Programmqualität

Forum 1 – „Wir amüsieren uns zu Tode“

„Wir werden wie 1968 über die Bänke springen“, so ein lustvoller Zwischenruf gleich zu Beginn aus den hinteren Reihen des Hörsaals der Frankfurter Goethe Universität. Ganz so wild, wie von Franz-Josef Hanke (freier Journalist) freudig erwartet, ging es im Forum 1 dann doch nicht zu.

Doch nicht nur der Titel der Veranstaltung „Wir amüsieren uns zu Tode“ wies auf eine kritische Sicht der Dinge hin. Es folgte tatsächlich eine lebhafte und kontroverse Diskussion, an der sich Publizisten, Gewerkschafterinnen, Politiker und Filmemacherinnen rege beteiligten. Lange angestauter Unmut machte sich im Publikum Luft: Vor allem auf die Unkultur zunehmender Trivialisierung des Fernsehprogramms unter dem Diktat rein betriebswirtschaftlicher Überlegungen.

Auch auf dem Podium streitbare Ansichten: Die medienpolitische Sprecherin der Grünen, Karin Knöbelspies, kritisierte den derzeitigen Zustand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks scharf. Dieser sei nicht nur kommerziellen Zwängen unterworfen, sondern zudem durch politische Besetzung der Aufsichtsgremien gesteuert: Staatssekretäre und Parteistrategen kämen ihrer Aufgabe unabhängiger Kontrolle vielfach nicht nach, sähen sich als verlängerter Arm der Geschäftsleitung, übten verbands- und parteipolitischen Einfluß aus. Werbung gehöre nicht nur beschränkt – wie im Manifest der fünf Gewerkschaften gefordert – sondern gar nicht ins öffentlich-rechtliche Programm.

Der Vorschlag der Bündnisgrünen, einen Independent-Channel für Dokumentar- und Experimentalfilmer zu schaffen, war indes umstritten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der innovative Sendungend stets in die frühen Morgenstunden schiebe, dürfe nicht aus seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung entlassen werden, so Thomas Frickel, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm.

Ganz anderer Ansicht war Hans Janke (Leiter der Redaktion Fernsehspiel im ZDF). Er plädierte fröhlich, der öffentlich-rechtliche Rundfunk vertrage „jede Menge Kommerzialisierung“. Janke zeigte sich sogar fest davon überzeugt, ein „erfolgreiches Programm“ sichere auch sogenannte Minderheiten- und Nischenprogramme mit ab. Geradeso, als handele es sich dabei um einen naturwüchsigen Prozeß. Klaus Berg, Intendant des Hessischen Rundfunks (HR), betonte, er würde gern auch noch nach acht Uhr werben. Etwa, um das teure Sportprogramm im HR zu finanzieren. Werbung sei als Teil der Mischfinanzierung unabdinglich, damit die Wettbewerbsfähigkeit von ARD und ZDF erhalten bleibe. Den Vorschlag, auf Werbung zu verzichten, bezeichnete er für so „irreal, daß er nur in den Räumen einer Hochschule geäußert“ werden könne.

Im Publikum sah man vieles anders: Es wurde auf das Wahlergebnis vom 27. September rekurriert, das als „Nachweis für einen Trend zu mehr sozialer Verantwortung“ zu werten sei. Dem hätten auch die Programm-Macher Rechnung zu tragen, wurde moniert. Zudem wurde der Wunsch nach „mehr Selbstkritik im Bezug auf die Programm-Gestaltung“ geäußert.

Siehe da, Bündnispartner sind keineswegs immer dort, wo man sie erwartet. Dieter Gorny (Viva) gab ein Bekenntnis für den dualen Rundfunk zum Besten und formulierte knapp: Das Streben nach Gewinnmaximierung habe mit Programm-Qualität gar nichts zu tun. Und: „Medienpolitik sollte den Dualismus fair und deutlich beschreiben.“ So steht es auch in dem Manifest der fünf Gewerkschaften. Gorny wurde gebeten, seinen Einfluß auf den „Verband privater Rundfunk und Telekommunikation“ (VPRT) geltend zu machen, der beständig das duale Rundfunksystem in Frage stelle.

Klaus Berg machte deutlich, daß er die Verschiebung der Kultursendungen, um den populären Talk „Christiansen“ sonntag abends Platz zu machen, für einen gravierenden Fehler halte. Auf dem späteren Sendeplatz sei die Einschaltquote um die Hälfte gesunken. Gerade für die werktätige Bevölkerung sei damit die Chance obsolet, sich kulturell weiterzubilden. Berg gegenüber „M“: Er werde nicht aufgeben, sich dafür einzusetzen, daß dieser Fehler korrigiert werde.

 

Kongress „Zukunft des Rundfunks. Soviel Freiheit muss sein!“ 20./21.11.1998 in Frankfurt

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Gemeinsam gegen Hassrede im Netz

Das Bundeskriminalamt (BKA) und die Landesmedienanstalten intensivieren ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen Hassrede und strafbare Inhalte im Netz. Ab sofort können alle Medienanstalten in Deutschland Verdachtsfälle von strafrechtlich relevanter Hassrede an die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet beim Bundeskriminalamt (ZMI BKA) melden. Bereits seit Mai 2022 arbeitet die Landesanstalt für Medien NRW eng mit dem BKA zusammen. Bis heute hat die Medienanstalt NRW knapp 700 Meldungen zugeliefert.
mehr »

Presserat berät über Döpfner-Leaks

Die Springer-Berichterstattung der vergangenen Wochen beschäftigt den Deutschen Presserat. Gleich zwei Fälle, die im Zusammenhang mit dem Springer-Verlag und der Bild-Zeitung stehen, muss der Presserat auf seiner nächsten Sitzung am 15. Juni 2023 behandeln. Grundlage für die Verfahren sind Beschwerden über die "Berliner Zeitung" und die "Zeit", die beim Presserat eingegangen sind. Beide Publikationen sollen den Pressekodex verletzt haben: Die "Zeit" den Persönlichkeitsschutz und die "Berliner Zeitung" den Informantenschutz.
mehr »

IFJ: Solidarität statt unnötiger Querelen

Die Internationale Journalistenföderation (IFJ) engagiert sich für hunderttausende Journalist*innen weltweit. Dafür bedarf es auch innerhalb des Organisation großer Solidarität. Nun hat der Deutsche Journalistenverband (DJV) seinen Austritt für November erklärt. Als Gründe werden „Intransparenz, einsame Entscheidungen der IFJ-Spitze und undemokratisches Verhalten“ genannt. M sprach mit Joachim Kreibich, Mitglied im Executive Committee der IFJ, über Hintergründe der Auseinandersetzung und die Arbeit des Weltverbandes, in der auch die dju in ver.di seit vielen Jahren Mitglied ist.
mehr »

Gesetz zum Schutz von Whistleblowern verabschiedet

Nach dem Bundesstag hat heute auch der Bundesrat das neue Regelwerk zum Whistleblower-Schutz verabschiedet. Damit wurde endlich – nach anderthalbjähriger Verspätung – die Whistleblowing-Richtlinie der EU umgesetzt. Da dieser Schritt überfällig war, wird das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz zwar begrüßt, steht jedoch nach wie vor in der Kritik, da es keinen umfassenden Schutz für Whistleblower beinhaltet. Das Gesetz soll noch im Juni in Kraft treten.
mehr »