Schieflage auf dem Marktplatz Urheberrecht

Die Gesetzgeber befassen sich mit Reformen des Urheberrechts. Auf europäischer Ebene deuten sich erste Ansätze eines Urhebervertragsrechts nach deutschem Vorbild an. Dass das Urheberrecht „fit gemacht“ werden solle für das digitale Zeitalter, fordern viele. Braucht es ein gründliches Update? Tut es wirklich Not, das Urheberrecht an die „digitale Gesellschaft“ anzupassen?

Valentin Döring Rechtsanwalt und Jurist im ver.di-Fachbereich Medien, Kunst und Industrie, zuständig für Urheberrecht Foto: Murat Türemis

In Deutschland soll durch Veränderungen des Urhebervertragsrechts Urhebern die Durchsetzung bereits bestehender Rechte erleichtert werden. Gleichzeitig kommen wohl national und aus Brüssel Regelungen, die die Möglichkeit der Beteiligung von Verlegern an Einnahmen von Verwertungsgesellschaften enthalten. Das bisher in Deutschland ökonomisch nicht wirksam gewordene Leistungsschutzrecht für Presseverleger soll jetzt auf die EU-Ebene gehoben werden. Die nationalen wie die europäischen Vorschläge treffen dabei auf massiven Widerstand: Vehement fordern Verwerter, Verbraucher und die Vermittler zwischen beiden, dass das Urheberrecht „einfacher, schlanker und flexibler“ werden müsse. Vor allem sollte der Fokus des Gesetzgebers korrigiert werden.

Denn bei den Diskussionen kommt vor allem eine Gruppe zu kurz: die der Urheberinnen und Urheber. Auf europäischer Ebene überlagern im veröffentlichten Richtlinienentwurf die Regelungen zu Gunsten der Verwerter die Verbesserungen der Urheberposition. Gegen diese Stärkung der Unternehmerseite laufen bereits Verbrauchervertreter und „Netzgemeinde“ Sturm. Die Lage und Rolle der Kreativen bleibt beinahe außen vor. Warum ist das so? Vielleicht weil viel Geld aktuell am klassischen Markt vorbeifließt. Verbraucher vermitteln sich wechselseitig Inhalte. Die Plattformen sind dabei unentgeltlich und ermöglichen rechtlich gesehen als Hostprovider nur die Aktivitäten der Konsumenten. Sie fungieren wie Marktplatzbetreiber, auf deren Grund eine Art Tauschbörse abgehalten wird. Wer mit wem was tauscht, dafür sind sie rechtlich nicht verantwortlich.

Vom analogen zum digitalen Marktplatz

Auch wenn auf den ersten und vielleicht auf den zweiten Blick das Internet alles verändert, zeigt die juristische Erfahrung, dass die „digitalen“ Sachverhalte mit den bestehenden Regeln und Gesetzen größtenteils in den Griff zu bekommen sind. So resümiert Professor Dr. Florian Faust in seinem Gutachten: „Digitale Wirtschaft ‑ Analoges Recht ‑ braucht das BGB ein Update?“ für den deutschen Juristentag 2016: „Es hat sich erwiesen, dass es kein grundlegendes ,Update´ braucht, sondern dass lediglich punktuelle neue Regelungen erforderlich sind, um den Anforderungen des Internetzeitalters gerecht zu werden.“ Dieser Grundsatz trifft auch auf das Urheberrecht zu, das nicht selbst das Problem ist, sondern dessen Anwendung und Durchsetzung.

Das Urheberrecht ist im Grunde sehr einfach. Es entsteht beim Urheber, ist unübertragbar und bleibt lebenslang bei diesem. Kulturschaffende können lediglich Rechte zur Nutzung ihrer Werke einräumen. Derjenige, der sich nicht sicher ist, ob er das Werk nutzen darf, dürfte die Erlaubnis in den allermeisten Fällen nicht haben. Wer hingegen für die Nutzung eines Werkes ein Entgelt entrichtet, ist regelmäßig auf der rechtssicheren Seite, weil die Rechte im Rahmen der Verwertungskette geklärt wurden. Diese Faustregel behält auch im digitalen Zeitalter ihre Gültigkeit. Dennoch hat sich etwas verändert: Zwar werden so viele Inhalte konsumiert wie nie zuvor, die Urheberin und ausübenden Künstler profitieren jedoch ökonomisch nicht von der gestiegenen Nachfrage. Also läuft für sie etwas schief!

Die Schieflage resultiert nicht zuletzt daraus, dass für Nutzungen im Internet selbst nicht bzw. nicht mit Geld bezahlt wird. Dort werden massenhaft urheberrechtlich geschützte Inhalte verfügbar gemacht, geteilt, gemixt, verknüpft und dabei bewertetet und verwertet. Dabei verschwimmen jedoch die Rollen der Beteiligten: Wer ist Konsument, wer Anbieter? Ab wann wird der Verbraucher selbst zum Urheber, und wo ist der Verbraucher selbst das verkaufte Produkt? Das Anschauen eines Films, das Lesen eines Artikels im Netz wird selten mit Geld bezahlt. Dennoch verdienen Unternehmen Unsummen mit Werbung und Daten. Sind Daten somit das viel zitierte „Öl der digitalen Gesellschaft“, sind sie ein Geldsurrogat und somit die Währung oder sind sie beides? Urheber werden wenig bis gar nicht an den Umsätzen beteiligt.

Wer ist verantwortlich beim Handel mit digitalen Inhalten?

Um dem abzuhelfen gibt es zwei Wege: Entweder die Marktplatzbetreiber werden als Werkmittler – wie Rundfunksender oder Verlage – voll in die rechtliche Verantwortung oder zumindest in die finanzielle Verantwortung gebracht. Konsequenter wäre eine klare Zuordnung der Verantwortlichkeit. Als Vorbild für die finanzielle Verantwortung könnte die Lösung dienen, die der Gesetzgeber für das private Kopieren gefunden hat. Mit der Entwicklung von Kopiergeräten und Speichermedien wurde klar, dass es niemandem zuzumuten ist, vor jeder Kopie und vor jedem Speichervorgang um Erlaubnis zu ersuchen. Deswegen wurde das Verbotsrecht der Urheberinnen und Urheber beschränkt: Das private Kopieren und Speichern ist erlaubt, es muss jedoch ein Entgelt entrichtet werden. Diese Entgelte sind bei jedem Kopiergerät und bei jedem USB-Stick im Preis enthalten. Schuldner der Vergütung sind die Hersteller und Importeure. Die Verwertungsgesellschaften treiben von diesen die Ansprüche der Urheber ein und verteilen das Geld auf die Kreativen. Da technisch gesehen jeder Stream und jeder Up- und Download eine Vervielfältigung im urheberrechtlichen Sinne darstellt, wären hierfür lediglich punktuelle neue Regelungen erforderlich.

Urheber stehen im „digitalen“ Marktplatz Urheberrecht – unberührt von der sonstigen Vermischung der Rollen – weiterhin am Anfang der Wertschöpfungskette und müssen somit der zentrale Ansatzpunkt einer jeden urheberrechtlichen Regelung sein. Begleitet werden müssen inhaltsbezogene Regelungen durch das jeweils geltende und ebenfalls oftmals ignorierte Datenschutzrecht. Bei der ‑ strengst möglich vorzunehmenden ‑ Regulierung ist zusätzlich festzulegen, wie sich die im Spiel befindlichen Werte taxieren lassen. Wenn dann Datenschutz und Urheberrecht durchgesetzt werden, wird das eine Win-Win-Situation für Urheber und Verbraucher. Deren Rollen werden dann auch wieder klarer und sie werden nicht mehr von Verwertern und Vermittlern gegeneinander ausgespielt.

 

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