Mit ihrem Gesetzentwurf vom 3. Juli dieses Jahres will die hessische Landesregierung das älteste und freiheitliche Rundfunkgesetz der Bundesrepublik so verändern, dass ihre Sympathisanten in Zukunft im Rundfunkrat die Mehrheit haben.
Nach dem Missbrauch des Reichsrundfunks als Propagandaapparat der Nazis ist der Rundfunk nach 1945 in die Kulturhoheit der Bundesländer gegeben und der gesellschaftlichen Kontrolle durch Rundfunkräte unterworfen worden.
Neben dem Recht, Intendanten zu wählen und Haushalte zu beschließen, haben die in den Rundfunkräten versammelten Repräsentanten der Gesellschaft einzig und allein dafür zu sorgen, dass der Rundfunk offen bleibt für alles, was in der Gesellschaft geschieht und die Bevölkerung umfassend, sachgerecht und wahrheitsgemäß informiert.
Deshalb sind die Mitglieder der Rundfunkräte an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und können von den sie entsendenden Gruppen auch nicht abberufen werden.
Der Hessische Landtag hat 1948 mit den Stimmen von CDU und Liberalen beschlossen, nur Gruppen in den Rundfunkrat aufzunehmen, die „eine wirkliche Vertretung der gesamten Öffentlichkeit darstellen“. Ausdrücklich ausgeschlossen wurden Vertreterinnen berufsständische oder sonstiger Partikularinteressen.
Mit der Begründung, den Rundfunkrat zeitgemäß zusammenzusetzen, wollen CDU und FDP nun genau die Interessengruppen im Rundfunkrat haben, die 1948 auch von ihnen ausgeschlossen worden sind.
Wieso sollen aber im Jahre 2000 beispielsweise der Bund der Vertriebenen, der Deutsche Beamtenbund, der Bauernverband, die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern zeitgemäßer sein als 1948?
Außerdem sollen jetzt nach dem Willen von CDU und FDP die Mitglieder des Rundfunkrates jederzeit von den sie entsendenden Gruppen ohne Angaben von Gründen abberufen werden können.
Damit wollen CDU und FDP jetzt zum ersten Mal in einem Rundfunkgesetz in der Bundesrepublik das imperative Mandat für Rundfunkratsmitglieder einführen – in eklatantem Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Die wahren Motive der hessischen Landesregierung hat der Regierungssprecher Dirk Metz in einer medienpolitischen Diskussionsveranstaltung der hessischen CDU am 22. August 2000 in Idstein in schöner Deutlichkeit benannt, als er das Verhalten der elektronischen Medien – sprich die Berichterstattung des Hessischen Rundfunks – während der CDU-Finanzaffäre anprangerte.
Die Delegierten des außerordentlichen Gewerkschaftstages der IG Medien 2000 in Bielefeld halten es für einen Skandal, dass ausgerechnet in einer Zeit ausuferndem Rechtsradikalismus, in der ein offener und demokratischer Rundfunk notwendiger ist denn je, den Rechtsradikalen vorgemacht wird, mit welcher Selbstverständlichkeit die Parteien ein öffentliches Gut zu ihrer Beute machen wollen.
Der außerordentliche Gewerkschaftstag fordert die hessische Landesregierung auf, ihren Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über den Hessischen Rundfunk zurückzuziehen.
Er appelliert an die hessische Bevölkerung, sich gegen diesen dreisten Akt der Enteignung mit allen demokratischen Mitteln zur Wehr zu setzen.
Denn die hessische Bevölkerung bezahlt den Hessischen Rundfunk mit ihren Gebühren, damit er Sache der Allgemeinheit bleibt und die Meinung der Herrschenden nicht zur herrschenden Meinung wird.
Beschlossen auf dem a.o. Gewerkschaftstag der IG Medien, 8./9.September 2000 in Bielefeld