„Die Alpha-Journalisten“: Deutschlands Wortführer im Porträt

Unlängst wartete das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ mit einer Titelgeschichte über die „Alpha-Mädchen“ auf (was immer das sein mag). Da verwundert es nicht, dass auch ein Medienliteraturverlag mit einem ebenso reißerischen wie blödsinnigen Titel wie „Die Alpha-Journalisten“ versucht, eine „aktuelle biografische Skizze der deutschen Elitepublizistik“ vorzulegen. „Alpha-Tiere“, so erläutert das Herausgebertandem Weichert/Zabel, sind in der Fauna in der Regel „die Kräftigsten und Erfahrensten eines Rudels (…), dem die anderen Mitglieder folgen“.

Wodurch definiert sich diese rare Spezies? Bei den Wölfen etwa „am aufrechten Gang, dem aufgestellten Schwanz und den aufgerichteten Ohren“. Übersetzt in den Journalismus lauten die Kriterien: hohes Monatseinkommen (mindestens fünfstellig), das Privileg relativ freier Zeiteinteilung für das eigene publizistische Schaffen und die Zugehörigkeit zu einem Leitmedium.

Wer sind diese Superstars, die die öffentliche Debatte der Mediengesellschaft entscheidend prägen und steuern? Die Herausgeber haben 30 Biografien von tatsächlichen oder vermeintlichen Meinungsführern der bundesdeutschen Medienszene versammelt. Porträtiert werden die Chefredakteure, Verleger, Publizisten und Leitartikler durchweg von Medienjournalisten, darunter einige, die selbst an der Schwelle zum Status des journalistischen Alphatiers lauern. In einem einleitenden Essay entwickeln Weichert/Zabel eine Typologie der Porträtierten. Vertreter des publizistischen „Establishments der späten Bonner Republik (Bissinger, Markwort, Joffe) treten an gegen „charismatische Jungkarrieristen (Strunz, Köppel, Keese); „Neoliberale“ (Steingart, Strunz Reitz, Weimer) gegen „Überzeugungstäter“ und „Querdenker“ (Jürgs, Leif, Gaus, Broder, Mikich); „Prominenz mit sichtbaren Starallüren“ (Schirrmacher, Jörges, Wagner) gegen Bescheidene mit Breitenwirkung (Prantl, Seidl, Gottlieb). Unter den 30 Porträtierten finden sich mit Bettina Gaus, Maybrit Illner, Sonia Mikich und Patricia Riekel nur vier Frauen. Kurioserweise fehlt ausgerechnet Sabine Christiansen, deren Sendung andererseits einleitend als „wöchentliches Krawall-Ritual“ herabgewürdigt wird. Durchaus nicht die einzige Lücke: Wo ein Newcomer wie Frank Plasberg Platz findet, müsste eigentlich ein linkes Urgestein wie Hermann L. Gremliza allemal präsent sein. Je nach Temperament der Autoren fallen die Darstellungen mal sympathisierend, mal nüchtern distanziert, mal kritisch-ironisch aus. Besonders amüsant liest sich das Porträt von Bild-Chef Kai Diekmann aus der Feder von Roger Boyes. Textprobe: „Diekmann sagt, er sei ein Handwerker, und er hat den Stolz, ja sogar die Arroganz eines Klempners, der entweder das defekte WC zu einem Wucherpreis reparieren oder einfach fortgehen und einen in Scheiße ertrinken lassen kann.“ Die Porträts von Günther Jauch und „Bunte“-Chefin Patricia Riekel mussten „kalt“ geschrieben werden: Beide verweigerten persönliche Interviews, was eigenartig anmutet, leben beide doch beruflich nicht unwesentlich vom Ausbeuten der Privatsphäre anderer Menschen.

Stephan A. Weichert / Christian Zabel (Hrsg.): Die Alpha-Journalisten.
Deutschlands Wortführer im Porträt.
Herbert von Halem Verlag
Köln 2007
416 Seiten
23 Euro

Weitere aktuelle Beiträge

AfD-Einstufung zwingt Rundfunkgremien zum Handeln

Das zunächst unter Verschluss gehaltene Gutachten des Verfassungsschutzes, welches zur Einstufung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistische Partei“ führte, wurde nunmehr durch Medien veröffentlicht. Innenminister Dobrindt ließ zunächst offen, inwiefern juristische Schritte gegen die Veröffentlichung geplant seien. Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im Bundesvorstand von ver.di, begrüßt, dass nun öffentlich über das Zustandekommen der Einstufung diskutiert werden kann.
mehr »

Journalismus unter populistischem Druck

Journalismus steht unter Druck. Das machte auch die Würdigung von Maria Kalesnikawa mit dem „Günter-Wallraff-Preis für Pressefreiheit und Menschenrechte“ deutlich. Dieser wurde im Rahmen des „Kölner Forum für Journalismuskritik“ an sie verliehen. Klar wird auch hier: die Branche hadert generell mit ihrer Identität.
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »