Zwischen Buch und Börse

Die deutsche Medienbranche zwischen Sommer 1998 und Sommer 1999


Bei einer Reihe von Mega-Fusionen waren Konzerne mit Sitz in Deutschland beteiligt:

  • Mai ’98 Daimler und Chrysler fusionieren
    Daimler-Benz kauft Nissan-Nutzfahrzeuge
  • Juni ’98 VW kauft Rolls Royce
  • Nov. ’98 Deutsche Bank kauft Bankers Trust
  • Dez. ’98 Krupp und Thyssen fusionieren
  • Mai ’99 Hoechst und Rhône-Poulenc fusionieren
  • Juni ’99 Siemens-Nixdorf und Fujitsu fusionieren
  • Juli ’99 Deutsche Telekom will One-2-One kaufen

Die Medienkonzerne sind bei solchen Übersichten nur deshalb nicht erwähnt, weil die bewegten Summen kleiner sind. Beim umfangreichsten Deal der Branche, dem Erwerb von Random House durch Bertelsmann im März 1998, wurden 900 Millionen Dollar Umsatz verschoben, während die Deutsche Bank mit Bankers Trust 142 Milliarden Bilanzsumme kaufte. Auf die Branche selbst bezogen ist die Fusionsgier nicht schwächer als anderswo. Zwischen Juli 1998 und Juli 1999 fanden mindestens 95 Aufkäufe, Fusionen und Kooperationen statt, an denen deutsche Medienunternehmen beteiligt waren.2

Zusammenschlüsse in der deutschen Medienwirtschaft, Juli 1998 bis Juli 1999

  Inland Ausland
Bertelsmann 8 13
Springer 7 3
Kirch-Familie 5 4
Süddeutscher Verlag 4 1
Holtzbrinck 3
andere 29 17

Quelle: nebenstehend fortlaufende Übersicht

Charakteristisch ist – wie in anderen Wirtschaftszweigen – die Größenordnung mancher Vorgänge. In einigen Sparten der Medienwirtschaft wurden 1998/99 durch Firmenzusammenschlüsse die Gewichte erheblich verschoben, z.T. ganz neue Situationen geschaffen.

Das Medienkapital in Deutschland ist hoch konzentriert. In allen Sparten lassen sich die marktbeherrschenden Unternehmen jeweils an einer Hand abzählen. Die Namen von sieben Konzernen tauchen immer wieder auf; sie sind auch in der Liste der fünfzig größten Medienunternehmen der Welt zu finden: Die Bertelsmann-Gruppe steht dabei mit weitem Abstand vorne; sie verfolgt eine aggressive und expansive Politik mit dem ausdrücklichen Ziel, möglichst in allen Sparten Marktführer zu werden.

Die sieben Großen der deutschen Medienbranche

Weltrang Konzern   Umsatz ’97
(Mrd. DM)
  Umsatz’98
(Mrd. DM)
(2) Bertelsmann AG,
Gütersloh
  22,41   22,96
(8) Kirch-Gruppe,
Ismaning
  4,8*)   5,1*)
(28) Axel Springer AG,
Berlin
  4,60   4,81
(41) Zeitungsgruppe WAZ,
Essen
  3,30   4,00
(43) Verlagsgruppe Holtzbrinck,
Stuttgart
  3,49   3,67
(44) Heinrich Bauer Verlag,
Hamburg
  2,91   3,01
(50) Hubert Burda Media,
Offenburg
  1,73   2,07

*) Schätzung

Die 75 größten Medienkonzerne Deutschlands – sie stehen für die Branche insgesamt – haben 1998 ihren Umsatz um 4,5 Prozent auf 92,6 Milliarden DM steigern können. Die Zahl der Umsatzmilliardäre ist von 20 auf 22 gestiegen: DuMont Schauberg und Weltbild sind dazu gekommen.3

Ökonomische Macht zeigt sich an Umsätzen, Profiten und Marktanteilen. Kaum weniger wichtig ist der Zugang zu Finanzquellen. Dabei spielt die Verbindung zu Banken und ggf. der Zugang zu Börsenkapital eine Rolle. In der Medienindustrie kommt ein Faktor hinzu: die Werbeeinnahmen. Hier wurden im letzten Jahr 29,9 Milliarden Mark (Vorjahr: 27,4 Mrd.) verteilt.4 69 Prozent von diesem Kuchen entfielen 1997 auf Publikumszeitschriften und Fernsehsender. Und hiervon wiederum landeten von jeder ausgegebenen Mark 42 Pfennig in den Kassen des Bertelsmann-Konzerns und 22 Pfennig in denen der Kirch-Familie.

Konzentration der Werbeeinnahmen aus Zeitschriften und Fernsehen 1997 (in Prozent)

Bertelsmann
(incl. CLT-Ufa und G+J)
42,4
Kirch-Familie (incl. Pro 7 AG) 21,5
Axel Springer AG*) 10,2
Rewe-Gruppe 6,9
Burda-Holding 5,3
Bauer-Gruppe 4,5
Holtzbrinck-Konzern 3,5

*) 40 % von Springer gehören der Kirch-Gruppe

Quelle: w&v-Jahrbuch Medien 1997/98, S. 27

Buchverlage: Das Internet winkt

Rund die Hälfte aller Deutschen kauft kein einziges Buch im Jahr, nur 10 Prozent kaufen mehr als zehn. Trotzdem sind im letzten Jahr über 78000 neue Belletristiktitel auf den Markt geworfen worden, davon 57678 Erstauflagen.5 Der Buch-umsatz 1998 wird vom Börsenverein für den deutschen Buchhandel mit 17,8 Mrd. Mark angegeben(1997: 17,6 Mrd.), davon 16 Mrd. für Bücher (+ 1,2 %).6 Dies umfaßt allerdings auch Importe und fremdsprachige Titel; diedeutschsprachigen Umsätze lagen 1998 bei 10,8 Mrd. DM, 1997 bei 10,4 Mrd. Da die Preise um etwa 2 Prozent gestiegen sind, bedeutet das real einen Rückgang.7 Damit hat sich der Trend der letzten Jahre fort-gesetzt.

Die Gesamtzahl der Buchverlage liegt bei über 3000; 2100 davon sind Mitglied im Börsenverein. Von den 10,8 Milliarden Branchenumsatz entfielen 9,9 Milliarden, d.h. 92 Prozent, auf die hundert größten Verlage und Verlagsgruppen (die wiederum 450 Einzelverlage und Imprints unter ihrem Dach vereinigen).8 Die fünf größten Publikumsverlage konzentrierten 1,6 Mrd. Mark oder 14,8 Prozent davon auf sich:

Die fünf größten Publikums-Buchverlage 1998 (Buchumsätze in Mio. DM)

Bertelsmann*) 500
Holtzbrinck 349,3
Weltbild 334,7
Langenscheidt 282,1
Springer 189,0

*) ohne Buchklubs

Quelle: Buchreport 14, 8.4.99, S. 38 f.

Branchenführer ist mit Abstand die Bertelsmann Buch AG. Sie katapultierte sich im März 1998 an die Weltspitze, als sie für 2,4 Milliarden Mark die US-Verlagsgruppe Random House kaufte. In Deutschland verkauft Bertelsmann unter 16 verschiedenen Marken Bücher und verwandte Produkte. Hinzu kamen 1998 rund 1,3 Milliarden Umsatz über die Buchklubs. Nummer 2 der Branche war 1998 die Holtzbrinck-Gruppe, gefolgt von Weltbild. Diese beiden Konzerne haben im September 1998 beschlossen, 14 ihrer Buchverlage unter einer Gemeinschaftsfirma (50/50%) Gruppe Droemer Weltbild zu vereinigen. Das neue Gebilde wird Nummer zwei der Großverlage werden.

Die deutsche Buchbranche steht vor zwei Herausforderungen: Die Buchpreisbindung, deren Verbot durch die EU-Kommission überraschenderweise verschoben worden ist, droht weiterhin. Ihre Auswirkungen wären absehbar: beschleunigte Konzentration und noch labilere Lage der Kleinverlage. Schon zwischen Januar 1998 und Juli 1999 wurden mindestens 17 Buchverlage Opfer von Übernahmen9. Die zweite Herausforderung kommt durch neue Vertriebswege. Der Anteil des Sortimentsbuchhandels sinkt (1997 noch 10,4 Mrd. DM oder 59 Prozent). Statt dessen nehmen der Versandbuchhandel (1,2 Mrd.in ’97) und der Internetbuchhandel (120 Mio. für ’99 geschätzt) zu. Letzterer wird die Buchpreisbindung – selbst wenn sie bestehen bleibt – untergraben.

Die Verlagskonzerne richten sich auf die neue Lage ein. Bertelsmann hat im Oktober 1998 für eine Milliarde Mark die Hälfte des zweitgrößten Internet-Buchhändlers, barnesandnoble.com, gekauft und war dadurch mit der weltgrößten Buchhandelskette, Barnes & Noble in New York, ins Geschäft gekommen. Es erfolgte eine Marktabsprache für das Internet: barnesandnoble.com grast auf dem amerikanischen Kontinent, für Europa ist die Bertelsmann-Tochter BOL zuständig. Letztere soll 1999 in Deutschland für 18 bis 20 Millionen und europaweit 45 Millionen Mark Bücher verkaufen.10 Im Gegenzug gründeten Springer, Holtzbrinck, Weltbild und T-Online im Juli 1999 die gemeinsame Internet-Buchhandelsfirma Booxtra.

Zeitungen: Werbung läßt den Schwund vergessen

Die Zeitungsverlage kämpfen mit einem anhaltenden Rückgang der Auflagen. Das gilt insbesondere für Boulevardblätter: Sie verloren im zweiten Quartal 1999 3,9 Prozent oder 496000 Exemplare ge-genüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr. Der Absatz bei den überregionalen Tageszeitungen ging um 1,6 Prozent auf 31 Millionen zurück.11

Diese Entwicklung ist Ausdruck einer langfristigen Negativtendenz: Bei den jüngeren Generationen schwindet die Akzeptanz des Mediums Zeitung. 1991 hatten bei Befragungen (in den alten Bundesländern) 78,8 Prozent der Erwachsenen am Vortag eine Zeitung gelesen, 1998 nur noch 73 Prozent. In den neuen Bundesländern ist der Rückgang noch krasser.12 Die Gründe sind umstritten, aber es handelt sich um eine ernstzunehmende Entwicklung. Deren Verdrängung fällt den Verlagen derzeit allerdings leicht, denn das Jahr 1998 brachte ihnen einen ungeahnten Werbeboom. Die Nettoeinnahmen der Tageszeitungen aus Reklame stiegen gegenüber 1997 um 5,6 Prozent auf 11,5 Milliarden Mark.13

In der Liste der führenden deutschen Zeitungsverlage finden sich bekannte Namen:

Die sechs größten Zeitungsverlage in Deutschland im 4. Quartal 1998

  Titel Auflage (Mrd. DM)
absolut gewichtet*)
Springer 16 6,97 6,51
Stuttgarter Zeitung 14 2,53 2,49
WAZ-Gruppe 7 1,63 1,48
Holtzbrinck 8 1,39 1,10
Gruner + Jahr 5 1,11 0.88
DuMont Schauberg 5 0,99 0,93
zusammen 55

*) gewichtet nach Kapitalanteilen

Quelle: Horizont Magazin 2/99, 29.7.99

Der Springer-Konzern hat seine Position als führendes Zeitungshaus seit den sechziger Jahren gehalten. Das verdankt er seinen Boulevardblättern, allen voran der Bild-Zeitung: In diesem Segment belegte er 80,5 Prozent der deutschen Auflagen. Noch dominierender ist die Rolle Springers, wenn man seine Anteile auf die überregionalen Zeitungen bezieht: Hier hat er einen Marktanteil von 85,5 Prozent, die Bild-Zeitung (Auflage 1998: 4,6 Millionen) allein 50,4 Prozent.14

Auf längere Sicht hat sich der Konzentrationsgrad bei den Zeitungen nicht wesentlich verändert:

Marktanteile bei deutschen Tageszeitungen (%)

  1989 1993 1997
Springer 26,7 22,8 23,7
WAZ 6,0 5,6 5,9
Stuttgarter Zeitung 3,2 5,2 5,0
DuMont Schauberg 3,3 4,5 4,0
Gruner + Jahr 3,8 3,4

Quelle: Media Perspektiven 6/98, S. 282

Besonders aggressiv gebärdet sich auf dem Zeitungsmarkt die Bertelsmann-Tochter Gruner + Jahr. Hintergrund ist, daß die Zeitungen des Verlags die Profiterwartungen der Bertelsmann-Zentrale nicht erfüllen. Um hier voranzukommen, wurden im Juli 1999 bei den Boulevardblättern Hamburger Morgenpost und Berliner Kurier die Politik- und Nachrichtenredaktionen aufgelöst. Die entsprechenden Artikel werden von einem zentralen Redaktionspool in Berlin geliefert. Abnehmer wird auch der Kölner Expreß (DuMont Schauberg-Gruppe) sein. Daß das Arbeitsplätze kosten und zu Lasten der Informationsvielfalt gehen wird, steht außer Frage.

Blattübergreifende Rationalisierung wird auch beim Anzeigengeschäft angestrebt. Der Springer-Verlag bietet für BILD und B.Z. eine Annoncenkombination an. Und für seine Blätter Welt und Welt am Sonntag plant er einen gemeinsamen Stellenmarkt mit der Frankfurter Rundschau und der Süddeutschen Zeitung – wohl als Antwort auf den großen Erfolg der FAZ auf diesem Gebiet. Dieses Vorhaben wurde zwar vom Bundeskartellamt verboten, die beteiligten Verlage wollen jedoch dagegen klagen.

Gratistitel auf dem Vormarsch

Eine Entwicklung, auf die schon im letzten Medien-Reader hingewiesen wurde, hat sich beschleunigt: Die Zahl der Zeitungen, die sich vollständig aus Anzeigen finanzieren, wächst. Von herkömmlichen Werbeblättern unterscheiden sie sich dadurch, daß sie eine zumindest halbwegs vollwertige Redaktion besitzen. Dieser Vorgang greift das Medium Zeitung in seiner bisherigen Form grundsätzlich an.15

Entsprechend empört waren die Reaktionen: Der Präsident des Zeitungsverlegerverbandes protestierte, Springer drohte mit Klagen. Alles erfolglos. Gruner + Jahr rangiert bei Zeitungen auf Platz 4 der Branche und treibt vielleicht deshalb diese Entwicklung voran: Nachdem die Bertelsmann-Tochter im Herbst 1997 in Freiburg mit der kostenlosen „Zeitung zum Sonntag“ gestartet war, folgte im März 1998 das Pendant in Karlsruhe. Weitere Ausgaben sind geplant. Mit 15 Uhr aktuell erscheint seit Oktober 1998 in Berlin und seit April 1999 in Hamburg sogar eine kostenlose Tageszeitung; eine Münchner Ausgabe ist für Herbst 1999 angekündigt.

Da auch andere Verlage auf den Zug aufspringen, boomt die Sparte. Im letzten Jahr wurden mit Gratiszeitungen 3,5 Milliarden DM Werbegelder (netto) eingenommen (plus 5,1 Prozent). Die Zahl der kostenlosen Sonntagszeitungen hat sich sprunghaft erhöht:

Anzeigenzeitungen in Deutschland

Jahr Auflage Titelzahl*) Sonntagszeitungen*) Netto-Werbeeinnahmen*)
(Mio. DM)
1995 78,1 1325 74 2917,4
1997 80,0 1279 105 3278,8
1998 84,0 1316 122 3446,0
1999 88,2 1331 161

*) jeweils Januar

Quelle: w&v 15/99; ZAW (Hrsg.), Werbung in Deutschland 1999, S. 232 ff.

Bisher hat diese Entwicklung die verkauften Sonntagszeitungen noch nicht in Schwierigkeiten gebracht: Ihre Auflage sank im zweiten Quartel 1999 nur um 0,83 Prozent – das war weniger als der Branchentrend (- 1,6 %).16

Bei Publikumszeitschriften bleibt die im März 99 geplante, aber juristisch gestoppte TV gratis bislang ein Einzelfall, bei Musikjournalen und Stadtillustrierten ist dergleichen gang und gäbe. 1985 hatte die World-of-Music-Kette (Hertie) mit dem WOM-Journal begonnen (heute rund 590000 Auflage pro Ausgabe). Andere zogen nach (Intro, Groove, BlackOut, Rondo u.a.). Mehr als zwei Millionen solcher Blätter sollen jeden Monat gedruckt werden.17 Bei den kostenlosen Stadtillustrierten ist die Zahl zwischen 1994 und 1998 von 109 auf 188 gestiegen, die Auflage von 2,8 auf 4,9 Millionen pro Ausgabe.18

Der heiße Markt der Publikumsblätter

Immer mehr Titel – das scheint die Devise der Verlage für Publikumszeitschriften zu sein. Die Hamburger Agentur MMM hat ausgerechnet, daß im letzten Jahr 461 Titel erstmals an die Leser kamen; 256 verschwanden im gleichen Zeitraum. Im ersten Halbjahr 1999 war das Gründungsfieber etwas gesunken: 173 Neugründungen – jeden Werktag eine. Allerdings sind etwa zwei Drittel davon kostenlose Kundenzeitschriften.19 Die Gesamtzahl der Zeitschriftentitel liegt derzeit bei 3700 (andere Schätzungen sprechen von 6000). Die Gesamtauflage der Publikumsblätter umfaßte 1998 etwa 128 Millionen.20

Auch bei den Zeitschriften müssen die Verlage mit Auflagenproblemen kämpfen. Zwar wurden im 2. Quartal 1999 122 Millionen Publikumszeitschriften verkauft; das waren 1,4 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Das kam aber nur dadurch zustande, daß 32 neue Titel zusammen 5,45 Millionen

Exemplare absetzen konnten. Die etablierten Blätter verloren 3,7 Millionen Käufer oder 3 Prozent Auflage.21

Der Zeitschriftenmarkt kommt zwar vielfältig daher, ist aber weitgehend aufgeteilt.Fünf große Zeitschriftenhäuser konzentrieren fast die Hälfte der Gesamtauflage (allerdings nur 16 Prozent der Titel) auf sich (wobei die Nummer drei, Burda, mit 40 Prozent an der Nummer fünf, der Gruppe Milchstraße, beteiligt ist):

Konzentration bei Publikumszeitschriften im 1. Halbj. 1999

  Titel*) Aufl.
(Mio.)
Marktanteil (%)
Bauer 36 22,0 18,0
Springer 21 13,0 10,7
Burda 24 10,4 08,5
Gruner + Jahr 25 07,4 06,1
Milchstraße 07 04,0 03,3

*) Die hier genannten Titelzahlen sind niedriger als die in den Konzernübersichten im Anhang, weil in der obigen Tabelle nur ivw-geprüfte Zeitschriften erfasst sind.

Quelle: Horizont, 22.7.99

Diese Statistik wird dadurch verzerrt, daß die Zeitschriften unterschiedliche Erscheinungsweisen haben. In den Media Perspektiven 7/98 wurde dieser Faktor herausgerechnet. Es zeigt sich, daß die Bertelsmann-Tochter Gruner + Jahr in der Rangfolge nach oben rutscht und in den letzten fünf Jahren erheblich zulegen konnte, während die anderen drei „Großen“ Federn lassen mussten:

Vergleichbare Marktanteile im Zeitschriftenbereich (%)

Bei den Anzeigenerlösen ist Gruner + Jahr die Nummer 1 der Sparte: 12,6 Prozent aller Werbeseiten, die im ersten Halbjahr 1999 in deutschen Zeitschriften geschaltet wurden, erschienen in den Blättern der Bertelsmann-Tochter. Mit 9,2 Prozent folgte an zweiter Stelle Burda. Die fünf größten Verlage konzentrierten 45,2 Prozent der Werbeeinnahmen auf sich, die zwanzig größten 84,3 Prozent.22

Insgesamt waren die Netto-Anzeigeneinnahmen bei Publikumszeitschriften im ersten Halbjahr 1999 mit 3,4 Prozent zwar noch gestiegen, aber der Trend ist abgeflacht. In der ersten Jahreshälfte des Vorjahrs war die Steigerungsrate bei 7,3 Prozent gelegen, für 1998 insgesamt lag sie bei 4,2 Prozent.23 Der Brutto-Werbeumsatz der Publikumszeitschriften hat sich seit 1988 um 38 Prozent auf 6,88 Mrd. DM erhöht. Die Netto-Erlöse – nach Abzug von Rabatten und Provisionen – sind um 30 Prozent auf 3,65 Mrd. DM gestiegen.24

Fach- und Kundenmagazine: die Sparten im Stillen

In der Sparte der Fachzeitschriften (etwa 3900 Titel) wurden im letzten Jahr 4,3 Mrd. Mark umgesetzt; nur 42,9 Prozent (1,83 Mrd.) kamen aus Verkaufserlösen, der Rest im Wesentlichen aus Werbung. Das liegt u.a. daran, dass 59 Prozent der Auflage verkauft, der Rest verschenkt wird.25 Die Nettowerbeeinnahmen sind 1998 gegenüber dem Vorjahr um 2,0 Prozent, davor um 2,5 Prozent gestiegen.26

Auch bei den Fachzeitschriften geben fünf Verlagsgruppen den Ton an:

Die fünf größten Verlage für Fachzeitschriften (Umsätze mit Fachinformationen in Mio. DM)

  1996 1997 1998
Bertelsmann 781 737 13711)
Weka-Gruppe 680 784 771  
Holtzbrinck . 525 504  
Süddeutscher Verlag 230 251 4052)
Vogel-Gruppe Würzburg 256 313 356

1) einschl. Springer-Fachverlag (noch nicht konsolidiert)

2) einschl. Hüthing-Fachverlag (noch nicht konsolidiert)

Quelle: Horizont compact 7/98 und 6/99

Diese Übersicht nimmt zwei Fusionen vorweg, die in den Bilanzzahlen des letzten Geschäftsjahrs noch nicht dokumentiert sind: die Übernahme des Springer-Wissenschaftsverlags durch Bertelsmann im November 1998, und die des Hüthing-Verlags durch den Süddeutschen Verlag im Januar 1999. Daneben haben Holtzbrinck im Juli 1998 den Verlag Urban & Schwarzenberg, der Würzburger Vogel-Verlag den Motor-Presse-Verlag und der Süddeutsche Verlag den Forum-Verlag gekauft; die Weka-Gruppe übernahm im Oktober 1998 den GWI-Verlag.

Ein Boomsektor bei den Zeitschriften sind die Kundenmagazine (Blätter, die nicht von den Lesern, sondern von Unternehmen, Verbänden u.ä. gekauft und dann verteilt werden). Deren Bedeutung für das Marketing und die Kundenbindung wird seit einiger Zeit verstärkt propagiert. Seit letztem Jahr ist eine beträchtliche Zahl von Artikeln hierzu in der Fachpresse erschienen.27 Dementsprechend steigen die Großverlage in das Geschäft ein; symptomatisch dafür ist die Übernahme des Spezialverlags Yukom durch Springer im Juli 1999. Auch Bertelsmann (K+S-Verlag), Burda (CMS-Verlag), der Süddeutsche Verlag (SV-Medien-Service) und Holtzbrinck (Corps) sind schon dabei. Im Mai 1999 wurde sogar ein eigener Interessenverband gegründet.

Schätzungen über die Zahl der Titel sind schwierig. Die Hamburger Agentur MMM versucht eine regelmäßige Erfassung und hat im letzten Jahr 2112 Titel gezählt. 121 waren neu erschienen, 30 eingestellt worden. Knapp 2000 Magazine werden regelmäßig mit einer Gesamtauflage von 337 Millionen Exemplaren pro Jahr gedruckt, ein Zuwachs von 12,4 Millionen gegenüber 1997. Im ersten Halbjahr 1999 waren 96 Titel und 11 Millionen Auflage dazu gekommen.28

Den Gesamtumsatz mit Kundenzeitschriften schätzt MMM für 1998 auf 3,75 Milliarden Mark jährlich, davon rund eine Milliarde durch Werbung. 70 Kundenzeitschriften waren im November 1998 ivw-geprüft. Sie hatten eine Gesamtauflage von 52,6 Millionen.

Funk und Fernsehen: mehr Sender mit Profit

Bei Radio und Fernsehen herrscht gegenüber allen anderen Medienmärkten eine besondere Situation: Es besteht ein bedeutsamer und stabiler öffentlich-rechtlicher Sektor. Beim Rundfunk erreichen die ARD-Sender 56,4 Prozent aller Hörer, beim Fernsehen beträgt der öffentlich-rechtliche Anteil 43,2 Prozent.29

Mitte 1999 waren in Deutschland 246 Radioprogramme auf Sendung. 172 davon waren privat, 58 gehörten zur ARD und 16 wa-ren „sonstige“ (DF, AFN u.a.).30 Von den 58 ARD-Sendern sind 24 werbefrei, darunter der meistgehörte Sender (5,6 % bundesweit) NDR 1 Ra-dio Niedersachsen. Bei den privaten Radiosendern finden sich auf der Eigentümer-seite häufig die schon vom Printbereich her bekannten Konzerne:

Beteiligung von Medienkonzernen an Radiosendern

Konzern Zahl der Sender
Holtzbrinck 13
Energy-Gruppe 11
CLT-Ufa (Bertelsmann) 9
Springer 7
Radio Schleswig-Holstein 7
Burda 6
WAZ-Gruppe 3

Quelle: Media-Perspektiven 6/98, S. 283

Durch die Vielzahl der Sender und die starke Stellung der öffentlich-rechtlichen Stationen besteht in diesem Mediensektor keine marktbeherrschende Stellung, wohl aber ein Größenvorteil der Konzerne. Beim Fernsehen sieht das schon ganz anders aus: Von den 17 privaten werbefinanzierten Sendern gehören sieben – darunter alle großen – der Kirch-Familie oder dem Bertelsmann-Konzern. Sie konnten im letzten Jahr durchschnittlich 47,3 Prozent der Zuschauer gewinnen. Ab Januar 1999 wird das Fernsehangebot um einen weiteren Sender bereichert werden: Die Pro-Sieben-AG will mit dem Nachrichtensender N 24 auf Sendung gehen.

Zu den werbefinanzierten Sendern hinzu kommen die beiden Abosender premiere und DF 1, die beide Kirch gehören (premiere zu 5 Prozent Bertelsmann) und ab Herbst ’99 gemeinsam unter Premiere World auftreten werden. Der neue Abosender wird in seinem Angebot auch Kanäle haben, die von anderen Konzernen (z.B. Disney, Deutsche Telekom) betrieben werden.

Der Sender RTL hat sich seit Ende 1998 den Spitzenplatz in der Zuschauergunst zurückerobert (davor hatte er ihn zeitweise an die ARD abgeben müssen – ein Ergebnis der Fußballweltmeisterschaft ’98).

Unverändert geblieben ist die Vorliebe von Kindern und Jugendlichen für private Fernsehsender – für die öffentlich-rechtlichen Anstalten eine beklemmende Situation, zumal sich die Tendenz verstärkt:

Fernsehsender in der Publikumksgunst nach Altersklassen (in Prozent)

Jahre RTL/Sat1/Pro7 ARD/ZDF/Dritte
  4/98 4/99 4/98 4/99
3-13 32,9 34,2 18,1 16,2
14-29 50,1 51,8 21,0 18,3
30-49 44,7 44,0 28,4 28,4
ab 50 30,9 28,1 52,2 53,1

Quelle: Horizont Media Facts 5/98 und 5/99
Wie bei Print sonnen sich die Medienunternehmer auch bei den Funkmedien im Werbeboom. Die Radiosender verzeichneten im ersten Quartal ’99 einen Zuwachs von 19,7 Prozent (Jahresvolumen netto 1998: 1,7 Mrd. DM). Auch die Fernsehsender legten zu, allerdings „nur“ um 6,9 Prozent auf 7,9 Mrd. DM. Bei den Werbeeinnahmen sieht die Rangfolge der Sender naturgemäß anders aus als bei den Quoten. An der Spitze liegen die großen Privatsender:

Die zehn werbestärksten Fernsehsender

Sender Netto-Werbeumsatz (Mio. DM)
  1997 1998
RTL 2238 2340
Sat 1 1661 1778
Pro Sieben 1580 1619
RTL 2 407 417
ARD 308 352
Kabel 1 263 316
ZDF 308 312
Vox 275 310
DSF 125 146
Super RTL 103 124

Quelle: Horizon Magazin 2/99, 29.7.99

Wachsendes Gewicht erhält die Quasi-Werbung Programmsponsoring. Im letzten Jahr wurden 21 000 Fernsehsendungen für 152 Millionen Mark gesponsert.31

Trotz ihres Wachstums reichen die Werbeeinnahmen nicht aus, um Privatfernsehen zu einem wirklich guten Geschäfts werden zu lassen. Zwar erzielen mittlerweile acht Privatsender operative Gewinne (Pro 7, RTL, RTL 2, Sat 1, Kabel 1, n-tv, MTV und Viva), aber insgesamt schob die Branche bis Ende 1998 rund 6,2 Milliarden Anlaufverluste vor sich her und produzierte 800 Millionen Mark Defizit pro Jahr.32

Murdoch: ein neuer „Player“ am Tisch

Bis Frühjahr 1998 schien die deutsche Fernsehwelt in Ordnung zu sein: Bertelsmann und Kirch hatten den Markt unter sich aufgeteilt, alle Sender mit Vollprogramm wurden von ihnen kontrolliert. Die anderen Medienkonzerne (WAZ, Holtzbrinck, Bauer, Burda und Springer) hatten zwar hie und da noch Anteile, aber nicht mehr viel zu sagen.

Ausländische Mediengruppen waren auf Abstand gehalten worden: Der US-Australier Rupert Murdoch und der französische Sender Canal plus (Vivendi-Gruppe) betrieben (gemeinsam mit Bertelsmann) den Sender Vox, Canal plus war außerdem noch am Abosender premiere mit einem Drittel beteiligt, stieg dort aber aus. Die US-Konzerne beschränken sich auf Spartensender (n-tv, Eurosport, MTV und Viva). Einzig Disney war an Vollsendern beteiligt (Super RTL, RTL 2), wollte die Anteile aber verkaufen.33

Die Zeit schien für Bertelsmann und Kirch gekommen zu sein, um ihre Marktmacht in Profit zu verwandeln. Den Hebel dazu sollte das Abofernsehen liefern. Diese Sparte dümpelte vor sich hin, weil sie nicht genug Abnehmer für ihre Angebote fand. Durch eine Fusion der Sender premiere und DF 1 unter gemeinsamer Regie von Bertelsmann und Kirch sollte das anders werden.

Damit das anders wird, sollte Abofernsehen die Konkurrenz (besonders die öffentlich-rechtliche) in die zweite Liga verbannen. Es war beabsichtigt, publikumsträchtige Sendungen (Filmhits, Spitzensport) für eine Erstausstrahlung im Abofernsehen zu reservieren. Das wäre möglich gewesen, weil die Kirch-Gruppe den größten Filmvorrat Europas (12000 Spielfilme, 48000 Programmstunden) besitzt und für 3,4 Mrd. Mark die Rechte an den Fußballweltmeisterschaften 2002 und 2006 gekauft hatte.

Der Deal scheiterte, als im Mai 1998 die EU-Kommission die Fusion von premiere und DF 1 verbot. Im Oktober ’98 blockierte das Bundeskartellamt den Versuch, das Ziel auf Umwegen zu erreichen.34 Durch dieses Verbot wurde der Fernseh-markt in Deutschland verändert:

  • Kirch kam in eine akute Finanzkrise, mußte Teile seines Filmvorrats verkaufen, sein Imperium durchsichtiger machen und börsenfähig umstrukturieren sowie fremde Kapitaleigner hereinnehmen: Neben dem Saudi-Prinzen Al Waleed haben der italienische Medienherrscher und Politiker Silvio Berlusconi und die US-Investmentbank Lehmann Bros. je 3,1 Prozent gekauft.
  • Bertelsmann verkaufte im März 1999 seine Anteile an premiere (bis auf 5 Prozent) an Kirch. Dieser wurde damit alleiniger Anbieter von Abofernsehen in Deutschland.
  • Rupert Murdoch (der auch bei den Kaufverhandlungen mit Kirch dabei war, dann aber verzichtete) erwarb im November ’98 die Mehrheit des Minifernsehsenders tm 3. Im Mai ’99 kaufte Murdoch für diesen die Senderechte für die europäische Fußball-Champions-League (850 Mio. Mark) und bootete den bisherigen Rechteinhaber RTL (Bertelsmann) aus. Murdochs Ziel besteht darin, durch exklusive Sportsendungen tm 3 zu einem profitablen Sender zu entwickeln. Daß das funktionieren kann, hat er schon zweimal bewiesen: beim britischen Sender BSkyB und beim US-Sender Fox.Außerdem will Murdoch eine eigene deutsche Senderfamilie aus tm 3 und dem Sender Vox aufbauen. An Vox halten Murdoch 49,9 Prozent und Canal plus 24,9 Prozent. Letztere stehen zum Verkauf; Bertelsmann (24,9 Prozent) blokkiert bislang jedoch eine Übernahme durch Murdoch. Zum Jahresende allerdings muß es zu einer Klärung kommen, weil die Gesellschafterverträge dies vorsehen.35 Darüber hinaus will Murdoch einen deutschen Kindersender Fox Kids auf Sendung bringen.
  • Kirch und Berlusconi bildeten ein gemeinsames European TV-Network (ETN) mit dem erklärten Ziel, auf europäischer Ebene expansiv zu wirken und durch gemeinsamen Auftritt sowie Synergien mehr Gewicht zu bekommen. In das ETN wurde der Kirch/Springer-Sender Sat 1 integriert.

Statt zwei sind jetzt drei internationale Konzerne auf dem deutschen Fernsehmarkt aktiv. Ein Gewinn für die Zuschauer ist das aber nicht, denn Murdoch ist in seiner Geschäftspolitik noch skrupelloser als Bertelsmann und Kirch.36

In keinem anderen Mediensektor ist die Marktbeherrschung durch wenige Konzerne so weit gediehen wie beim Fernsehen. Das gilt auch auf europäischer Ebene: Hier wirken die schon genannten fünf „Global Players“ Bertelsmann, News Corp. (Murdoch), Kirch-Gruppe, Canal plus (Vivendi) und Mediaset (Berlusconi). Sie sind untereinander durch Kapitalverflechtung und Kooperationen verbunden37:

  • Kirch betreibt mit Berlusconi das ETN und ist an seiner Mediaset-Holding mit 1,3 Prozent beteiligt.
  • Bertelsmann hat mehrere Gemeinschaftsunternehmen mit Canal plus/Vivendi (Bertelsmann-Vorstandsvorsitzender Middelhoff sitzt im Vivendi-Verwaltungsrat).
  • Vivendi besitzt 24,5 Prozent an dem von Murdoch beherrschten Sender BSkyB.
  • Die Vivendi-Tochter Canal plus hält 3,6 Prozent an Mediaset.
  • Der Saudi-Prinz Al-Waleed besitzt Anteile an Kirch Media (3,1 %), Berlusconis Mediaset (2,3 %)38 und Murdochs News Corp (5 %).

Film und Video in Hollywoods Schatten

Die Fernsehsender sind ein wichtiger Auftraggeber für die Filmbranche. Spielfilme, Serien und Spots müssen produziert werden, sofern die Sender sie nicht importieren. In diesem Geschäft sind die Großen der Medienbranche – allen voran Kirch und Bertelsmann – stark vertreten. Sie arbeiten z.T. mit ausländischen, insbesondere US-amerikanischen Filmstudios zusammen. Der Springer-Konzern unternimmt erhebliche Anstrengungen, um als Programm- und Filmproduzent fürs Fernsehen erfolgreich zu sein. Auch die WAZ-Gruppe, Holtzbrinck, Bauer und Burda sind auf diesem Markt vertreten. Nicht zuletzt dienen ihre Beteiligungen an Fernsehsendern dazu, das Geschäft abzusichern.

Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) gab es in Deutschland 1997 in der Filmindustrie 4200 Firmen mit 21 600 Angestellten, 2300 Praktikanten und 18 500 „Festen Freien“.39 Fernsehproduktionen machen – nach der Technik – den größten Teil des Umsatzes aus:

Umsatz der deutschen Filmproduktion 1997

Sparte Mrd. DM Prozent
Fernsehfilm 3,17 30
Kinofilm 0,44 4
Werbefilm 0,50 5
Industriefilm 0,32 3
Techn. Dienste u.a. 6,32 58
Zusammen 10,74 100

Quelle: Medien Bulletin 5/99

Der geringe Anteil der Kinofilmproduktion findet seine Entsprechung in einer untergeordneten Rolle deutscher Spielfilme in den Kinos. Zwar war im ersten Halbjahr 1999 deren Anteil an der Besucherzahl nach dem Krisenjahr 1998 (9,5 Prozent) wieder auf 14,7 Prozent gestiegen, aber er hat in der jüngeren Vergangenheit nie die 20-Prozent-Marke erreicht (1997: 17,3; 1996: 16,2 Prozent).40 Charakteristisch ist die Vorherrschaft der US-Filmproduktion. Deren Filme lockten im ersten Halbjahr 1999 76,2 Prozent aller Zuschauer an.

Die Kinobranche befindet sich schon seit Jahren im Umbruch. Die sogenannten Multiplex-Spielstätten mit ihren Zusatz-Freizeitangebo-ten und ihrer „Event-Atmos-

phäre“ verdrängen traditionelle Filmtheater. Die Zahl der Kinounternehmen ist 1998 um 1,8 Prozent auf 1189 gesunken, die der Kinos um 2,2 Prozent auf 1934. Die 77 Multiplex-Kinos besaßen zwar nur 16,4 Prozent der Säle, zogen aber 30,3 Prozent der Zuschauer an.41

Anteil der Multiplex-Kinos in Deutschland (in Prozent)

  1996 1997 1998
… an den Besuchern 14,6 22,5 30,3
… am Umsatz 17,1 25,5 33,6

Quelle:

Horizont Compact 3/99; Horizont, 11.2.99

Ob der Besucherrückgang im 1. Halbjahr 1999 einen Trend widerspiegelt, muß sich noch zeigen: Die Zahl der verkauften Eintrittskarten war um 10,7 Prozent auf 61,8 Mio. Stück gesunken. 1998 war sie noch um 7,7 Prozent gestiegen. Der Gesamtumsatz der Branche lag im letzten Jahr bei 1,6 Mrd. DM.42

Neben den Filmtheatern hat sich der Videoverleih und -verkauf als relevante Sparte etabliert. Weltweit finanziert sie – nach eigenen Angaben – die Hälfte der Umsätze der Filmstudios. In Deutschland wurden 1998 in 5500 Video- und Mediatheken 2,9 Prozent mehr Videokassetten verliehen und 5,2 Prozent mehr verkauft als im Vorjahr.43

Elektronische Medien: Die Zeit der Nischen ist vorbei

Im April 1999 gab es in Deutschland 8,4 Mio. Internet- und Online-Anschlüsse, die Zahl der Internet-Nutzer wird für 1999 auf 9,4 Millionen geschätzt.44 75 Prozent aller deutschen Fernsehhaushalte waren 1998 an Videotext angeschlossen. Eine analytische Erfassung der Branchenstruktur ist bislang kaum möglich, weil das Medium vielfältig und flüchtig ist. Erkennbar sind allerdings Eigentumsstrukturen, und die erlauben Rückschlüsse darauf, wer den Ton angibt und angeben wird.

Die Zeiten, als die deutsche Internet-Branche von kleinen Unternehmen geprägt war, sind vorbei. Inzwischen haben Großkonzerne die strategischen Positionen besetzt, indem sie erfolgreiche neue Unternehmen aufkauften, zum Teil auch eigene Angebote und Produkte entwickelten. Charakteristisch ist zweierlei:

  • Das Bestreben, möglichst alle Stufen der Verwertungskette (vom Datentransport bis zur Navigation) zu beherrschen, ist ausgeprägt.
  • Neben den Medienkonzernen, die aus den Druck- und Funkbereichen her bekannt sind, spielen Telekommunikationskonzerne und branchenfremde Kapitale eine bedeutende Rolle.

Die Deutsche Telekom z.B. nennt das größte Kabelnetz ihr Eigen und betreibt mit T-Online den größten deutschen Onlinedienst. Sie ist in den Internethandel eingestiegen und arbeitet mit dem Softwarehaus Intershop und den Medienkonzernen Holtzbrinck, Springer und Weltbild sowie dem Navigationsanbieter Infoseek zusammen.

Bertelsmann kontrolliert eine Struktur ähnlicher Breite: Die Tochter Mediaways ist einer der führenden Datentransporteure mit eigenen Leitungen, AOL-Bertelsmann ein führender Onlinedienst. Mit Pixelpark sind die Gütersloher bei der Software etabliert, der Internethandel erfolgt über BOL, die Erstellung und Vermittlung von Inhalten besorgen die Tochterfirmen Fireball und Lycos Europe.

Neben der Deutschen Telekom und Bertelsmann betätigt sich ein Verbund der Daimler/Chrysler-Tochter Debis und des Handelskonzerns Metro; sie arbeiten mit dem Computerriesen Microsoft zusammen. Auch der VW-Konzern will in den nächsten beiden Jahren 100 Millionen Mark im Internet investieren.

Das alles bedeutet nicht, daß die anderen großen Medienkonzerne in diesem Geschäftsfeld nicht aktiv wären. Springer, Holtzbrinck, WAZ, Bauer und Burda – ebenso wie andere Verlagsgruppen – unterhalten Tochterfirmen für Multimediaangebote, sind an E-Commerce-Anbietern beteiligt. Vor allem beherrschen sie den Markt für Internetseiten, ein Feld, auf dem im letzten Jahr schon 1,4 Millionen Mark Werbegelder eingenommen wurden.45

Wohin geht die Reise?

Die Druckmedien werden auf absehbare Zeit die wichtigsten Profitquellen im Mediengeschäft bleiben46. Bis das private Fernsehen interessante Profitspannen abwirft, wird noch einige Zeit vergehen, und die Perspektiven der elektronischen Medien sind völlig offen.

Gleichzeitig sind die elektronischen Medien der dynamischste Sektor und der einzige mit echten Wachstumsmöglichkeiten: Hier ist die Bevölkerung bereit, zusätzliches Geld auszugeben, und die Möglichkeiten des neuen Mediums sind noch gar nicht absehbar.

Zunehmen wird die Tendenz zu so genannten Wertschöpfungsketten. Gemeint ist damit z.B.

  • daß ein Medienkonzern nicht nur Fernsehsender beherrscht, sondern auch die Filmproduktion und den Film- und Rechtehandel (beides ist bei Bertelsmann und Kirch der Fall);
  • daß wichtige Sendungen nach vorne verlängert werden – etwa durch das „Buch zum Film“, Videos, Faxabrufmöglichkeiten, Hotline-Angebote und natürlich Internetseiten;
  • daß parallel zu den Fernsehsendungen z.B. Fanklubs unterhalten, Fanartikel verkauft („Merchandising“) oder Sendercafés betrieben werden;
  • daß in den Printmedien, die zum selben Konzern gehören, Sender und Sendungen „redaktionell unterstützt“ werden, daß parallele Kampagnen laufen und anderweitig Synergien genutzt werden (z.B. Anzeigenpools).

Wertschöpfungsketten galten vor wenigen Jahren noch als anrüchig. Zu Recht, denn sie bedeuten, daß Inhalt mit Werbung vermischt und die Qualität durch „Recycling“ gemindert wird. Heute werden Wertschöpfungsketten als zukunftsorientiertes Konzept abgefeiert.47

Am wirkungsvollsten können Wertschöpfungsketten genutzt werden, wenn ein Konzern eine Senderfamilie besitzt (z.B. ARD und Dritte, Pro 7 und Kabel 1, RTL und RTL 2). Dort können Filme und Programme zweit- und drittverwertet werden, bis sie auch der letzte Zuschauer gesehen hat.

Derartige Möglichkeiten stehen nur den Medienriesen offen, die in mehreren Sparten aktiv sind. Die Zusatzprofite, die sie dadurch erzielen, vergrößern den Abstand zu Konkurrenten. Daß darunter die Meinungsvielfalt und die Objektivität der Inhalte leiden, spielt offensichtlich keine große Rolle.

Dieser Trend ist allenthalben zu beobachten:

  • Bei Zeitungen und Zeitschriften wächst der Anteil von kostenlosen, rein werbefinanzierten Blättern. Bei den Verkaufstiteln nimmt der Werbeanteil zu: 1997 waren 30,5 Prozent aller Zeitschriftenseiten mit Anzeigen belegt, 1998 schon 31 Prozent. Der Werbeanteil an den Gesamteinnahmen der Zeitungen nähert sich zwei Dritteln.48 Daß der Einfluß der Werbetreibenden auf die Medieninhalte dadurch steigt, liegt auf der Hand.
  • Im Fernsehen werden die Vorschriften für Werbung gelockert und immer raffiniertere Formen (Laufbandwerbung, virtuelle Werbung) entwickelt.
  • Viele Internetmedien können sich nur über Werbung finanzie-ren.Das alles läuft darauf hinaus, daß die Unterschiede zwischen Journalismus und PR schwinden – eine Entwicklung, die zum Teil schon als positiv dargestellt wird. Das paßt damit zusammen, daß die Medienwirtschaft stärker „durchkapitalisiert“ wird: In wachsendem Maß werden an den Erfolg von Medienunternehmen reine Rentabilitätskriterien angelegt. Diese spielten zwar schon immer eine wesentliche Rolle, aber eine gewisse Identifizierung mit dem Medium war meist vorhanden. Die aktuelle Entwicklung geht in eine andere Richtung:
  • Medienunternehmen gehen an die Börse. Bis Ende 1997 waren zwei Medienkonzerne börsennotiert gewesen: die Pro Sieben Media AG und die Bertelsmann AG wobei in beiden Fällen nur stimmrechtslose Aktien angeboten wurden. Ende Juli 1999 waren 16 weitere Firmen dazu gekommen, und mindestens fünf haben den Börsengang noch für dieses Jahr angekündigt. Auf dem Börsensegment „Neuer Markt“ machten Mitte 1999 die Medienunternehmen 22,2 Prozent des gesamten Börsenwerts aus (neun Telekommunikationsfirmen weitere 18,6 Prozent).49Das Börsenfieber konzentriert sich auf Firmen in den Sparten Filmproduktion, Rechtehandel und elektronische Medien. Aber auch die Medienkonzerne kommen auf den Geschmack: Bertelsmann und Springer wollen Tochterfirmen auf den Markt bringen, Kirch sogar Teile seiner Media KGaA.
  • Es engagieren sich branchenfremde Kapitale mit dem Ziel der Medienproduktion. Symptomatisch ist das schon erwähnte Engagement der Deutschen Bank, die zum Multimediaanbieter werden möchte, aber z.B. auch die Stolberger Zink AG, die Aktivitäten bei Onlinediensten und im Internethandel entwickelt und das gesamte Unternehmen dahingehend umprofilieren will.

Besonders herausragend ist die Deutsche Telekom AG. Sie erzielt zwar die Masse ihres Umsatzes (70 Milliarden DM) mit Telekommunikation, unternimmt aber große Anstrengungen bei Fernsehen und Multimedia. Als Beispiele seien Web TV (Pilotprojekt mit Microsoft), Fashion TV, Landscape TV und Single TV (Abokanäle auf Premiere World) und die E-Commerce-Firma Booxtra genannt. Der Multimediaumsatz der Deutschen Telekom lag 1998 bei 1,3 Milliarden DM.

Vor diesem Hintergrund wird für die Medienbranche der „Shareholder-Value“50 zum Maßstab des Unternehmenserfolgs. Auf den Punkt gebracht bedeutet das, daß die Verwertungsinteressen der Aktionäre zu einem entscheidenden Kriterium für die Geschäftspolitik werden, daß die Börse die Entscheidungen der Medienunternehmen prägt. Vor diesem Hintergrund sind die Aussichten für die Konsumenten der Medien, die Leser, Zuschauer und Nutzer, wenig erfreulich.

Die zehn „meistbesuchten“ Internet-Seiten bei General-Interest-Angeboten (Juli 1999)

  Titel   „Besuche“ (Mio.)
1. Focus Online (Burda)   13,0
2. TV Spielfilm Online (Verlag Milchstraße)   8,7
3. Stern Online (Bertelsmann)   5,4
4. TV Today Network (Bertelsmann)   5,0
5. Praline Interaktiv (Bauer)   4,7
6. Sat.1 Online (Kirch)   3,6
7. RTL Online (Bertelsmann)   3,4
8. Spiegel Online   2,8
9. Bild Online (Springer)   2,6
10. AOL-Homepage (Bertelsmann)   2,5

Quelle: täglich kress, 9.8.99

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

KI-Lösungen: Heise macht es selbst

Das Medienhaus „Heise Medien“ hat kürzlich das auf generative Künstliche Intelligenz (KI) spezialisierte Medienhaus „Deep Content“ (digitale Magazine „Mixed“ und „The Decoder“) aus Leipzig gekauft. Damit will Heise die Zukunft generativer KI mitgestalten. „Deep Content“ entwickelte mit „DC I/O“ ein professionelles KI-gestütztes Workflow-Framework für Content-Teams und Redaktionen. Bereits seit Juni dieses Jahres kooperiert Heise mit „Deep Content“ bei der Produktion des Podcasts „KI-Update“. Hinter der Übernahme steckt die Idee, den neuen Markt weiter zu erschließen und hohe Gewinne einzufahren.
mehr »

Audiodeskription: Die KI liest vor

Die Hälfte der öffentlich-rechtlichen Sender verwendet inzwischen auch synthetische oder mit Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Stimmen, um für Fernsehformate Audiodeskriptionen zu erstellen. Das ergibt sich aus Nachfragen von M bei den neun ARD-Landesrundfunkanstalten und beim ZDF. Neben professionellen Sprecher*innen setzen der MDR, WDR, NDR, Radio Bremen und das ZDF auch auf synthetische oder KI-Stimmen für die akustische Bildbeschreibung.
mehr »

Lokaljournalismus: Die Wüste droht

Noch sei es nicht so weit, aber von einer "Steppe" könne man durchaus schon sprechen, sagt Christian Wellbrock von der Hamburg Media School. Wellbrock ist Leiter von "Wüstenradar", einer Studie, die zum ersten Mal die bundesweite Verbreitung und zahlenmäßige Entwicklung von Lokalzeitungen in den letzten 30 Jahren unter die Lupe genommen hat. Sie erhebt, wie stark der Rückgang lokaler Medien inzwischen tatsächlich ist und warnt: In etlichen Regionen droht tatsächlich die Verbreitung von "Nachrichtenwüsten".
mehr »