Geheimnisse

Gut, dass es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt. Schlecht, dass die gebührenfinanzierten Sendeanstalten aus ihrem Geschäftsgebaren so ein Geheimnis machen. Steht doch ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel, wenn wie im Fall des Westdeutschen Rundfunks ein externer Journalist danach fragt, an welche Firmen und in welchem Umfang der Sender Aufträge vergibt und dieser seit nunmehr drei Jahren die Antwort verweigert.


Letztlich geht es um die Frage, wofür der WDR das Geld aus den Rundfunkgebühren verwendet. Das klingt nach dem guten Recht eines jeden, der regelmäßig zur Kasse gebeten wird. Nach Ansicht der Senderleitung handelt es sich dabei aber eher um einen Angriff auf Geschäfts- und Redaktionsgeheimnisse. Der besagte Journalist reichte dennoch am Verwaltungsgericht Köln Klage ein.
Statt Transparenz zu schaffen, bauten die Justiziare des Senders dort einen Verteidigungswall auf. Der WDR sei keine Behörde und somit weder nach dem Landespressegesetz noch nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zur Auskunft verpflichtet. Das IFG ist 2002 in Nordrhein-Westfalen in Kraft getreten. Treffe dieses Gesetz auf den WDR zu, drohe ein Wettbewerbsnachteil gegenüber privaten Medienunternehmen, argumentierte die größte öffentlich-rechtliche Sendeanstalt. Die Gegenseite sah es naturgemäß anders: Nicht nur die Gebührenerhebung sondern auch das Geldausgeben sei ein verwaltungstechnischer Akt und damit falle der WDR sehr wohl unter das IFG. Warum Kosten etwa für Reisen, Hotelzimmer oder für technische Ausstattung geheim bleiben sollten, ist in der Tat unverständlich. Anstatt das Recht der Bürger auf Informationen zu stärken und dem Bedürfnis danach gerecht zu werden, sieht der Sender durch die Anwendung des IFG sogar die Rundfunkfreiheit gefährdet. Dieses Schreckgespenst hinterließ auch beim Gericht Eindruck. Da half der Hinweis des klagenden Journalisten wenig, dass seine Anfragen sich nur auf nicht-redaktionelle Bereiche beziehen würden. Nicht-redaktionell und redaktionell – das sei schwer zu trennen, folgte die Kammer der Verteidigungslinie.Der Richter wollte oder konnte eine Trennung zwischen rein redaktionellen und rein gewerblichen Aufträgen nicht vollziehen und wies die Klage ab.
Keine Frage: Redaktionsgeheimnisse und Quellenschutz müssen gewahrt werden. Doch, dass der WDR ein Problem mit der Informationsfreiheit der Bürger hat, ist sehr bedenklich. Seine Position dazu sollte der Sender dringend überdenken. Dem Kläger bleibt nun die Revision am Oberverwaltungsgericht.

Weitere aktuelle Beiträge

Für ein digitales Ökosystem

Markus Beckedahl, Journalist und Gründer des Online-Portals www.netzpolitik.org, erkennt  im System des öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Ort, wo alternative digitale Infrastrukturen gut entwickelt werden können.
mehr »

Rechte Influencerinnen im Netz

Rechtextremismus und rechte Parolen verbinden viele Menschen automatisch mit testosterongesteuerten weißen Männern. Diese Zielgruppe füttert AfD-Politiker Maximilian Krah mit simplen Parolen wie: „Echte Männer sind rechts.“ Das kommt an bei Menschen, die im Laufe der Zeit irgendwann beim „Gestern“ stecken geblieben sind. Inzwischen verfangen solche rechten Klischees auch bei Frauen. Vor allem im Internet.
mehr »

KI macht Druck auf Suchmaschinen

Die Künstliche Intelligenz frisst den Traffic: Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) meldet massive Einbrüche bei der Suchmaschinen-Nutzung aufgrund von Chatbots bei Google oder ChatGBT. Weil viele Nutzer*innen sich mit den Zusammenfassungen von KI zufrieden geben, klicken sie nicht mehr weiter zu den Websites, von denen die Informationen bezogen werden.
mehr »

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »