Von der Oktoberrevolution bis zur Arabellion: immer wieder haben sich Filme mit geglückten und gescheiterten Aufständen befasst und sie haben sie nicht selten mit dem hohen Pathos vermeintlicher historischer Überlegenheit formuliert. Was lässt sich aus diesen Filmen lernen? „Filmgeschichten: Revolution“ ist der Titel eine Filmreihe, die vom Kölner Filmforum e.V. veranstaltet und sich über das Jahr 2017 erstrecken wird.
Zwölf Filme werden gezeigt. Am 16. März startet die Reihe mit der Urmutter der revolutionären Filme, mit Sergej Eisensteins „Oktober“ – ein Film, der in seiner Geschichte diverse Wandlungen durchlaufen hat. In Köln zu sehen ist die HD-Restaurierung des Münchner Filmmuseums mit einer vom Rundfunksymphonieorchester Berlin eingespielten Musikfassung. Über die Bedeutung von „Oktober“ findet nach der Aufführung ein Gespräch mit Dominik Graf statt.
Das, wenn man so will, deutsche Pendant dazu ist „Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt“ von 1932, an dem Bertolt Brecht, Hanns Eisler, Ernst Busch und Slatan Dudow gearbeitet haben. Es ist eines der seltenen Beispiele eines unmittelbar politisch intendierten Films, in dem sich die schwache Hoffnung auf eine kommunistische Revolution in Deutschland manifestiert. In die Filmgeschichte eingegangen ist jene Szene in der S-Bahn: Bei der Rückfahrt von einem proletarischen Sportfest erregt sich ein Bürgerlicher über die revolutionär gestimmten Arbeiter mit „Wer soll denn die Welt ändern?“ und holt sich die Antwort ab: „Die, denen sie nicht gefällt“. Dass historisch diese Antwort leider von rechts gegeben wurde, tut dem Pathos aus heutiger Sicht nicht wirklich gut.
Am Ende führt die Filmreihe in die Gegenwart: zum bildgewaltigen Filmepos „Maidan“ von Sergej Loznitza und „In the last days oft he City“ von Tamer El Said, der die Stadt Kairo vor den revolutionären Tagen auf dem Tahrir betrachtet.
Keine Einbahnstraße, aber ein Möglichkeitstraum?
Zwei Themen bieten sich bei diesen Filmen an. Erstens erlauben sie einen historischen Blick auf Aufstände und Erhebungen, erinnern daran, dass Geschichte nie die Einbahnstraße war, als die sie heute vielen erscheint. Und sie stellt zweitens Fragen, die sich dem politischen Film auch heute stellen, wenn auch unter anderen Bedingungen: Wie wirkmächtig sind Bilder? Welchen Einfluss haben sie auf den Ablauf von Ereignissen? Ist das Kino ein Möglichkeitsraum, in dem Träume der Veränderung vorgeträumt werden?
Einen simplen Kanon über Politik und Film wird die Reihe freilich nicht liefern. Das Interessanteste dürfte das Wiedersehen sein, die Wiederbegegnung aus heutigem Blick mit heutiger politischer Perspektive und vor dem Hintergrund gegenwärtiger Ästhetik. Die Filme sind mit ihren besonderen Entstehungsbedingungen verbunden, antworten auf unterschiedliche gesellschaftliche, politische und auch kulturelle Fragen. Die Aufführungen sind jeweils mit filmhistorischen Einführungen geplant. Und so gehört auch der europäische Autorenfilm als eine Variante des Verhältnisses von Politik und Gesellschaft in diese Reihe, die auch verbunden ist mit der Aufbruchsstimmung der 68er-Studentenbewegung. Man erinnert sich an das Diktum von Jean-Luc Godard, es komme nicht darauf an, politische Filme zu machen, sondern die Filme politisch. Aus dieser Gruppe sind in der Reihe Filme von Michelangelo Antonioni, Jean-Luc Godard und Chris Marker vertreten.
Wiedersehen mit fast Vergessenem
Wahrscheinlich am interessantesten dürfte die Wiederbegegnung mit Filmen aus der „Dritten Welt“ sein, wie damals die politische Begrifflichkeit lautete. Interessant auch, weil diese Werke zwar in die Filmgeschichte eingegangen, aber aus dem Filmgedächtnis, jedenfalls hierzulande, weitgehend verschwunden sind. So etwa der sowjetische Film „Soy Cuba“ von Michael Kalatosow (1964), eine Hymne auf die kubanische Revolution (es ist vielleicht eine kleine Volte, dass einer der jüngeren Dokumentarfilme aus Kuba so ähnlich heißt, „Somos Cuba“ und ein Abgesang auf die kubanische Revolution ist).
Zu den Versprechungen dieser Reihe gehört sicher die Wiederbegegnung mit Glauber Rocha, dem Begründer des Cinema Novo in Brasilien. Er war Ende der 1950er Jahre angetreten, gegen das im Land dominierende Hollywood-Kino eine eigene Form der filmischen Erzählung zu etablieren. Wir treffen ebenso auf den Film „Ceddo“ des senegalesischen Schriftstellers und Regisseurs Oumane Sembène, der sich mit der Geschichte des Kolonialismus und der Kritik an der afrikanischen Bourgeoisie befasst. Und wir können Gillo Pontecorvos Film „Schlacht um Algier“ neu erleben. Der Film handelt vom algerischen Unabhängigkeitskrieg und steht in der Tradition des italienischen Neorealismus. Terror und Gegenterror kommen schonungslos zur Sprache. Ein besonders interessantes Wiedersehen, scheint doch in der Gegenwart, wenn auch unter ganz anderen medialen Bedingungen, eine Renaissance des realistischen Filmemachens möglich.