Auch über die schleichenden Gefahren für unabhängige Medien nachdenken

3. Mai – Internationaler Tag der Pressefreiheit

Manche Begegnung geht unter die Haut. Die mit Maia K. aus Kirgistan war eine solche. Mit ruhiger Stimme sagte sie: „Ich weiß, dass ich wegen eines Artikels auf der Todesliste islamischer Fundamentalisten stehe“. Auf die Frage aus dem Kreis von Kolleginnen und Kollegen, was sie nun tun werde, zuckte sie nur die Schultern: „Ich arbeite normal weiter – was soll ich auch sonst machen?“

Einmal im Jahr gibt der Internationale Tag der Pressefreiheit am 3. Mai Gelegenheit, jener Kolleginnen und Kollegen zu gedenken, die in Ausübung ihres Berufes Unterdrückung, Einschüchterung, Verfolgung, Bedrohung, Verhaftung und sogar Todesgefahr ausgesetzt sind. 365 Tage im Jahr ist für Tausende von Journalistinnen und Journalisten Unterdrückung, Einschüchterung, Verfolgung, Bedrohung, Verhaftung und sogar Todesgefahr jedoch der Alltag. Manche Angriffe gegen Journalisten und unabhängige Medien sind spektakulär und wecken die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, von der Mehrzahl der Fälle nimmt freilich niemand Notiz.

Die Bedrohung der Pressefreiheit hat viele Gesichter. Journalistinnen und Journalisten in Deutschland sind in einer privilegierten Situation, denn sie leben in einem demokratischen Rechtsstaat und nicht – wie viele Kolleginnen und Kollegen auf der Welt – in einer Diktatur, von der Verfolgung, Verhaftung, Bedrohung und sogar Todesgefahren ausgehen. Der Internationale Tag der Pressefreiheit am 3. Mai gibt jedoch Anlass, über die schleichenden Gefahren für unabhängige Medien im Alltag der Journalistinnen und Journalisten auch in Deutschland nachzudenken. Gefahren liegen hier in der knappen Besetzung vieler Redaktionen, die den Aufgaben der Medien zuwider laufen, und in mangelnden Mechanismen innerer Pressefreiheit.

Die zunehmende Informationsflut in den Redaktionen nehmen viele Journalistinnen und Journalisten als Bedrohung wahr. Immer mehr Agenturmeldungen und Termine, unverändert hohe Stöße von Post und Fax-Sendungen sowie zunehmende E-Mails schütten die Redaktions-Schreibtische in Zeitungen, Zeitschriften und Sendern zu und erzeugen einen Arbeitsdruck wie nie zuvor. Freie Journalistinnen und Journalisten sehen sich der Erpressung ausgesetzt, ihre Urheberrechte für online Verwertungen abzutreten; knappe Budgetlinien der Ressorts beschränken ihre Honorareinnahmen. Die IG Medien in ver.di fordert deshalb

  • mehr Planstellen in den Redaktionen,
  • endlich allgemeine Vergütungsregelungen von online Verwertungen für fest angestellte wie freie Journalistinnen und Journalisten sowie
  • eine Anpassung von Budgetlinien für Freien-Honorare.

Denn unabhängiger Journalismus heißt nicht nur, frei zu sein von drohender Verfolgung oder Verhaftung – unabhängiger Journalismus setzt auch genügend Zeit für sorgfältige journalistische Arbeit sowie existenzielle Sicherheit voraus.

Allzu häufig werden auch in Deutschland unbequeme Themen und Ergebnisse von Recherchen in den Redaktionen den kommerziellen Interessen der Verlage und Sender geopfert. Die Formen interner Einschüchterung sind dabei verschieden. Die IG Medien in ver.di ruft deshalb am Internationalen Tag der Pressefreiheit außerdem dazu auf, dagegen Modelle von Redaktionsstatuten wieder aus den Schubladen zu holen und von den Verlegern und Intendanten einzufordern.

Weitere aktuelle Beiträge

Kriminalität nicht mit Migration verknüpfen

Kriminelle Migranten bedrohen die Sicherheit in Deutschland“ – dieses alte rechte Narrativ wird von der AfD neu belebt und verfestigt sich in der Mitte von Gesellschaft und Politik. Medien, die diese realitätsverzerrende Erzählung bedienen, weil sie meinen, die laute Minderheit repräsentiere ein öffentliches Interesse, spielen mit dem Feuer.
mehr »

Mit BigTech gegen Pressefreiheit

Der Vogel ist frei“ twitterte der US-Milliardär und Big Tech-Unternehmer Elon Musk am 28. Oktober 2022, dem Tag seiner Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter, der damals noch den blauen Vogel als Logo hatte. Der reichste Mann der Welt wollte nach eigener Aussage den Dienst zu einer Plattform der absoluten Redefreiheit machen: „Freie Meinungsäußerung ist die Grundlage einer funktionierenden Demokratie, und Twitter ist der digitale Marktplatz, auf dem die für die Zukunft der Menschheit wichtigen Themen diskutiert werden“, hatte er zuvor erklärt.
mehr »

Neue Nachrichten für Russland

Reporter ohne Grenzen (RSF) hat in Paris gemeinsam mit der Witwe von Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, den neuen Fernsehsender Russia’s Future  vorgestellt. Der Sender soll das Vermächtnis des in russischer Haft ermordeten Oppositionsführers bewahren und die Pressefreiheit in Russland stärken. Ausgestrahlt wird er über das von RSF initiierte Svoboda Satellite Package, das unabhängigen, russischsprachigen Journalismus sendet.
mehr »

Gleichstellungsbeauftragte im ÖRR stärken

Das Bekenntnis zur Gleichstellung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt sich unter anderem im Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten. Grundlage ist die jeweils entsprechende gesetzliche Regelung der Bundesländer, in denen die Sender angesiedelt sind. Gleichstellungsbeauftragte sollen nach dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), die Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes zu schützen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen.
mehr »