Im Fokus: Justiz und Rechtspopulisten

Urteile gegen rechtspopulistische Akteure haben inzwischen mehrdimensionale Bedeutung. Bild: 123rf

Meinung

Ein mildes Urteil ist es tatsächlich geworden: David Bendels, Chefredakteur des AfD-nahen „Deutschland-Kuriers“, ist am Montag vom Amtsgericht Bamberg zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Er soll die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit einem Post auf dem Kanal des „Deutschland-Kuriers“ der Plattform X verunglimpft haben. Faeser war mit einem Schild vor dem Körper zu sehen, auf dem steht: „Ich hasse die Meinungsfreiheit.“

Das Originalbild stammte demnach aus einem Post des Bundesinnenministeriums zum 27. Januar. Darin hatte Faeser anlässlich des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ein Schild mit den Worten „We Remember“ in der Hand gehalten. Zu der Montage postete Bendels den Satz „Faeser hasst Meinungsfreiheit!“.

Nancy Faeser war dem Gericht zufolge von der Polizei auf den Post aufmerksam gemacht worden und hatte daraufhin Strafantrag gestellt. Bendels hatte den Angaben nach zunächst einen Strafbefehl erhalten. Da er dagegen Einspruch einlegte, kam es zum Prozess. Auf seinem Portal bezeichnete Bendels den Beitrag als satirisches Meme und kündigte mit Blick auf das Urteil an, sich mit „allen juristischen Mitteln dagegen zur Wehr setzen“ zu wollen.

Gegenstand Fotomontage

Das Gericht gelangte zu der Überzeugung, dass Bendels den Schriftzug abgeändert und mit dem Post bewusst den Eindruck erweckt habe, die Innenministerin habe sich entsprechend zur Meinungsfreiheit geäußert. „Die Fotomontage war nach Auffassung des Gerichts für den unbefangenen Leser als solche nicht erkennbar“, teilte das Gericht mit. Laut Gericht sei der Post vielfach geteilt und angesehen worden. Der Straftatbestand Verleumdung einer Person des politischen Lebens nach Paragraf 188, Absatz zwei des Strafgesetzbuches sieht bei Verurteilung eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis fünf Jahren vor. Teil der Bewährungsauflagen ist es, dass Bendels sich schriftlich bei Nancy Faeser entschuldigen muss. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Abgesehen von der Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit des Paragrafen 188 und der Frage nach der Sinnhaftigkeit pädagogischer Maßnahmen wie einer Entschuldigungsforderung fällt das Urteil im Kontext von mindestens zwei bedenkenswerten Aspekten.

Rechte wollen Justiz kontrollieren

Zum einen, und das zeigt auch die erwartungsgemäß zahlreiche Unterstützung für Bendels von Rechtsaußen, werden Prozesse oder Anklagen gegen rechtspopulistische und faschistische Akteure derzeit zum medialen Futter für dieselben. Die Vorwürfe einer politisch motivierten Justiz, die den Rechtsstaat hasserfüllt auf voller Breitseite treffen, verschaffen dem rechten Projekt massiven Aufwind, wie auch die Verurteilung von Marine Le Pen zeigt.

Wie sehr die Wehrhaftigkeit der Justiz bereits in Frage steht, sieht man global betrachtet auch anhand von Anklagen gegen Donald Trump in den USA, Jair Bolsonaro in Brasilien oder Benjamin Netanjahu in Israel, deren Verurteilungen oder drohende Prozesse nicht daran rühren, dass sie politisch fest im Sattel sitzen. Vielmehr nutzen rechte Akteure jede Chance, um jede Verurteilung ihres Machtmissbrauchs zu diskreditieren. Das trifft die Justiz wie Medien oder Einrichtungen, die staatliche Förderung erhalten, gleichermaßen. „Ziel dahinter ist nicht, parteiische Richter:innen zu entlarven oder Lösungen für eine effizientere und gerechtere Justiz zu diskutieren, sondern das genaue Gegenteil: Trump und Co. wollen die Justiz im Sinne der eigenen Interessen kontrollieren, um uneingeschränkt ihre Macht auszuüben“, schreiben dazu zum Beispiel Gustavo Gil Gasiola und Sebastian Glassner in einem Kommentar.

Aufmerksame Berichterstattung

Den geplanten Abbau von Rechtsstaatlichkeit und demokratischen Institutionen muss also die Berichterstattung über Prozesse oder Anklagen gegen rechte Akteure wie auch den gegen David Bendels, mitdenken und berücksichtigen.

Journalistin Claudia Krieg

Auf der anderen Seite ist davon auszugehen, dass Medienschaffende, die sich hierzu kritisch äußern, ebenfalls massiv von rechts unter Druck geraten, indem die Justiz wegen angeblicher Verleumdung angerufen werden kann. Urteile gegen rechtspopulistische Medien sind daher immer auch mit Vorsicht zu genießen, da sie sich im Zweifelsfall auch gegen diejenigen richten, die mit ihrer Berichterstattung dazu beitragen wollen und sollen, rechtsstaatliche und demokratische Verfahren zwar zu hinterfragen, aber zugleich auch abzusichern.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Reich durch Medien wird nicht nur Musk

Jeden Tag drei neue Trump-Videos, zwei neue Musk-Gesten, ein neues Zuckerberg-T-Shirt: Die newsgetriebene Medienwelt wartet auf jedes Zucken im neuen autoritären Zirkus jenseits des Atlantiks. Ohne diesen zu relativieren zu wollen: Wer nimmt die Medienmilliardäre oder von Superreichen gepäppelten Portale diesseits des großen Wassers unter die Lupe?
mehr »

Medien im Wahlkampf: AfD gepusht

Wie sollen die Medien mit der AfD umgehen? Keine ganz neue Frage – sie ist so alt wie die AfD selbst - aber eine, die sich vor der Bundestagswahl mit zugespitzter Dringlichkeit stellte. Vor allem die öffentlich-rechtlichen Anstalten hatten sich viel vorgenommen. Schließlich liegen die Fakten seit Jahren auf dem Tisch: Die AfD ist eine im Kern rechtsextreme Partei mit national-völkischer Programmatik. Punkt. Demgegenüber sind ARD und ZDF laut Medienstaatsvertrag bei der Erfüllung ihres Auftrags der verfassungsmäßigen Ordnung verpflichtet, inklusive der Einhaltung elementarer journalistischer Standards.
mehr »

Mit mehr Sorgfalt über Gewalttaten berichten

Hanau, Halle, Solingen, Mannheim, Magdeburg, Aschaffenburg, München – die Angst vieler Menschen in Deutschland vor Anschlägen wächst, angefeuert durch Hetze in „social media“, aber auch durch Politiker*innen, die diese Gewalttaten – gerade im aktuellen Wahlkampf – instrumentalisieren. Dem sollten demokratische und verantwortungsbewusste Journalist*innen mit Haltung entgegentreten.
mehr »

Rechtsruck als Geschäftsmodell? 

Der erste medienpolitische Aufreger zur Jahreswende war Elon Musks „Gastkommentar“, samt AfD-Wahlempfehlung in der Welt am Sonntag. Geschickt eingefädelt: Eine Zeitung, die alle sieben Tage gerade noch mal 0,5 Prozent der Bevölkerung erreicht, war mal wieder in aller Munde. Gefreut haben dürfte das nicht nur den Verlag, sondern auch die AfD, hat dieser der extrem rechten Partei doch eine weitere Brücke ins bürgerlich-konservative Lager gebaut.
mehr »