Medienhäuser kreieren Angebote für die zahlenden Kunden der Zukunft
Mit eigenen Medienangeboten für die junge Zielgruppe wollen immer mehr Medienhäuser den Nachwuchs an ihre Angebote heranführen und langfristig binden. Für die Verlage geht es dabei vor allem darum, künftige zahlende Kundinnen und Kunden zu gewinnen. Bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gilt es, den drohenden Generationenabriss zu verlangsamen.
Ob „Spiegel“ oder „Zeit“, „Bild“ oder „Bunte“: Allein in der zweiten Jahreshälfte 2015 haben mehrere namhafte Medienhäuser eigene Jugendableger ins Netz gebracht: Spiegel Online startete bento, Zeit Online ze.tt, Axel Springer den Bild-Ableger BYou, vom „Handelsblatt“ kommt das Portal Orange und und der Burda Verlag launchte BNOW, die junge Version von „Bunte“.
Glaubt man einer aktuellen Umfrage des BDZV unter Zeitungsverlegern („Trends der Zeitungsbranche 2016“), wird diese Entwicklung anhalten. 70 Prozent der Verlage geben danach an, in diesem Jahr eine Produkterweiterung um junge Angebote zu planen. Als Motivation wird dabei mehrheitlich (79 Prozent) die Heranführung und Bindung an die bestehenden Marken genannt. Knapp die Hälfte der Verlage (49 Prozent) erhofft sich davon aber auch neue Erlösquellen. Zudem erwarten die Verleger vor allem ein Wachstum der Werbeeinnahmen im digitalen Bereich, während sie im Print weiter mit einem Minus rechnen.
Und auch die Öffentlich-Rechtlichen setzen verstärkt auf die Jugend: 2015 startete das ZDF den Nachrichtenableger heute+. Der WDR versuchte, eine jüngere Zielgruppe mit dem Onlineformat #3sechsich zu erreichen, stellte das Projekt mangels Reichweite aber zum Jahresende 2015 wieder ein. Erfolgreicher soll das neue junge Angebot von ARD und ZDF sein, das die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten beschlossen haben und das im Oktober dieses Jahres an den Start gehen soll.
Zielgruppe „Immer online“
Ob von Verlagshäusern oder öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten: Alle Jugendangebote haben eines gemein – sie setzen konsequent auf online und die Einbindung in Social Media wie Facebook oder Twitter. Als Zielgruppe stehen dabei durchgängig junge Menschen zwischen 14 und 30 Jahren im Fokus – mit verschiedenen Ausprägungen. Bento setzt zum Beispiel auf die 18- bis 30-Jährigen, BYou von „Bild“ ausschließlich auf die 14- bis 19-Jährigen, wegen ihres Geburtsdatums um die Jahrtausendwende auch „Millennials“ genannt.
Dass aber auch eine junge Zielgruppe keine homogene Nutzerschaft ist, die eine ähnliche Lebenssituation teilt und sich für die gleichen Themen interessiert, ist selbstverständlich. „In der Entwicklungszeit haben wir versucht, die typische Nutzerin und den typischen Nutzer zu identifizieren – und sind gescheitert. Denn die Zielgruppe ist tatsächlich viel zu heterogen“, erklärt die „Spiegel“-Pressestelle zu bento. „Was sie aber eint: Alle haben rund um die Uhr ihr Smartphone in der Hand, alle sind permanent auf Social Media unterwegs. Deshalb müssen unsere Geschichten dort funktionieren.“
Das künftige Junge Angebot von ARD und ZDF versucht hingegen, seine Zielgruppe stärker zu differenzieren. Gemeinsam mit der Medienforschung wird die Gruppe der 14- bis 29-Jährigen sehr genau untersucht – und noch einmal in vier Unterzielgruppen unterteilt (14-16 Jahre, 17-19 Jahre, 20-24 Jahre, 25-29 Jahre). „In diesen Lebensphasen unterscheiden sich junge Menschen jeweils hinsichtlich ihrer Interessen und ihrer Mediennutzung, beispielsweise welche Drittplattformen sie nutzen oder über welches Endgerät sie Inhalte abrufen“, erklärt die zuständige SWR-Pressestelle. Wichtig sei es daher, „dass wir uns der Unterschiede, aber auch der Gemeinsamkeiten bewusst sind und Formate speziell auf eine konkrete Zielgruppe zuschneiden.“
Eigenständige Redaktionen
Damit die Angebote erfolgreich sind, nehmen die Medienhäuser durchaus Geld in die Hand. Zwar werden keine Summen genannt, doch es wurden eigenständige Redaktionen etabliert. Bei bento arbeiten insgesamt 13 Personen in der Redaktion, davon zwei Volontäre. Hinzu kommt ein weiterer Mitarbeiter, der sich ausschließlich mit Native Advertising beschäftigt. Für ze.tt von Zeit Online arbeiten derzeit acht Redakteurinnen und Redakteure sowie eine Native Advertising Managerin. Einen etwas anderen Weg geht der Axel Springer Verlag. Er lässt BYou von den Journalistenschüler_innen seiner Axel Springer Akademie betreuen.
Vergleichsweise komfortabel sind die Startvoraussetzungen für das Junge Angebot von ARD und ZDF. Den Sendern stehen hierfür jährlich 45 Millionen Euro zur Verfügung. Bei der Zentrale in Mainz werden etwa zehn festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten, hinzu kommen freie Kolleginnen und Kollegen. Zudem profitiert das Angebot vom weitläufigen ARD- und ZDF-Netz, das den größten Teil der Inhalte zuliefern wird, zum Beispiel aus den Redaktionen der jungen ARD-Hörfunkwellen.
Erfolg offen
Inwiefern die jungen Plattformen künftig zur erhofften Markenbindung und damit letztlich zur Akquise künftiger Kundinnen und Kunden beitragen, wird sich zeigen müssen. Dazu sind die Angebote noch zu frisch am Markt oder – im Falle des Jugendangebots von ARD und ZDF – noch in der Planungsphase. So richtig in die Karten lassen sich die Anbieter dabei nicht schauen. Die „Spiegel“-Pressestelle erklärt, sie sei mit der Entwicklung von bento sehr zufrieden, das Angebot sei „schon jetzt sehr erfolgreich“. Von BYou kommen immerhin Zahlen: Allein im ersten halben Jahr habe die Rubrik monatlich fast fünf Millionen Visits erzielt. Damit gehöre BYou zu den meistgelesenen Ressorts auf bild.de.
Zufrieden sei man auch bei heute+. Vor allem das kontinuierliche Wachstum auf Facebook und Twitter sei zufriedenstellend, erklärt die Redaktionsleitung. „Die Quantität und Qualität der Interaktionen ist gut und lassen ein großes Potenzial erkennen. Auch die TV-Ausgabe von heute+ läuft gut.“ Zwar ist die Finanzierung dank des Rundfunkbeitrags gesichert, dennoch werden sich auch die öffentlich-rechtlichen Angebote künftig an ihrem Erfolg messen lassen müssen. Denn sie haben die nicht einfache Aufgabe, der massiven Überalterung der öffentlich-rechtlichen Zuschauerschaft entgegenzuwirken.