Kündigung unwirksam

Tagesspiegel muss Redakteur weiter beschäftigen

Der Tagesspiegel muss seinen Politikredakteur Jost Müller-Neuhof weiter beschäf­tigen. Das Berliner Landesarbeitsgericht erklärte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses für unwirksam.

Ausgangspunkt des Arbeitskonflikts war eine Exklusivmeldung des Berliner Tagesspiegel über die Nominierung der zeit­weilig im Irak entführten Archäologin Susanne Osthoff für den Grimme-Preis. Im Januar dieses Jahres hatte Müller-Neuhof die Medienredaktion seines Blattes über diese Nominierung informiert. In der Mail an die Kollegen fehlte jedoch ein entscheidender Hinweis: Urheber des vermeintlichen scoops war kein geringerer als Müller-Neuhof selbst. Zwar fand der damalige Medienressortleiter Joachim Huber bei der Gegenrecherche heraus, wer hinter der Sache steckte. Gleichwohl berichtete er „exklusiv“ über den Vorschlag, allerdings ohne den Urheber zu nennen.
Die Konsequenzen: Medienressortchef Huber musste die Ressortleitung abgeben, wurde zur Strafe aus dem Impressum gestrichen, durfte aber weiter arbeiten. Müller-Neuhof dagegen wurde ent­lassen. Der Redakteur habe seine Urheberschaft „bewusst verschwiegen“, in der Hoffnung, seine „medienpolitische Offensive“ zum Erfolg zu führen, argumentierte der Tagesspiegel. Gerade diese „versuchte Manipulation“ habe kritische Reaktionen anderer Medien ausgelöst und das Ansehen des Blattes geschädigt.
Das Berliner Arbeitsgericht hatte das Vorgehen des Redakteurs zunächst als „erhebliche Pflichtverletzung“ bewertet und die Kündigung für wirksam erklärt. Der Journalist habe trotz seiner Vertrauensstellung als Mitglied der Politik-Redaktion die Chefredaktion des Tagesspiegel über seine Urheberschaft im Unklaren gelassen.
Die Berufungsinstanz kam jetzt zu einem milderen Urteil (Az.: 13 Sa 1492 / 06). Der Redakteur habe zwar seine „arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt“. Dies rechtfertige jedoch allenfalls eine Abmahnung. Schließlich habe auch der zuständige Ressortleiter bereits vor Veröffentlichung des Artikels Kenntnis von der Urheberschaft des Nominierungsvorschlags gehabt. Das Verhalten des Klägers „rechtfertige ins­gesamt nicht den Schluss, dass das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werden könne“.

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