Die Bundesregierung hat es in der Kabinettsitzung am 1. September 2004 abgelehnt, gegen die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im sogenannten „Caroline-Urteil“ Rechtsmittel einzulegen. Dazu hatten sie Journalisten- und Verlegerverbände aufgefordert (siehe M 8 – 9/2004).
Dieses Urteil aus Straßburg hatte sehr unterschiedliche Bewertungen und Reaktionen auch innerhalb der Verbände hervorgerufen. Sahen die einen darin einen Angriff auf die Pressefreiheit oder eine Behinderung des investigativen Journalismus und befürchteten nun „Hofberichterstattung“ und „Kommuniqué-Journalismus“ (VDZ), so beschrieben andere eher eine „Phantomdebatte“ (Hoffmann-Riem) und warnten vor „Schreckenszenarien“, die da verbreitet würden. Bedroht sei nicht der investigative, sondern der „Kloakenjournalismus“ (Holthoff-Pförtner – beide zitiert nach der SZ vom 1.9.04).
Bundesjustizministerin Zypries, die in der Kabinettsitzung für das Einlegen von Rechtsmitteln votiert hatte, erläuterte vor der Presse den Beschluss des Kabinetts. Die Entscheidung habe keine unmittelbare Verbindlichkeit für deutsche Gerichte. Das Urteil sei lediglich „ein Beitrag zur Diskussion, wie die Grenzen zwischen Pressefreiheit und Persönlichkeitsrecht verlaufen“.
Wie die höchst kontrovers geführte Debatte zeigt, gehen die Ansichten über die Auswirkungen des Urteils und diese Grenzziehung so weit auseinander, dass Journalisten durchaus einen Zustand der Rechtsunsicherheit beklagen. Die dju hatte sich dem Votum des Presserats angeschlossen und dafür plädiert, dass die Regierung zur Klarstellung Rechtsmittel gegen das Urteil einlegt. Sie wird sich in ihrer Bundesvorstandssitzung Ende September noch einmal ausführlich mit dem Urteil und der Entscheidung des Bundeskabinetts beschäftigen.
UMF