit durch Altersteilzeit seit längerem Ziel der dju-Tarifpolitik. Im Rahmen von MTV-Verhandlungen müsste auch darüber erneut verhandelt werden.

Stoff für schlüssigen Forderungskatalog

Es gibt neben diesen Ideen genügend Stoff aus dem ein schlüssiger Forderungskatalog erstellt werden kann. Doch letztendlich drücken Gehalt und Honorar den Wert qualitativer und freier journalistischer Arbeit aus. Das Frühjahr wird zeigen, dass diese Werte zur Not auch kämpferisch in den Zeitungsverlagen eingefordert werden.

Matthias von Fintel, ver.di-Tarifsekretär

 

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