Ein wenig staatsferner

ZDF-Staatsvertrag sorgt für etwas mehr Transparenz und Vielfältigkeit der Gremien

Nachdem das Bundesverfassungsgericht im letzten Jahr den ZDF-Aufsichtsgremien die nötige Staatsferne abgesprochen hatte, waren die Länder aufgefordert, den ZDF-Staatsvertrag zu überarbeiten. Das Ergebnis ihres Entwurfs: Die Gremien sollen vielfältiger, transparenter und frei von Parteienvertretern werden – Regierungsvertreter dürfen aber weiter mitmischen.

Karikatur: toonpool / Kostas Koufogiorgos
Karikatur: toonpool / Kostas
Koufogiorgos

Eine „kleine“ Entscheidung mit großer Wirkung: Als Ende 2009 eine vom damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch organisierte Mehrheit im ZDF-Verwaltungsrat beschloss, den Vertrag von Chefredakteur Nikolaus Brender nicht zu verlängern, löste das ein öffentliches Erdbeben aus. Den Vorwurf, das ZDF sei staatsnah und die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt fraglich, wollten Teile der Politik am Ende jedoch nicht auf sich sitzen lassen. Nach langem Tauziehen reichten Rheinland-Pfalz und Hamburg Normenkontrollklage gegen den ZDF-Staatsvertrag ein.
Das Verfassungsgericht fällte daraufhin im März 2014 ein Urteil, dem es an Klarheit nicht mangelte: Mit der Vielfaltssicherung im Fernsehrat und Verwaltungsrat des ZDF sei es nicht weit her, da die staatliche Sphäre weit mehr als ein Drittel der Stimmen auf sich vereine und zudem eine Sperrminorität erreiche. Der ZDF-Staatsvertrag sei dahingehend verfassungswidrig. Dabei kam Karlsruhe jedoch zu teilweise anderen Schlüssen, als sich viele gewünscht hätten: Hatten beispielsweise ver.di und der DGB den generellen Ausschluss von Regierungsmitgliedern aus den ZDF-Gremien gefordert, dürfen diese nach dem Willen des Gerichts weiter vertreten bleiben – sofern der Anteil der Vertreter der „Staatsbank“ (Bundesregierung, Landesregierungen, Spitzenbeamte, Parlamentarier etc.) nicht mehr als ein Drittel beträgt.

Exekutive weiter vertreten

Wenig überraschend ist nun, dass die Länderchefs bei der Überarbeitung des Staatsvertrages genau davon Gebrauch machen. In ihrem Ende Januar veröffentlichten Entwurf bleibt in Sachen Regierungsvertreter alles beim Alten: Obwohl der Fernsehrat deutlich kleiner wird (von 77 auf 60 Sitze), sollen auch künftig die 16 Länder mit je einem Vertreter mit am Tisch sitzen; die Zahl der Vertreter der Bundesregierung wird von drei auf zwei reduziert. Der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke kritisierte, dass die ZDF-Gremien damit auch künftig nicht so regierungsfern seien, wie es möglich wäre. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Landesregierungen vertreten bleiben sollen, obwohl sie es sind, die die Rundfunkpolitik in Deutschland maßgeblich bestimmen. Ebenso unverständlich ist, warum die Bundesregierung in einer Anstalt der Länder weiter Sitze innehaben soll“, so Werneke. In ihrer schriftlichen Stellungnahme weist ver.di zudem darauf hin, dass anstelle von Exekutivvertretern Parteienvertretern ohne Regierungsfunktion Sitze zustünden, um die Parteienvielfalt ausreichend widerzuspiegeln. Die Länder sahen das anders: Die bisherigen zwölf Parteiensitze sollen ersatzlos gestrichen werden.
Ebenso soll ver.di eines von bisher zwei Mandaten im Fernsehrat abgeben. Aus Sicht der Organisation „nachvollziehbar“, wie es heißt, um Platz für bisher nicht vertretene Gruppen zu schaffen. Dennoch sei die Streichung von Doppelmandaten keineswegs konsequent erfolgt, da Evangelische und Katholische Kirche als einzige Institutionen ihre jeweils zwei Sitze behalten sollen. ver.di und DGB kritisieren zudem, dass der Staatsvertragsentwurf keinen festen Sitz mit Stimmrecht für Arbeitnehmervertreter im Verwaltungsrat vorsehe; bisher gibt es nur die gelebte Praxis ihrer Teilnahme. „Damit enthalten die Länderchefs dem ZDF vor, was bei mehreren ARD-Sendern längst Standard ist“, erklärte Werneke. Dennoch sei an dem Entwurf nicht alles schlecht: So dürfen künftig die Organisationen ihre Vertreter selbst benennen – bislang konnten sie nur Vorschläge machen. Und auch für mehr Transparenz wird gesorgt: Fernsehratssitzungen sollen grundsätzlich öffentlich sein, Tagesordnungen und Zusammenfassungen ins Netz gestellt werden.

Sechzehn „Körbe“

Mehr gesellschaftliche Vielfalt soll es künftig durch die sogenannten „Körbe“ geben: Danach entsenden die 16 Länder jeweils einen Vertreter aus einem ihnen zugeordneten gesellschaftlichen Bereich in den Fernsehrat, zum Beispiel „Jugend“ aus Baden-Württemberg oder „Internet“ aus Berlin. Immerhin: Mit der Aufnahme der Bereiche „Migranten“ (aus Hessen) und „Muslime“ (aus Niedersachsen) wird das Gremium ein Stück weit zeitgemäßer – wie mehrere Verbände, darunter auch ver.di, gefordert hatten. Dennoch stößt die Auswahl der Bereiche nicht überall auf Lob: Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) kritisiert, dass dieser Lebensbereich nach wie vor ausgeklammert wird. Der Journalistinnenbund beklagt eine fehlende Frauenvertretung. Kritik kommt auch von Bündnis 90/Die Grünen: Die Länder hätten die Chance vertan, den Fernsehrat zu modernisieren, so Tabea Rößner, medienpolitische Sprecherin im Bundestag. Zum Beispiel dürfe der Bund der Vertriebenen seinen Sitz behalten. „Wir hätten uns eine unabhängige Kommission gewünscht, die Kriterien ausarbeitet, nach denen die Plätze besetzt werden.“ Eine solche Kommission wird es nicht mehr geben, denn das Zeitfenster ist eng. Bis Ende Juni hat das Gericht den Ländern Zeit gegeben, den ZDF-Staatsvertrag zu überarbeiten. Bevor er in Kraft treten kann, muss er einstimmig durch alle Landesparlamente.

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