Franz Burda wäre am 24. Februar 100 Jahre alt geworden
Franz Burda war ein Patriarch. Er liebte seine „Blättle“ und seine Mitarbeiter, wie ein Vater im Wirtschaftswunderland auch seine Kinder liebte. Und so behandelte er sie auch: mit Zuckerbrot und Peitsche. Am 24. Februar 2003 wäre der Gründer der Zeitschriften „Bunte“ und „Freizeit Revue“ 100 Jahre alt geworden.
Arbeitgeber wie er sind ausgestorben, und wer die Manager des dritten Jahrtausends betrachtet, ist geneigt, sich nach Chefs wie Burda zu sehnen. Burdianer der Franz-Ära beten den „Senator“, wie er sich nennen ließ, noch heute an, da auch in Offenburg und München längst die Religion der Gewinnmaximierung eingezogen, der wärmende Ofen neben Großvaters Schnellpresse ebenso vergessen wie das Grundgesetz („Eigentum verpflichtet“) neu interpretiert wird.
Doch wer den Gründer des Offenburger Imperiums heute als Lichtgestalt zu sehen geneigt ist, sollte die langen Schatten, die er geworfen hat, nicht übersehen: Für die Liebe seiner Mitarbeiter und eine Steigerung des Umsatzes verkaufte der gute Mensch von Offenburg alles, wenn erforderlich sogar seine Seele. Am 2. April 1933 fühlte er sich genötigt, in seiner Hörfunkzeitschrift namens „Sürag“ zu erklären, im Verlag und in der Druckerei seien „weder jüdisches Kapital, noch Angestellte, Arbeiter oder Mitarbeiter tätig“. Die Gesinnung des Unternehmens sei „von jeher kerndeutsch und vaterländisch gewesen“. Zur Kollaboration mit den Nazis war es nicht mehr weit: „National und sozialistisch ist das Denken, Wollen und Handeln der „Sürag“; in ihr lebt der Geist der neuen Zeit!“ Burda hatte sich entschieden: Er wollte nicht abseits stehen, er wollte lieber dabei sein. Es folgten eigenhändig geschriebene Elogen auf den „Führer“, Jagden mit dem Gauleiter, eine Arisierung und schließlich der Druck von Landkarten, nach denen die Luftwaffe ihre Angriffe flog. Burda selbst hatte um diesen Auftrag gebuhlt, und wenn die Wehrmacht es zugelassen hätte, hätte er in seinen Fabrikhallen Rüstungsgüter produziert.
Nach der Kapitulation dauerte es nicht lange, bis Burda wieder im Geschäft war. Er druckte Schulbücher und Briefmarken für die französischen Besatzungsbehörden. Dass die „Bunte“ 1948 gegen den Willen vieler französischer Besatzungsoffiziere gegründet werden konnte, verdankte Burda seinem Charme und seinem einnehmenden Wesen, dem Offizier Raymond Schmittlein und einer mit diesem befreundeten „Strohfrau“, auf die die Lizenz lautete. Burda zog Redakteure hinzu, und schon in den vierziger Jahren führte die „Bunte“-Redaktion neben Burda der ehemalige stellvertretende Gauleiter von Wien, zu Beginn der fünfziger Jahre ein ehemaliger Sturmbannführer, der bis zum Ende des „Dritten Reichs“ der Schriftleitung des Angriffs angehört hatte. Alte Nationalsozialisten waren Franz Burda sympathischer als Bartträger, Kranke oder Fußballspieler (die waren montags immer beim Arzt). Franz Burda tat, was die Mehrheit der Deutschen nach dem „Zusammenbruch“ (als solchen sah er ihn) wünschte: Er zog seinen persönlichen Schlussstrich unter die Geschichte und dachte nur an eins: den Wiederaufbau seines Unternehmens.
Burdas „heile Welt“
Die „Bunte“-Lizenz, wie alle damals eine „Lizenz zum Gelddrucken“, brachte auch Burda im Wirtschaftswunder-Deutschland nach oben. Kritische Politikbegleitung gehörte weder in der „Bunten“ noch in seinen weiteren Titeln zu Burdas Zielen, schließlich wählten die Deutschen aus seiner Sicht 20 Jahre lang die richtige Partei. Burda machte Wohlfühl-Blätter für „Frau Hauptlehrer Metzger“, wie er es nannte. Und auch in der Redaktion war er stets „zur Fröhlichkeit entschlossen“. In Burdas heiler Welt lebten Sänger, Film- und Fernsehstars, afrikanische Kaiser und Tiger sowie englische Prinzessinnen und deutsch-amerikanische Raketenbauer; privat gehörten Wein, Weib und Gesang zu seinen Lebens-Elixieren – und natürlich seine „Blättle“.
Franz Burda, der „König von Offenburg“, starb am 30. September 1986 mit 83 Jahren. Seine Lebensgeschichte und die Geschichte seines Unternehmens sind ein Lehrstück über 100 Jahre deutsche Geschichte. Franz Burda war – mehr als andere Unternehmer des Jahrhunderts – Kind seiner Zeit. Dass Unternehmer auch eine Sozialverpflichtung haben, war ihm ein Bedürfnis. Die hohen Gewinne der Druckereien in den USA, die sein Sohn dem Vater verschwieg, hätte dieser als unanständig abgelehnt. Als Hubert Burda den Betrieb übernommen und die Berater von McKinsey einlud, das zu tun, was sie tun müssen, weinten die alten Burdianer ihrem alten Chef viele Tränen nach: „Mit dem Senator hätte es das nicht gegeben.“
Aber auch wenn seine Mitarbeiter ihn verehrten, auch wenn der wirtschaftliche Erfolg Franz Burda recht zu geben scheint, es bleibt der Makel, den das Unternehmen stets verschwieg: Franz Burdas Versagen im „Dritten Reich“. Der Patriarch wollte offenbar nicht wahrhaben, dass an das Verhalten eines Unternehmers, Verlegers und Journalisten wie ihn andere Maßstäbe angelegt werden als an Frau Hauptlehrer Metzger.