Journalist und Gewerkschafter Uli Röhm prangerte oft Missstände an
Mit 65 endete im November 2010 sein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsleben. Sein Engagement für das, was ihn über alle beruflichen Stationen bewegt und beschäftigt hat, setzt er auf neuen und alten Plattformen fort: Uli Röhm geht und bleibt doch.
Sein Berufsweg verläuft serpentinenhaft und führt dennoch, bei aller Unterschiedlichkeit der Tätigkeiten, unbeirrt einem Ziel zu: Denen eine Stimme zu geben, die sich in Wirtschaft und Gesellschaft oft nur unzureichend Gehör verschaffen können.
Als gelernter Möbelschreiner kennt er die Lehrlingsweisheit: „Wo gehobelt wird, da fallen nun mal Späne, heißt es, doch die Späne trifft es härter als den Hobel – meistens“. Damit das nicht passiert, ist gewerkschaftliches Engagement fast schon zwangsläufig. Ebenso wenig verwundert es, dass Uli Röhms Weg als Gewerkschafter gleich in die Schaltstellen der „Macht“ führte. Als Leiter der Pressestelle beim Hauptvorstand der damaligen Gewerkschaft ÖTV war sein Beruf zunächst nur „Verkäufer“. Seine Berufung fand er auf der anderen Seite des Schreibtischs: als Journalist beschäftigte er sich fortan hauptberuflich mit Arbeitnehmer- und Verbraucherfragen, blieb aber immer auch ehrenamtlich als Gewerkschafter aktiv, ob in der RFFU, der IG Medien oder in ver.di.
Uli Röhm gehört zu den WISO-Redakteuren der ersten Stunde und arbeitete 27 Jahre lang für das ZDF-Wirtschaftsmagazin. Bei seinen Langzeitrecherchen kümmert er sich um Themen und Fälle, die schwierig zu knacken sind. Seine zweite Spezialität waren die „WISO“-Tests, wenn Prominente und Produktverantwortliche bei „Blindverkostungen“ Lebensmittel vergleichen. Dabei ging es ihm nicht nur um Verbraucheraufklärung. Den Mehrwert des Nährwerts suchte er in der unterhaltsamen Form, in der über das jeweilige Produkt informiert wurde. Da setzte sich ein gestandener Bundesminister schon einmal mit dem Schimpansen Charly aus der ZDF-Serie an den Tisch, um Eier zu verkosten. Beim überraschenden Ergebnis – geschmacklich landete ein Ei aus Käfighaltung vor den Bio-Produkten – konnte man anschließend trefflich darüber streiten, wer sich nun zum Affen gemacht hat. Hauptsache, es dient dem Kunden und Fernsehzuschauer.
„Als Wirtschaftsjournalist in einem Verbrauchermagazin stehe ich auch auf Seiten der Verbraucher und ich denke, es ist wichtig, wenn wir Journalisten Partei nehmen für die Benachteiligten“, formulierte Uli Röhm seinen journalistischen Ansatz. Und dieses Ziel verfolgte er nicht nur als Fernsehredakteur. Auch als Buchautor beschäftigte ihn die Aufdeckung von Missständen: Billiglöhne prangert er im Report „Das Lohndumpingkartell“ ebenso an wie kriminelle Machenschaften im Speditionswesen, mit denen sich das Schwarzbuch „Tatort Autobahn“ beschäftigt. So sehr ihm Schwarz als Farbe bei der Titelgebung seiner Bücher lag, politisch stand und steht er mehr auf Rot.
Dabei galt das besondere Augenmerk des Fernsehjournalisten Röhm natürlich der Medienpolitik. Im ZDF ist eine medienpolitische Institution mit seinem Namen verbunden: „ver.di im Gespräch“ hieß die Reihe, in der Röhm hochrangige Politiker und Fachleute zu aktuellen Fragen vor das Mikrofon bat. Ob Verfassungsrichter, KEF-Vorsitzende oder Medienpolitiker – sie alle stellten sich seinen kritischen Fragen, wohl weil sie ahnten, dass es bei seinem an zermürbende Penetranz grenzenden Beharrungsvermögen ohnehin aussichtslos wäre, sich dem Gespräch entziehen zu können.
Am 19. Januar nun wurde der letzte Vertreter des „WISO“-Gründerteams in den Ruhestand verabschiedet. Eingeladen hatte ver.di im ZDF und gekommen waren nicht nur zahlreiche Weggefährten aus dem ZDF und von ver.di, sondern auch hochrangige Gäste wie z. B. Ministerpräsident und ZDF-Verwaltungsratsvorsitzende Kurt Beck oder der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel. Unter dem Motto „Statt eines Nachrufs – Aus Erfahrung lernen“ charakterisierte der Kabarettist Matthias Deutschmann Uli Röhm als den „vernetzten Eigensinn“ – und wie vernetzt Röhm war, zeigte die breite Palette derer, die Bilanz zogen. So unterschiedlich ihr Ansatzpunkt war, stets ging es darum, Perspektiven aufzuzeigen und Mut zu machen. Oder wie es Kurt Beck formulierte: „Wir brauchen Leute, die wissen, dass niemand allein so gut sein kann, dass er nicht irgendwann auf die Solidarität einer starken Gemeinschaft wie z. B. einer Gewerkschaft angewiesen ist.“
Uli Röhm bleibt nach seinem offiziellen Ruhestand aktiv: Auch wenn er mit seinem ZDF-Abschied nach 20 Jahren im ZDF-Personalrat seinen Sitz räumt, dem Vorstand der ver.di-Betriebsgruppe bleibt er für eine weitere Wahlperiode treu. Daneben wird er ein weiteres Betätigungsfeld beackern: Ende 2010 wurde er von der evangelischen Dekanatssynode Ingelheim zum Präses gewählt.
Vom Gewerkschafter über den Journalisten zum Kirchenfunktionär – was so unterschiedlich scheint, hat doch viele Gemeinsamkeiten – alle wollen möglichst viele Menschen erreichen, alle haben ein Sendungsbewusstsein und eine Botschaft, alle wollen Menschen gewinnen, damit sie Mitglieder, Zuschauer oder Kirchensteuerzahler werden. So arbeitet er also in alten und neuen Funktionen weiter an der Erreichung seines Ziel: den Schwachen eine Stimme zu geben, ob Gewerkschafter, als Journalist und jetzt eben als Präses.
Und da ein Schwabe ohnehin erst mit 40 g’scheit wird, ist er nach schwäbischer Zeitrechnung erst 25 und befindet sich erst jetzt im Zenit geistiger Schaffenskraft.