Anlasslose Speicherung von Vorratsdaten ist EU-rechtswidrig

Justitia Foto: Hermann Haubrich

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Urteil vom 21.12.2016 die anlasslose Vorratsdatenspeicherung in der Europäischen Union (EU) gekippt. Wie mehrere Presseagenturen berichten, dürften demnach Telekommunikationsanbieter nicht dazu verpflichtet werden, persönliche Nutzerdaten zu speichern, da sich selbst aus Verbindungsdaten „sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der Personen“ ziehen ließen. Ausnahmen seien lediglich zur Bekämpfung schwerer Straftaten möglich. Die Daten müssen dazu innerhalb der EU gespeichert werden. Behörden bekommen nur dann Zugriff auf die Vorratsdaten, wenn ein Gericht oder eine andere unabhängige Institution sie dazu berechtigt hat.

Wie der EuGH zudem erläutert habe, müssten die EU-Staaten die Überwachung auf Personenkreise begrenzen, „deren Daten geeignet sind, einen zumindest mittelbaren Zusammenhang mit schweren Straftaten sichtbar zu machen“.

In Deutschland ist die Vorratsdatenspeicherung durch ein im Dezember 2015 beschlossenes Gesetz geregelt. Sie würde mit Wirksamwerden der Speicherpflicht am 01. Juli 2017 die Speicherung von Telefonnummern, IP-Adressen und Standortdaten ermöglichen. Der Verein Digitalcourage e.V., der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) und weitere Prominente und Aktivist_innen, darunter der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske, hatten am vergangenen 28. November in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung eingereicht. Das Urteil des EuGH könnte nun dazu führen, dass die Vorratsdatenspeicherung auch in Deutschland wie bereits im Jahr 2010 erneut durch das Bundesverfassungsgericht gekippt wird. Der Verein Digitalcourage teilt mit, dass das EuGH-Urteil nach seiner Einschätzung und der seines Anwalts Meinhard Starostik das Aus für das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung bedeute. „Das Urteil des EuGH setzt klare Grenzen, die das deutsche Gesetz bereits bei der Erhebung der Daten überschreitet“, sagte Starostik, der die Beschwerdeführer_innen vor dem Bundesverfassungsgericht vertritt. Und Volker Tripp, politischer Geschäftsführer des Vereins Digitale Gesellschaft, erklärte: „Gesetze der Mitgliedstaaten, die eine anlass- und uferlose Bevorratung von Kommunikationsdaten vorschreiben, sind mit dem EU-Recht unvereinbar und müssen aufgehoben werden. Nun muss auch Deutschland reagieren und die erst im vergangenen Jahr verabschiedete Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung ein für allemal auf den Müllhaufen der Geschichte verbannen.“

***Aktualisiert am 21.12.2016 um 15:31 Uhr***

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