Hochgekochter Alarmismus

Kommentar

„Wieviel an Freiheit darf geopfert werden, um die Freiheit zu verteidigen?“, fragte der Wiener Philosophieprofessor Konrad Paul Liessmann, einer der wenigen Kritiker bei den Mainzer Tagen der Fernsehkritik, die sich Biss bewahrt haben. Liessmann schlug den Fernsehmachern vor, in den Spiegel zu schauen. „Das Böse“ sei nämlich keinesfalls nur im islamischen Kulturkreis zu vermuten, wie im Fernsehen seit dem 11. September vielfach kolportiert. „Das Böse ist immer und überall“, mahnte Liessmann fröhlich respektlos. Dass die Fernsehmacher sich allerdings bloß einmal in ihrer näheren Umgebung umschauen müssten, um zu sehen, welche Folgen permanent unkritisch übernommene Bush-Zitate von der zivilisierten und der unzivilisierten Welt (Christentum und Islam) bereits zeitigen, davon redete niemand. Was von erschreckendem Realitätsverlust der Fernsehjournalisten zeugt. Denn das Resultat des hochgekochten Alarmismus – laut dem Soziologen Otto Hondrich gar kein Problem, weil die Medienberichterstattung als Prozess von „trial and error“ verlaufe – ist bereits im politischen Klima sichtbar und spürbar. Nachbarn denunzieren arabisch aussehende Menschen als Schläfer. Polizisten machten kürzlich in der Frankfurter Innenstadt derart unverfroren Jagd auf junge Männer mit schwarz-gekräuselten Haaren, dass Bürger gegen diesen rassistischen Umgang protestierten. Resultat: Die Ordnungshüter holten Verstärkung. Alles kein Problem? Nun, Otto Schily – der sein Sicherheitspaket freudestrahlend in Mainz präsentieren dürfte – hat dieses Vorgehen jetzt gesetzlich legitimiert. Und viele Kritiker gucken offenbar selbst nur noch Fernsehen, und da kommt dies alles ja bekanntlich nicht vor.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Medienhäuser müssen Journalisten schützen

„Die Pressefreiheit ist auch in Deutschland zunehmend bedroht”, kritisiert die Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di, Tina Groll, zum Internationalen Tag der Pressefreiheit. Die dju in ver.di verzeichne mit großer Sorge eine wachsende Anzahl der Angriffe, die die Gewerkschaft für Medienschaffende in einem internen Monitoring festhält.
mehr »

Beitragsanpassung unter der Inflationsrate

Seit die aktuelle Empfehlung der KEF zur Beitragsanpassung vorliegt, gibt es mehrere Ministerpräsidenten, die eine Zustimmung zu einer Erhöhung kategorisch ausschließen. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht vor drei Jahren bereits geurteilt, dass sich ein Bundesland dem Vorschlag der KEF im bislang gültigen Verfahren nicht einfach so widersetzen darf. M sprach mit dem KEF-Vorsitzenden Prof. Dr. Martin Detzel über die aktuelle Debatte um die Rundfunkfinanzierung.
mehr »

Spanien: Als Terrorist beschuldigt

Der katalanische Investigativjournalist Jesús Rodríguez hat Spanien verlassen, um ins Exil in die Schweiz zu gehen. Ihm wird von Ermittlungsrichter Manuel García-Castellón die Unterstützung terroristischer Akte vorgeworfen. Die Schweiz sieht im Vorgehen der spanischen Justiz gegen den Katalanen einen „politischen Charakter“.
mehr »

Von Erbsensuppe und neuen Geschichten

„Vielfalt schützen, Freiheit sichern – 40 Jahre duale Medienordnung im föderalen Deutschland“. Dies war das Thema des Symposiums, das am 23.  April in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften stattfand. Ausrichter war die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM).  Teilnehmer waren Verantwortliche aus Medienpolitik und -wissenschaft, Rundfunkregulierung und Medienunternehmen.
mehr »