RBB-Geschäftsleitung blockiert Beschäftigungssicherung und Tarifangleichung
ORB und SFB sind tot, es lebe der RBB. Eine neue Intendantin hat der Fusionssender schon. Einen Überleitungs-Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung und Tarifangleichung dagegen noch nicht. Die neue Geschäftsleitung mauert.
„RBB – Rundfunk braucht Beschäftigung!“ schallte es den Vertretern der neuen Geschäftsleitung des Rundfunk Berlin-Brandenburg entgegen, als Mitte Mai im ehemaligen SFB-Fernsehzentrum die Tarifpartner zu einer weiteren Verhandlungsrunde um einen Überleitungs-Tarifvertrag zusammenkamen. Doch die Geschäftsleitung rückte von ihrer bisherigen Blockadepolitik nicht ab. Daher dürften beim nächsten Mal die mit Rücksicht auf die Nerven der Beteiligten nicht eingesetzten Trillerpfeifen von den Kollegen wieder ausgepackt werden. „Die Geschäftsleitung ist bei allen unseren Hauptforderungen stur geblieben“, sagt SFB-Personalratsvorsitzende Hanne Daum. So steht nach wie vor ein deutliches Ja zum Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen aus. Hier bleibt die Geschäftsleitung bei ihrer von den Gewerkschaften abgelehnten Koppelung mit einer Art „Zwangspensionierung“: Ausschluss von Kündigungen nur dann, wenn gleichzeitig Vorruhestandsregelungen in den Vergütungsgruppen A und B akzeptiert werden. Auch für Freie gibt es noch keine Beschäftigungszusage im bisherigen Umfang. „Wir werden nicht hinnehmen, dass bei Bedarf die Freien von einem Tag zum anderen per Beendigungsmitteilung vor dem Aus stehen“, sagt Daum. Als besondere Provokation begreifen die Gewerkschafter die sehr speziellen Vorstellungen der Geschäftsleitung von einer künftigen Tarifangleichung. Bei der Neueinstellung von Festen und bei der Beschäftigung neuer Freier will sie den jeweils ungünstigeren Tarifvertrag anwenden. Solange es keinen RBB-Tarifvertrag gibt, soll für die Neuen der ORB-Tarif gelten. RBB-Osttarif tut weh? Keine Frage, denn die Einkommen und Honorare liegen beim ORB um 20 Prozent unter denen des SFB. Solches Tarif-Dumping stößt den Gewerkschaften bitter auf. „Wenn weiterhin nach zwei unterschiedlichen Tarifen gezahlt wird, wirkt sich das irgendwann auf die Gesamtsituation des Unternehmens aus“, fürchtet Daum. Vor allem auf die Motivation der Beschäftigten.
Für Verunsicherung sorgt auch die nach wie vor im Raum schwebende Zahl von 1.400 Stellen, auf die der fusionierte Sender nach undementierten Aussagen von Mitgliedern der früheren Geschäftsleitung geschrumpft werden soll. Gegenwärtig kommen beide Fusionssender in der Summe auf rund 1.700 Stellen. Bis Ende August soll Inventur gemacht und ein „Zielstellenplan“ erarbeitet werden. Überall da, wo die Prüfer auf Doppelstrukturen stoßen, soll neu ausgeschrieben werden. Das ist vor allem im Bereich Fernsehen der Fall. Dort steht bis zum Jahresende die Fusion von B 1 und ORB-Fernsehen zu einem gemeinsamen Dritten TV-Programm an. Wie Sendermitarbeiter berichten, hat das Hauen und Stechen bereits begonnen. Unabhängig von individuellen Tragödien, die sich da abspielen mögen, wäre der potentielle Abbau von 300 Arbeitsplätzen alles andere als ein positives Signal für den Start der neuen Anstalt. Eines Senders, der von dem SFB-Intendanten a.D. Horst Schättle vollmundig als „Premium-Anstalt“ ausgelobt worden war. Auch die in Berlin regierende SPD-PDS Koalition hatte als Motiv für die Fusion von ORB und SFB die „Stärkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Region“ ausgegeben.
Bei der Fusion sollte es keine Verlierer geben
Dagmar Reim, die mit so viel Vorschusslorbeeren empfangene neue Intendantin, muss acht geben, sich nicht vorschnell in die Rolle einer harten Sparkommissarin drängen zu lassen. Dabei dürfte sie auch an Aussagen gemessen werden, die sie unmittelbar nach der Wahl abgegeben hatte. Es dürfe bei der Fusion „keine Verlierer geben“, so ihr damaliges Gelöbnis. Von solchen Zusagen rückt sie mittlerweile vorsichtig ab. Zunächst gehe es darum, Bilanz zu ziehen und die „Anfangsanstrengungen auf eine gemeinsame Grundlage“ zu stellen, sagte sie in der letzten Sitzung des SFB-Rundfunkrates. Dabei werde man um Themen wie Doppelstrukturen, Personalumbau, auch Personalabbau nicht herumkommen.
Zudem gelte es, mit dem Vorurteil aufzuräumen, hier treffe „eine schlanke fundamentalistische Braut auf einen fetten, vollschlanken Verlobten“, sagte Reim im Hinblick auf die unterschiedlich strukturierten Fusionspartner ORB und SFB. Für den 2005 endenden SFB-Finanzausgleich gebe es realistischerweise keine Verlängerungschance. Selbst wenn es mit der derzeit diskutierten Gebührenerhöhung klappe, wären „Luftschlösser damit nicht zu bauen“.
Die historisch bedingte unterschiedliche Tarifsituation für die ehemaligen ORB- und SFB-Beschäftigen im Sender bezeichnete Reim als unbefriedigend. „Dieses Übel wird nicht sofort zu heilen sein“, sagte sie. Der Neuanfang werde aber „Schwung und Dynamik“ geben, die beide Seiten dafür begeistern könnten, „etwas Neues zu denken, zu versuchen, zu machen“. Reim: „Wenn es uns gelingen sollte, interessante, kontroverse, spannende, spannungsreiche Programme zu machen, dann ist mir nicht bange um die Zukunft unseres gemeinsamen RBB.“
Fragt sich nur, wie viele Kolleginnen und Kollegen an dieser gemeinsamen Zukunft noch beteiligt sind.