Seit Wochen gibt es Diskussionen in den Medien über die weitere Ausrichtung von Gruner+Jahr – über die Zukunft der G+J-Zeitungen und um die strategische Einbindung in die Bertelsmann-Strategie. Dabei ist es zu einem offenen Konflikt zwischen den beiden Gruner+Jahr-Gesellschaftern Bertelsmann (74,9 Prozent) und der Jahr-Gruppe (25,1 Prozent) gekommen. Die Spekulationen über die Trennung G+J vom Zeitungsgeschäft wurden dementiert, aber die Ruhe ist nur die vor dem nächsten Sturm.
Was immer an diesen Spekulationen Wahres dran sein mag, Dr. Bernd Kundrun hat es seit seiner Amtsübernahme als G+J-Vorstandsvorsitzender im Oktober 2000 nicht geschafft zu überzeugen. Mit dafür verantwortlich dürften sein Image als wenig erfolgreicher Manager im G+J-Zeitungsbereich sein. Dabei steht das Unternehmen blendend da. Im letzten Geschäftsjahr (1999/2000) wurde eines der besten Ergebnisse erzielt. Durch die bisher vergebliche Zielstellung, in den USA zu einem der führenden Zeitschriftenunternehmen zu werden (und den entsprechenden Aufkäufen) dürfte G+J zwar in dem laufenden Geschäftsjahr nicht mit Rekorden hervortreten, aber der Boom im deutschen Anzeigenmarkt im Jahr 2000 und die Restrukturierungsaktivitäten von G+J vor allem im Zeitungsbereich sollten sich beruhigend auf die Erbsenzähler auswirken. Bei den Zeitschriften steht „TV TODAY“ hoch im Kurs. Das Boulevard-Geschäft und der Berliner Zeitungsstandort allerdings verursachen erhebliche Probleme.
Gesamtes Zeitungsengagement von G+J ist keine Erfolgsgeschichte
Das Engagement von G+J im deutschen Zeitungsmarkt kann man unter wirtschaftlichen Betrachtungen insgesamt als gescheitert ansehen. Der Zeitungsbereich von G+J sollte mit dem Kauf der Hamburger „Morgenpost“ (August 1986) schnell wachsen. Die Wirklichkeit holte den damaligen G+J-Vorstandsvorsitzenden Gerd Schulte-Hillen ein. Er überließ es anderen, sich in diesem schweren Markt zu behaupten. Kundrun blamierte sich als neuer Zeitungsvorstand (ab August 1997) mit seinem groß angekündigten Aktivitäten („Zeitung zum Sonntag“, März 1998). Aus den geplanten 40 Standorten in Ballungszentren wurde 1999 das Ende der Beteiligung. Aus einer erfolgreichen Sanierung der Hamburger „Morgenpost“ wurde der Verkauf. Die Erfolgsstory der FTD wird G+J wohl auch nicht schreiben.
Das Berliner Engagement von Gruner+Jahr
Die zu DDR-Zeiten in einer politischen Nische überlebende „Wochenpost“ wurde nach anfänglichen Erfolgen unter Chefredakteur Matthias Döpfner unrühmlich verkauft und beendet. Der Relaunch der „Berliner Zeitung“ im September 1997 sollte für die Zukunft eine Wende bringen. Kundrun, zum damaligen Zeitpunkt noch G+J-Zeitungsvorstand, sprach von einer Auflage von 100 000 im Jahre 2000/2001 insbesondere im Westberliner Markt, die Bilanz sind magere 35000. Von 1996 bis 1998 wurden zwischen 30 bis 35 Millionen Mark investiert. Was hatte G+J nicht alles unternommen: Das Veranstaltungsmagazin „TIP“ wurde gekauft und das Berliner „Abendblatt“, ein Anzeigenblatt, zu einer Millionenauflage im gesamten Berlin gepusht. Die Berliner Druckerei wurde erneuert. Der Berliner „Kurier“ sollte den Ostmarkt in Berlin gegen die Wettbewerber besetzen. Die Pläne, BerlinOnline als das Berlin-Portal auszubauen, sind ins Stocken geraten. Die mehreren Millionen Mark Investitionen in die Partnerschaft mit der Berlin Bank dürften durch den aktuellen Finanzskandal gefährdet sein.
Die Boulevard-Erfahrungen
Beendet wurde Mitte der 90er Jahre das großartige Synergie-Konzept für alle G+J-Kaufzeitungen in Hamburg, Berlin, Dresden, Chemnitz und Leipzig. Die in Ostdeutschland weit vertriebene (kostenlose) Sonntagszeitung (seit 1991) wurde 1993 eingestellt, übrig blieben die Sonntagszeitungen in Berlin, Dresden und Chemnitz. Die Leipziger „Morgenpost“ wurde eingestellt (1995). Ähnlich erging es der Mecklenburger „Morgenpost“ (1997). Die G+J-Redaktionsgemeinschaft zwischen den beiden G+J-Titeln Berliner „Kurier“ und Hamburger „Morgenpost“ sowie dem Kölner „Express“ (DuMont Schauberg) im Juni 1998 war bereits von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Mit dem Verkauf der Hamburger „Morgenpost“ näherten sich die gesamten Aktivitäten in diesem Marktsegment dem Ende zu.
Das internationale Geschäft von G+J ist eine gute Investition
Das internationale Zeitungsgeschäft von G+J konzentriert sich auf die osteuropäischen Länder Ungarn („Népszabadság“), Slowakei (1994 – „Novy Cas“), Rumänien (1998 „Evenimentul Zile“ – Boulevard-Zeitung – und 2000 – „Metro“, kostenlose Zeitung) und Jugoslawien (2000 – „BLIC“) . Bei all diesen Aktivitäten ist G+J Mitgesellschafter zwischen 50 und 51 Prozent, so dass man sich den Erfolg und ein stabiles Geschäft mit anderen teilen muss.
Die Dementis über einen Verkauf des G+J-Zeitungsbereichs dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass es bei der Diskussion um Objekte geht, die eine schwierige wirtschaftliche Phase durchleben. Die beiden Zeitungsstandorte in Berlin und Dresden unterscheiden sich wesentlich. Dresden ist nicht nur eine gewinnträchtige Veranstaltung mit über 20 Millionen Mark Betriebsergebnis, das Dresdner Geschäft ist das finanzielle Rückgrat des Unternehmensbereichs Zeitungen. In Berlin haben sich die Zeitungsverleger auf einen jahrelangen Konkurrenzkampf um den Leser- und Anzeigenmarkt eingestellt, mit einem Ende kann so bald nicht gerechnet werden. G+J hat daran aktiv Anteil. Das Boulevard-Geschäft von G+J bleibt ein schwieriges Unterfangen. Andere Objekte und Geschäftsfelder von G+J werden in Zukunft genauso kritisch zu bewerten sein, auf sie sollte man ebenso seine Aufmerksamkeit richten.