Kamermann Stefan Nowak war in Libyen und vor der Küste Mosambiks unterwegs
Nein, keineswegs sei er nur in der Krisenberichterstattung tätig. Sagt Stefan Nowak, sonst ein ruhiger und nachdenklicher Mann, energisch. Er legt Wert darauf, seinen Beruf als Kameramann vielseitig wahrzunehmen. Kürzlich war der Freelancer für die private Sendergruppe RTL, NTV, Vox und RTL 2 in Libyen. Er hat über den Befreiungskrieg der Rebellen für die Nachrichten und das RTL-Nacht-Journal berichtet. Zu Tsunami, Erdbeben und Atomkatastrophe hat er Bilder aus Japan geliefert.
Doch dann ist er wieder für das ZDF mit der Kamera unterwegs: Drei Wochen lang mit einer Expedition vor der Küste von Mosambik oder er dreht Bilder im Zoo von Teneriffa für die Dokusoap-Reihe „Palmen, Papageien & Co“.
Nicht aus der Perspektive des Abenteurers
Er hat Bootsführerscheine, taucht, dreht auch unter Wasser. Und wenn der Hubschrauber keine Kameramontierung hat, setzt er sich auf die Kufe und filmt. Der 49-Jährige ist in seinem Job ein alter Hase, und kann auf die Ausbildung eines renommierten Lehrmeisters zurückgreifen. 1995 hatte er seinen Job als Fotograf beim Tagesspiegel gekündigt und als Assistent des französischen Journalisten und Kameramanns Jean-Claude Ramigé das Handwerk gelernt. „Du kannst nicht nur Geschichten über den Krieg machen, sonst kommst Du komisch drauf“, habe dieser ihn beim Dreh über den Bosnien-Krieg gelehrt, als sie gemeinsam im Landrover nach Sarajevo unterwegs waren: Wichtig sei die Mischung.
Nach Nowaks Erzählungen hört sich das Metier des Kriegsreporters anders an, als man sich das landläufig vorstellt. Auch er kennt jene Nächte in Hotelbars in Kriegsgebieten, wenn es in der Dunkelheit zu gefährlich ist, sich noch mal auf den Weg zu machen. Wenn beim Zusammensitzen unter Kolleginnen und Kollegen abends der Anblick verbrannter Leichen, zerfetzter Körperteile, trauernder Überlebender verarbeitet wird. Wenn die Anspannung der Gefahr sich langsam löst, möglicherweise selber nur kurz dem Anschlag eines Heckenschützen entkommen zu sein. Manchmal falle dann nur ein Satz: „Es war scheiße“ – und jeder wisse, was gemeint ist. All das hat Nowak selber erlebt und gesehen. Oft genug sei er in Situationen geraten, schnell begreifen zu müssen, wann die Stimmung kippt, um sich dann zu entscheiden, abzuhauen. Gut findet Nowak, dass es dann Kollegen gibt, die er liebevoll Ersatzfamilie nennt. In Libyen habe er manchmal seine Abende im Hotel nur mit seinem Stringer – so nennt man ortskundige Dolmetscher, die Journalisten mit ihrem Wissen und ihren Verbindungen im Krisengebiet behilflich sind – und arabischen Kollegen beim Tee verbracht. Und viel erfahren: Beispielsweise dass der Krieg hätte verkürzt werden können, wenn die westlichen Länder den Öl-Kauf bei Muammar al Gaddafi eingestellt hätten, so dass dieser kein Geld für Waffen und Söldner hätte ausgeben können.
Nowak sieht seinen Job in Krisengebieten nicht aus der Perspektive des Abenteurers. Er hat in zwei Instanzen um die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gekämpft – und dann Zivildienst gemacht. Er will sich vor Ort von der Wahrheit überzeugen und diese übermitteln: „Wenn es einen Gott gibt, der Grausamkeiten des Krieges zu verantworten hat, so kann ich nur Atheist sein“, sagt er.
In Libyen hätten die gegen den Diktator Gaddafi kämpfenden Rebellen ihn mit Achtung behandelt und mit Essen versorgt. Klempner, Studenten, Professoren, kurz der Querschnitt der Bevölkerung habe hier zur Waffe gegriffen, um sich vom Joch der Diktatur zu befreien. Sie wissen, dass ausländische Journalisten ein hohes Risiko eingehen, um über den Freiheitskampf zu berichten. Es gibt natürlich mitunter auch andere Erlebnisse: Britische Kollegen seien von jüngeren Rebellen festgenommen und geschlagen worden. Angst habe er jedoch nicht, die lähme bloß, erklärt Nowak. Die Arbeitsbedingungen müssten aber stimmen: Ein Team, dem man vertrauen kann und die Freiheit, jederzeit abrechen können, wenn man sich nicht sicher fühle.
Engagiert sich für Kollegen
Dann leitet Nowak zu einem anderen Thema über. Er liebt es, Geschichten zu erzählen, und kann es. „Reisen bildet“, sagt er. So habe er beispielsweise die Hierarchie der Armut kennengelernt. Im Vergleich zu Slumbewohnern in Haiti sei ein Hartz IV-Bezieher hierzulande quasi reich: „Er hat eine Wohnung, einen Fernseher, muss nicht auf der Straße leben“. Nowak ist geradlinig. Schon mit 15 Jahren, habe er gewusst, dass er Dokumentarkameramann werden wollte. Mit Vorbildern der Auslandskorrespondenz sei er aufgewachsen – und klassischen Dokumentarfilmern wie Georg Stefan Troller. Nowak hat sich früh politisiert und ist in den Journalismus eingestiegen. Für das Kölner Volksblatt hat er ehrenamtlich Artikel über Hausbesetzer, Themen aus der Arbeitswelt oder in Deutschland lebende Migranten bebildert.
Nowak hat Überzeugungen, ist uneitel, und sich für manche Presseanfrage einfach zu schade. Es muss in so einem Fall schon um etwas gehen. Als Vorstandssprecher des ver.di-Filmverbandes West engagiert er sich für seine Kollegen. Gerade für Freiberufler sei es wichtig, miteinander zu kommunizieren, damit es keine Preisdrückereien gibt und man sich nicht gegeneinander ausspielen lässt. In der Fernsehbranche gehe es mitunter „härter als auf einem orientalischen Basar“ zu. Nowak lamentiert nicht, sondern löst solche Probleme ganz cool: „Lieber mit dem Preis erstmal rauf gehen, und sich dann runterhandeln lassen“. Seine Empfehlung: „Rede mit deinen Kollegen über Arbeitsbedingungen und Preise, damit diese nicht ins Bodenlose abrutschen.“ Und: „Schön billig ist nun mal kein Qualitätsmerkmal!“