Podiumsdiskussion auf dem Medienforum NRW über „Krieg und Information“
Eine international einheitliche Kennzeichnung von Journalisten bei Einsätzen in Krisengebieten regte der OSZE-Beauftragte Freimut Duve bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Krieg und Information“ auf dem Kölner Medienforum an. Analog zum Roten Kreuz sollte ein Emblem entwickelt werden, das Journalisten bei ihrer Arbeit unter einen besonderen Schutz stellt.
Auslöser war der tödliche Anschlag von Heckenschützen auf die beiden „Stern“-Reporter Volker Krämer und Gabriel Grüner am 13. Juni bei Dulje, in der Nähe von Pristina.
Unterstützt wird die Initiative Duves vom Balkankorrespondenten der ARD, Friedhelm Brebeck, „damit es keine Entschuldigung mehr für ein angebliches Versehen gibt.“ Schon heute kennzeichnen die Fernseh-Teams der privaten und öffentlich-rechtlichen deutschen Fernseh-Sender ihre Fahrzeuge in der Krisenregion auf dem Balkan mit dem Hinweis „TV“. An der Schutzwirkung dieser Kennzeichnung darf jedoch gezweifelt werden: „Unser erstes Fahrzeug hatte nach fünf Monaten bereits 37 Einschüsse“, so Brebeck. An eine Häufg von Zufallstreffern und Querschlägern mag der ARD-Korrespondent ebenso wenig glauben wie sein Sat.1-Kollege Pit Schnitzler, der vier Wochen lang von serbischen Sicherheitskräften eingesperrt und mißhandelt worden war. „Im Kosovo herrscht eine Pogromstimmung gegen Journalisten“, bestätigten die beiden Fernsehjournalisten eine gleichlautende Schlagzeile der FAZ vom 15. Juni. Schon im Kroatienkrieg waren Kopfprämien von 1000 Mark auf unliebsame Berichterstatter ausgesetzt worden. Brebeck gab eine Erklärung für diese Hatz: „Journalisten stören grundsätzlich, weil sie nicht nur fragen, sondern hinterfragen.“
Der täglichen Bedrohung von Leib und Leben bei ihrer Arbeit beugen die Journalisten im Kriegsgebiet durch das Tragen kiloschwere Splitterwesten vor. Für Reporter der BBC ist darüber hinaus aus versicherungstechnischen Gründen ein Helm obligatorisch. Chris Burns (CNN) verwies auf seine guten Erfahrungen mit einem militärischen Sicherheitstraining, wie es von vielen nationalen Streitkräften speziell für Kriegsberichterstatter angeboten wird. „Es gibt keine Sicherheit“, hielt dem Rainer Munz (RTL) entgegen. Von daher sei jeder Einsatz bereits im vorhinein gut zu überlegen. „Es lohnt sich nicht, für 20-30 Zappelsekunden das Leben des Teams zu riskieren“, pflichtete Brebeck seinem RTL-Kollegen bei.
Dem Schutz der eigenen Haut steht der große Druck aus den Heimatredaktionen entgegen. „Krieg bringt Quote“, brachte Pit Schnitzler die Sache mit der Nachricht als Ware auf den Punkt. „Es ist ein Geschäft. Davor darf man nicht die Augen verschließen.“ Eine „Verwilderung der Sitten im Journalismus“, beklagt der Sat.1-Korrespondent. Ein Gerücht in den Agenturmeldungen reiche heute schon aus, die Zentralredaktionen in hektische Betriebsamkeit zu versetzen. Nur umständlich sei es möglich, die Kollegen in der Heimredaktion vom Gegenteil zu überzeugen. „Ich stelle immer wieder fest, daß in den Zentralredaktionen der Zweifel des Wissenden nicht gefragt ist“, klang Resignation in den Worten Schnitzlers an.
Kritik an der „Agenturgläubigkeit“ der Heimatredaktionen äußerte auch ARD-Korrespondent Friedhelm Brebeck. Den Meldungen der Agenturen werde in der Regel mehr Glaubwürdigkeit geschenkt als dem eigenen Mann vor Ort. Seine Erfahrung im Spannungsfeld zwischen Agentur und Wirklichkeit: „Die Aktenlage entspricht nicht immer der Faktenlage.“ Umgekehrt sei es beinahe fast unmöglich, selbstrecherchierte Nachrichten im eigenen Sender unterzubrin-gen, so lange die Agenturticker noch schweigen. Der Moderator der Podiumsdiskussion, Michael Schmid-Osbach (WDR), will die Sache innerhalb der ARD zur Sprache bringen.
Auf der einen Seite Angst um Leib und Leben und die ständigen Auseinandersetzungen mit den Zensurbehörden – auf der anderen Seite Kleinkrieg mit der Heimatredaktion: „Warum begeben sich Journalisten zur Berichterstattung in Krisen- und Konfliktgebiete? Sind die gewonnenen Informationen dieses Risiko wert? So lautete die kritische Nachfrage von Dr. Friedrich Krotz vom Hamburger Hans-Bredow-Institut. „Es ist unser Job zu informieren“, antworteten Friedhelm Brebeck und Pit Schnitzler. Die Kriegsberichterstattung sei Teil ihrer normalen Korrespondententätigkeit im südost-europäischen Raum. „Ich verstehe es aber als meine Pflicht, auch bei schlechtem Wetter auf der Brücke zu bleiben“, ergänzte Schnitzler. CNN-Mann Chris Burns möchte der „menschlichen Seite der Tragödie“ auf den Grund gehen.