Presserecht für Journalisten

Sollte in Griffweite im Regal stehen

Wenn es um die Nachfahren der Feudalherren geht, wird es immer mal wieder offenbar. Der Freiheit der Wort- und Bildberichterstattung sind Grenzen gesetzt. Aber auch Journalistinnen und Journalisten, die keine Berührungspunkte mit Caroline oder Ernst August haben, müssen wissen, wann ihre Arbeit Persönlichkeitsrechte tangiert, die wie die Presse-, Rundfunk- und Meinungsfreiheit grundgesetzlich geschützt sind.

Darf das Foto vom Schützenball von dem mit seiner Freundin tanzenden Bürgermeister veröffentlicht werden? Aktuell? Im Zusammenhang mit seiner Scheidung? Oder mit Korruptionsvorwürfen? Und der Name eines Bankräubers, der ein Großteil seiner Strafe verbüßt hat? Wie sieht es bei Opfern von Verkehrsunfällen oder Straftaten aus? Oder beim Symbolfoto der Warteschlange im Arbeitsamt? Wie behandelt der Redakteur Verdächtigungen und Gerüchte? Wie geht die freie Journalistin mit nachträglichen Änderungswünschen eines Interviewpartners um?

Haufenweise Fragen aus dem journalistischen Alltag, auf die Dorothee Bölke in ihrem Taschenbuch „Presserecht für Journalisten“ Antworten gibt. Die können nicht immer eindeutig sein, denn für die „Freiheit und Grenzen der Wort- und Bildberichterstattung“ – so der Untertitel des Buches – bilden Gesetze und Pressekodex nur einen Rahmen, der in der täglichen journalistischen Praxis umgesetzt werden muss. Journalisten, die professionell arbeiten, müssen einerseits alle Möglichkeiten bei Recherche und Darstellung ausschöpfen, sich andererseits ihrer Grenzen bewusst sein. Dieses Buch will nach eigenem Anspruch beides fördern.

Dafür „übersetzt“ die frühere Geschäftsführerin des Deutschen Presserats und Justiziarin des „Spiegel“ rechtliche Grundsätze aus der Terminologie von Gesetzen und Gerichtsurteilen in die Sprache des Journalisten und beantwortet seine Fragen systematisch. Zudem hat die Hamburger Rechtsanwältin mehrere „Checklisten“ erarbeitet. So kann das Buch hervorragend als Nachschlagewerk genutzt werden, egal ob es um die Verwertung von Dokumenten, Urheberrechte, Gegendarstellungen oder redaktionelle Inhalte und Werbung geht.

Dorothee Bölke hat alle relevanten Gerichtsurteile bis Oktober 2004 ausgewertet (einschließlich des Caroline-Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte). Dabei macht sie deutlich, was Gesetz, was Urteil, was Spruchpraxis des Presserats ist und worin sie sich unterscheiden – und spart auch nicht mit eigener Bewertung. Denn im Presserecht gibt es keinen „endgültigen Stand“. So wird in dem Buch das BGH-Urteil zur Ron-Sommer-Karikatur als Beispiel für die „Satirefreiheit“ angeführt, das gerade vom Bundesverfassungsgericht „kassiert“ wurde (siehe Meldung in dieser «M»-Ausgabe).

„Presserecht für Journalisten“ ist nach meiner Meinung ein neues unverzichtbares Standardwerk, das in der Redaktion und im Büro freier Journalisten in Griffweite im Regal stehen sollte.

Dorothee Bölke: Presserecht für Journalisten
Freiheit und Grenzen der Wort- und Bildberichterstattung

Deutscher Taschenbuch Verlag
München 2005

Beck-Rechtsberater im dtv, Band 50627
265 Seiten
12,50 Euro
ISBN 3-406-51349-2

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fakten, Fame und Follower

Im Netz dominiert mittlerweile der Content, den kommerzielle BigTech-Plattformen pushen. Er ist nicht mehr gebunden an eine „öffentliche Aufgabe“ von Journalismus, nämlich durch Information und Fakten zur Selbstverständigung der Gesellschaft beizutragen.
mehr »

BVerfG stärkt Rundfunkfreiheit

Eine Hausdurchsuchung im Jahr 2022 bei einem Redakteur des freien Radios Radio Dreyeckland in Freiburg verstieß gegen die Pressefreiheit und war verfassungswidrig, entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Damit kippt das höchste Gericht eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart.
mehr »

Faktenbasiert, aufklärend, machtkritisch

Der Journalist Georg Restle ist seit 2012 Leiter und Moderator des Politmagazins Monitor in der ARD. Der studierte Jurist tritt für einen „werteorientierten Journalismus“ ein. Mit M sprach er über Fakenews, Fehlerkultur und journalistische Resilienz.
mehr »

Aktivrente: Keine Option für Freie

Ein Bestandteil des derzeit kontrovers diskutierten “Rentenpakts” ist die sogenannte Aktivrente. Wer trotz Ruhestand weiter erwerbstätig ist, bekommt einen Steuerbonus. Doch das geplante Gesetz enthält eine Schieflage: Freie Journalisten oder Autorinnen sind wie andere Selbstständige von der Regelung ausgenommen.
mehr »