Zeitungsverleger für „Rückbau“ der Tarifverträge und Tarifwerk 2
In den Tarifverhandlungen für die rund 14.000 Redakteurinnen und Redakteuren in Tageszeitungen geht es zwischen dem Verlegerverband BDZV einerseits sowie DJV und der dju in ver.di andererseits mal wieder um die Zukunft. Wie in jeder ordentlichen Tarifrunde sollte es eigentlich um Tariferhöhungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen gehen. Doch die Verleger beschreiben mit ihren nun in aller Deutlichkeit genannten Tarifforderungen einen Niedergang des Journalismus, statt eines Angebots für notwendige Verbesserungen. Ein Verlegervertreter hat dies zynisch mit „Rückbau“ bezeichnet. Der stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Verhandlungsführer der dju, Frank Werneke, erklärte dazu: „Die Forderungen der Verleger sind in keiner Form akzeptabel. Sie bedeuten zudem eine Abwertung des Journalistenberufs.“
Was genau lehnt ver.di damit ab? Der BDZV fordert massive Tarifabsenkungen für den Neuabschluss der Redakteurs-Tarifverträge. Jetzt in den Verlagen arbeitende Redakteurinnen und Redakteure sollen demnach kein Urlaubsgeld mehr und damit 5 Prozent weniger Jahresgehalt bekommen. Generell soll für alle zukünftig eingestellten Redakteurinnen und Redakteure ein neues – über 25 Prozent niedrigeres – Tarifniveau gelten, das aber auch bei Outsourcing oder Verlagswechsel jede/n jetzt beschäftigten Redakteur/-in und nicht nur Berufseinsteiger betreffen wird. Dieses zweite Tarifwerk sieht Absenkungen im Vergleich zum bisherigen Gehalts-, Mantel- und Altersversorgungstarifvertrag vor. Bestehend aus einer über 15 Prozent niedrigeren Gehaltsstruktur. Hinzu kämen über 10 Prozent Kürzung im Manteltarifvertrag bestehend aus Erhöhung der Arbeitszeit auf 40 Stunden, Kappung des Jahresurlaubs bei 30 Tagen und Streichung des Urlaubsgeldes. Zudem wollen die Verleger die Arbeitgeberbeiträge zur Presseversorgung für künftige Redakteursverträge von fünf auf 2,5 Prozent senken. Das macht bereits nach zehn Redakteursjahren über 100.000€ niedrigere Einkommen und eine schlechtere Altersversorgung.
Nach diesem Maßstab soll in Redaktionen der Zukunft gearbeitet und weniger am Ende des Monats gezahlt werden. Wohlgemerkt soll dies nicht in Einzelfällen oder in Verlagen in wirtschaftlicher Not so praktiziert werden, sondern in allen tarifgebundenen Verlagen. Wenn denn die Journalisten-Gewerkschaften einem solchen Plan zustimmen würden.
Doch die dju in ver.di und DJV weisen diese Pläne nicht nur zurück, sondern haben eigene Forderungen aufgestellt. Es soll deutliche Tariferhöhungen von 4% geben und kein niedrigeres Tarifniveau. Lediglich für Notlagen soll, so wie in einzelnen Verlagen bereits vereinbart, ein Verfahren zur Beschäftigungssicherung greifen. Dies würde zunächst über Arbeitszeitverkürzung und damit Gehaltsverzicht zur wirtschaftlichen Entlastung des Verlages führen.
Alles was darüber hinaus an Arbeitnehmerbeitrag zur Sanierung eines Verlages nötig wäre, müsste dann mit den Tarifparteien vor Ort verhandelt werden. Solche Vereinbarungen bestehen bereits, doch der BDZV will sie Tarifregelung nicht haben. „Die dju in ver.di lehnt diese generellen Verschlechterungen in Zeitungsredaktionen strikt ab, die ohnehin in den vergangenen Jahren durch Kostensenkungsprogramme schon massiv ausgedünnt worden sind. Wir wollen keine Tarifverträge zu Lasten der jetzigen und der kommenden Journalistengeneration abschließen“, bewertete Frank Werneke die Verlegervorschläge. Die Zeitungsverleger müssten aufpassen, so Werneke weiter, dass sie sich damit im Wettbewerb um die guten Köpfe nicht selbst die Zukunft verbauen. Das sei auch eine Frage der Wertschätzung der Arbeit in den Redaktionen – auch vor dem Hintergrund fortschreitender Arbeitsverdichtung in Zeiten von verstärkter online-Veröffentlichung und Apps für mobile Medien.
Die Zeitungsverleger werden den Tarifvertrag der Zukunft, also den nächsten Abschluss, nicht verschenken, ganz im Gegenteil. So schwere Herausforderungen hat es für die Journalisten-Gewerkschaften noch nicht gegeben. Es wird also eine Frage der Durchsetzungskraft werden, welche Seite dem Tarifergebnis ihr Gepräge gibt.
Was will die dju in ver.di? Die dju setzt sich für eine Fortführung des bisherigen Tarifwerks ein, mit Tariferhöhungen und Ausdehnung auf Online-Journalismus. Das soll ergänzt werden um eine Notlagen- bzw. Sanierungs-Regelung. Für die veränderten Arbeitsweisen von Redakteurinnen und Redakteuren ist Qualifizierung nötig, dies ist fair und damit tarifvertraglich zu regeln. Zudem soll künftig in Verlagen ein sogenanntes „equal pay“ gelten: also als Leiharbeitskräfte beschäftigte Redakteurinnen und Redakteure ebenso wie Pauschalisten sollen vergleichbare Einkommensbedingungen erhalten.
Andere Branchen gehen diesen Weg bereits. Es gibt solche ersten vorbildhaften Tarifabschlüsse. In Zeitungsverlagen mit den verschiedenen Formen der Beschäftigung ist es an der Zeit diesem Vorbild zu folgen. Denn die Redaktionen der Zukunft brauchen gute, qualifizierte und fair bezahlte Journalistinnen und Journalisten. Die Verleger schlagen mit ihren Forderungen ein ganz altes Buch auf, das keiner lesen will. Denn es gibt ja bereits Erfahrungen aus anderen Branchen, in denen eine Tarif- und Berufsentwicklung, die an den Erwartungen der umworbenen Fachkräfte vorbei geht, zu Problemen und dauerhaftem Qualitätsmangel führt. Die Zeitungsverleger sind dabei in diese Richtung zu gehen, diesen Richtungswechsel sogar von den Gewerkschaften einzufordern. Die dju in ver.di will dem aus vielen guten Gründen nicht folgen.
Matthias von Fintel ist ver.di-Tarifsekretär