Spät kommt sie, aber das lange Warten hat sich gelohnt. Die zweite, völlig neu bearbeitete Auflage des WDR-Dschungelbuchs erscheint zu einem Zeitpunkt, da das Klima auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sich rapide verschlechtert hat. Wachsende Arbeitsverdichtung, Sparpolitik, Format- und Quotendenken bestimmen den Arbeitsalltag. Viele leiden darunter, vor allem die Freien.
„Das WDR-Dschungelbuch ist bewusst und absichtlich aus der Position eines Freien für freie Mitarbeiter geschrieben worden“, sagt Ulli Schauen, selbst langjähriger freier Mitarbeiter des WDR und anderer ARD-Anstalten sowie einige Jahre Vorsitzender der ver.di-Bundeskommission Selbstständige. Natürlich findet sich in nahezu enzyklopädischer Vollständigkeit alles Wissenswerte über Tarifverträge, Honorare, Sozialleistungen, über Arbeitsabläufe, Infoquellen, Archive und die Konsequenzen der Digitalisierung auch auf die Produktion der Freien. Aber der Autor begnügt sich nicht mit dem Durchforsten des verwirrenden Organisationswildwuchses in Deutschlands größter und mächtigster Rundfunkanstalt. Anhand praktischer Beispiele illustriert er die vielfachen Widersprüche zwischen Theorie und Praxis, analysiert die Tücken des Sozialrechts, schildert die berüchtigte „Prognose“ und ihre Folgen für die Beschäftigung Freier. Konkrete Fallstudien geben Antworten auf Fragen wie „Was tun, wenn der Urlaubsantrag verweigert wird?“ oder „Welche Konsequenzen hat der WDR-Fragebogen zur Sozialversicherungspflicht?“ Ganz neu gegenüber der Erstauflage sind Kapitel über die zunehmende Leiharbeit im Sender, über den Einstieg in die Arbeit, auch über den WDR-Personalrat, der seit dem vergangenen Jahr auch für freie MitarbeiterInnen zuständig ist.
Die neue Auflage will „noch mehr empowern“ als die erste, verspricht der Autor. Folglich gehe es auch um „Hintergründe, Zusammenhänge, Geschichtliches, auch die Interessen- und Machtkonstellationen, die die Zustände herbeigeführt haben“. Schauen fühlt sich solidarisch mit den MacherInnen des „WDR Print“-Plagiats, in dem vor anderthalb Jahren ein Undercover-Redaktionsteam in satirischer Weise auf „Programmverflachung, Quotenorientierung und das Wüten der Sparkommissarinnen im Sender“ aufmerksam machte (M 11/2010). Er liefert selbst jede Menge Material, die eine recht große Realitätsnähe der vermeintlichen Satire belegen. Die Persiflage sei „Beleg dafür, dass der WDR eine Menge kluger Köpfe hat“, kommentierte seinerzeit die Intendantin im Intranet. Monika Piel kann aber auch anders. Als eine Reihe freier MitarbeiterInnen sich in einem offenen Brief an die Intendanz über die restriktive Honorarpolitik mancher Redaktionen beschwerte, berichtete „medien-monitor.com“, habe die WDR-Chefin den Brief inklusive der Namen sämtlicher Unterzeichner an die diversen Redaktionsleitungen, für die die Freien arbeiteten, weitergeleitet.