Transparenz per Gesetz

Gute Beteiligung in Rheinland-Pfalz – Sendepause in Baden-Württemberg

Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg arbeiten derzeit beide an einem Transparenzgesetz, das den Zugang zu Verwaltungsinformationen vereinfachen soll. Doch während die rot-grüne Landesregierung unter Malu Dreyer dafür einen breiten öffentlichen Beteiligungsprozess mit klarem Zeitplan nutzt, kommt das Projekt ausgerechnet im grün-rot regierten Baden-Württemberg nicht voran.

Foto: / Karikatur: Gerhard Mester

Baden-Württemberg gehört zu den fünf verbliebenen Bundesländern ohne Informationsfreiheitsgesetz. Es gibt somit im Südwesten keinen allgemeinen Anspruch der Bürger und der Journalisten, Zugang zu Akten der Verwaltung zu erhalten. Zwar können sich die Medienvertreter auf das Landespressegesetz berufen. Doch dem kommt die Pressestelle in der Regel durch eine mündliche Auskunft am Telefon nach, nicht durch Akteneinsicht oder Zusendung von Kopien. Die Einführung eines Informationsfreiheitsgesetzes ist im Koalitionsvertrag in Baden-Württemberg verankert. Aber vier Jahre später liegt noch nicht mal ein Referentenentwurf als Diskussionsgrundlage vor – und der Sprecher des SPD-geführten Innenministeriums wagt auch keine Prognose, wann sein Haus etwas präsentieren kann. Es sieht daher so aus, als ließen sich die Grünen, die eigentlich mit dem Versprechen von Transparenz und Bürgerbeteiligung angetreten sind, von einem eher unwilligen Koalitionspartner ausbremsen. Mittlerweile wird es daher immer fraglicher, ob ein so weitreichendes Reformprojekt in dieser Legislaturperiode, die in einem Jahr endet, überhaupt noch abgeschlossen werden kann.
Dabei sind die Grünen den Gegnern der Transparenz im Südwesten schon sehr weit entgegen gekommen – zu weit, wie Journalistenorganisationen und Bürgerrechtsverbände finden: Die Eckpunkte der Landesregierung für einen Gesetzentwurf fallen eher restriktiv aus. Sie enthalten breite Ausnahmeklauseln, etwa zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, die absolut gesetzt werden, ohne Abwägung mit dem öffentlichen Interesse, wie es eigentlich Standard ist. Auch die Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft und die Landesbanken sollen pauschal ausgeklammert werden. Durch die Möglichkeit für die Kommunen, kostendeckende Gebühren zu erheben, wird der Verwaltung nach diesen Plänen zudem ein Weg eröffnet, unliebsame Fragesteller mit der Gebührenkeule abzuschrecken. Vor allem aber sollen die aktiven Veröffentlichungspflichten, die die Behörden zwingen, von sich aus Unterlagen ins Netz zu stellen, so schwach geregelt werden, dass der Nutzen gering sein dürfte.
Wie man ein Transparenzgesetz auch anders auf den Weg bringen kann, demonstriert zeitgleich Rheinland-Pfalz. Dort gibt es zwar schon ein Informationsfreiheitsgesetz. Aber es hat Schwächen und wird nun in der Koalition mit den Grünen zu einem Transparenzgesetz in Anlehnung an die fortschrittlichen Regelungen in Hamburg weiterentwickelt. Ähnlich wie im Norden sollen bald auch in Rheinland-Pfalz viele Informationen der Verwaltung automatisch in einem Transparenzregister im Internet veröffentlicht werden, zum Beispiel alle Verträge der öffentlichen Hand sowie Gutachten und Studien. „Die Entscheidungen von Politik und Verwaltung sollen nachvollziehbarer werden. Dadurch verbessert die Landesregierung die Möglichkeiten zum Mitreden und Mitgestalten“, versprach Ministerpräsidentin Dreyer beim Start eines breit angelegten Beteiligungsverfahrens zur Gesetzeseinführung. Alle Bürger und Verbände können den Referentenentwurf online nachlesen und auf einer eigenen Plattform kommentieren. Begleitend fanden in den letzten Wochen Bürgeranhörungen und Diskussionsveranstaltungen statt, die auch im Netz dokumentiert sind. Ab Juni sollen sich dann die Parlamentarier mit dem Gesetzentwurf befassen.
Noch weist der Entwurf eine Reihe von Schwächen auf, denn die Kommunen bleiben von der aktiven Veröffentlichungspflicht ausgeklammert und müssen nur auf Antrag ihre Informationen freigeben. Auch die Handwerkskammern blieben nach derzeitigem Stand außen vor, genauso wie der Landesrechnungshof. Ein zivilgesellschaftliches Bündnis aus netzwerk recherche, dju in ver.di und Deutschem Journalistenverband zusammen mit mehreren Bürgerrechtsorganisationen hat daher bereits Nachbesserungen gefordert.
Warum es in Rheinland-Pfalz besser vorangeht als in Baden-Württemberg, hängt sicherlich auch mit dem Engagement auf höchster Ebene zusammen: Ministerpräsidentin Dreyer hat die Transparenzoffensive zu ihrem persönlichen Anliegen gemacht und stellt sich bei den öffentlichen Veranstaltungen der Diskussion. Von ihrem Amtskollegen Winfried Kretschmann hört man bisher wenig zu diesem Thema. Die Gegner der Transparenz, die es in der Verwaltung zahlreich gibt, haben es daher leicht, im Südwesten auf Zeit zu spielen und auf das Ende der Legislaturperiode zu warten.

Mehr zum Thema:

http://www.datenschutz.rlp.de/infofreiheit/
https://netzwerkrecherche.org/blog/informationsfreiheitsgesetz-baden-wuerttemberg-eckpunktepapier-der-landesregierung-laesst-nichts-gutes-ahnen/
http://www.hohenlohe-ungefiltert.de/?p=18819

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

ARD schützt ihre Inhalte vor KI

Die ARD hat ihren Umgang mit Anbietern von KI geändert. Seit Ende Mai dürfen Unternehmen wie etwa Open AI, Perplexity oder Google (Gemini) Inhalte aus den Online-Angeboten der ARD nicht mehr nutzen, um damit ihre KI-Systeme zu trainieren. Das bestätigte der Senderverbund auf Nachfrage. Die ARD hat nun in ihre Webseiten einen sogenannten maschinenlesbaren Nutzungsvorbehalt technisch eingebaut. Damit wird KI-Crawlern signalisiert, dass sie die Inhalte dieser Angebote nicht verwenden dürfen.
mehr »

Rechtes Rauschen im Blätterwald

Ob Neuerscheinungen, Zusammenlegungen, Relaunches oder altgediente rechte Verlage: Was die Periodika der Neuen Rechten, ihrer Parteien, Organisationen oder auch einflussreicher kleinerer Kreise anbetrifft, lässt sich gerade angesichts des rechtspopulistischen Aufschwungs der letzten etwa 20 Jahre viel Bewegung ausmachen.
mehr »

Rechtssicherer Einsatz von KI

Die Bundesländer wollen den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Medienaufsicht rechtssicher machen. Vorgesehen sei, im Medienstaatsvertrag eine gemeinsame Regelung einzufügen, „die einen klaren Rahmen für den bundesweiten Einsatz technischer Hilfsmittel in der Aufsicht schafft“, erklärte NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU). Zu den Regelungsentwürfen ist am 23. Juni 2025 eine öffentliche Anhörung gestartet worden.
mehr »