„Wirtschaft auf neue Art erzählen“ dafür wirbt die neue Capital. Es gelte, speziell Menschen anzusprechen, „die sich derzeit von den Wirtschaftsmedien in Deutschland nicht angesprochen fühlen“. M hat ein Fragezeichen hinter diesen Anspruch gestellt. Obwohl Capital keinen Richtungszweifel zulässt „Neue Leser, neue Entscheider, die neue Leistungselite“ sind natürlich gemeint.
Ob dabei die in M vorgebrachte Kritik des Gewerkschafters Uwe Polkaehn an den deutschen Wirtschaftsmedien Beachtung findet? Die Wirtschaftsmedien definieren sich eher als „Dienstleister der Entscheider“, anstatt öfter auch Arbeitnehmerthemen aufzugreifen, sagt er. Manchmal sei es hilfreich, bei seinen Recherchen einfach mal die Gegenseite zu hören, etwa die Gewerkschaften oder alternative Wirtschaftsforscher. „Die Berichterstattung sollte endlich vom Kopf auf die Füße gestellt werden.“ Der Begriff „Wirtschaft“ umfasse Arbeitgeber und Arbeitnehmer. „Wer über Leistungsträger berichten will, sollte sich deshalb auch gute Kontakte zu den Beschäftigten und ihren Vertretungen aufbauen. Sie sind der Motor guten Wirtschaftens und benötigen gerade in der Krise mehr Beachtung“.
Im toten Winkel journalistischer (oft wohl auch gesellschaftlicher) Aufmerksamkeit verortet M den Rechtsextremismus. Kolumnist Günter Herkel spricht vom kollektiven Versagen der Medienbranche bei der Berichterstattung über die NSU-Morde. Die vorurteilslose Prüfung der Fakten und das Bedienen gängiger Vorteile sei offenbar einfacher als gründliche Recherche, vor allem da, wo es um gesellschaftliche Strukturen gehe, die diese schweren Verbrechen erst möglich gemacht hätten.
Die dju in ver.di steht vor einer harten Tarifrunde für Zeitungsjournalisten – ein Punkt, in dem sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig sind. Dringend geboten ist hier ebenfalls, die Wirtschaftszahlen und die damit bestückten Argumentationen der Zeitungsverlage zu hinterfragen. Was ist Journalismus den Verlegern wert? Führen planloses Kürzen und wenig strategische Umstrukturierungen zu mehr Qualität und befördern damit die Leserblattbindung oder führen sie zur Beerdigung journalistischer Ansprüche und in deren Folge zu Leserunlust.