Perus Mediensektor ist in den Händen weniger konzentriert. Das hat massive negative Effekte. Nicht nur, weil die Familienclans, die die großen Medienhäuser wie „El Comercio“ kontrollieren, ihre eigenen Interessen verfolgen, sondern auch, weil sie an Glaubwürdigkeit verloren haben. Fundierte Kritik kommt aus dem In- und Ausland.
Auf dem Schreibtisch von Gustavo Gorriti Ellenbogen liegt ein mitteldicker Stoß Zeitungen. „Das sind die wichtigsten Tageszeitungen Perus sowie die Ausgabe von El País aus Spanien“, sagt der 69-Jährige athletische Mann mit dem weißen Kinnbart und verteilt den Stapel über seinen Schreibtisch. „Diese drei Zeitungen, El Comercio, Perú 21 und Gestión gehören zum gleichen Verlagshaus, diese beiden, La República und El Popular, gehören zu einer anderen Gruppe. Und diese Zeitung hat lange den Ex-Präsidenten Ollanta Humala gestützt“, erklärt der peruanische Journalist und deutet auf die linke Tageszeitung Diario Uno.
Um die Vielfalt, so der Redaktionsleiter des investigativen Nachrichtenportals IDL Reporteros, sei es bei den Printmedien nicht sonderlich gut bestellt. „Wir haben es mit zwei Problemen zu tun: dem hohen Konzentrationsgrad im Mediensektor und dem sinkenden Stellenwert des Qualitätsjournalismus“, analysiert der Leiter der fünfköpfigen Redaktion des investigativen Online-Portals.
Mehr als eine Handvoll alternative Redaktionen, wo recherchiert und auf Qualität gesetzt wird, gibt es in Peru nicht. Doch die gewinnen langsam an Einfluss, weil sie dort berichten, wo die traditionellen Medien gar nicht oder erst spät aktiv werden. „Im Kontext des Odebrecht-Bestechungsskandal wird in Peru gegen die Präsidenten seit 1985 ermittelt und der größte Medienkonzerns des Landes beziehungsweise die Familie dahinter, hat wenig Interesse gehabt zu recherchieren“, kritisiert Carlos Monge. Der Wissenschaftler und Bergbauexperte des für mehr Transparenz im Rohstoffbereich eintretenden Natural Ressource Governance Institute ist der Meinung, dass die Medien in Peru schon lange ihre Kontrollfunktion verloren haben: „Die Konzentration im Mediensektor hat einen negativen Effekt“, moniert Monge.
Zahlen von Reporter ohne Grenzen sprechen für hohe Konzentration
Das bestätigt auch eine Studie über die Medienkonzentration in Peru, die im Dezember letzten Jahres von „Reporter ohne Grenzen“ und dem kritischen, investigativen Nachrichtenportal „Ojo Público“ vorgestellt wurde. Besorgniserregend ist die Dominanz der „El Comercio“-Gruppe, zu der nicht nur die größte gleichnamige Tageszeitung Perus gehört, sondern seit der Übernahme der Epensa-Gruppe eine gute Handvoll weitere Tageszeitungen: 80 Prozent der Auflage und 78 Prozent der Leserschaft entfallen auf die Produkte der Mediengruppe, die obendrein den digitalen Markt dominiert. Auf den Konzern, der auch 70 Prozent am Fernsehsender América Televisión hält, entfallen rund sechzig Prozent der Einnahmen aus dem Mediensektor. „Dadurch ist die Pluralität im Mediensektor gefährdet“, argumentierten Christian Mihr von „Reporter ohne Grenzen“ und Óscar Castilla, Direktor von „Ojo Público“, bei der Vorstellung der Studie.
Diese Ansicht teilt nicht nur Gustavo Gorriti Ellenbogen, sondern auch dessen Kollegin Rosa María Palacios. Die populäre Radiomoderatorin, sie unterrichtet den journalistischen Nachwuchs an der päpstlichen katholischen Universität in Lima, hat eine Klage bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission eingereicht, weil sie die Pluralität in Peru gefährdet sieht.
„Die peruanische Verfassung verbietet in Artikel 61 ausdrücklich Monopole oder den Markt dominierende Unternehmenskonzentration, ausdrücklich sind die Presse und das Fernsehen dabei genannt“, erklärt die Moderatorin von „Radio Santa Rosa“. Sie klagt gemeinsam mit acht Kollegen. Auch an der Uni und in ihrer Sendung, die aus einem alten Konvent in der Altstadt von Lima ausgestrahlt wird, macht sie immer wieder auf die Medienkonzentration aufmerksam. „Doch nach dreieinhalb Jahren ist die Klage noch nicht mal in erster Instanz verhandelt worden. Das ist ignorant“, ärgert sich die prinzipientreue Journalistin.
Der ehemalige Rektor der katholischen Universität, Salomón Lerner Febres, pflichtet bei: „Der Qualitätsjournalismus ist in Peru auf dem Rückzug und ein Gegengewicht bieten allein die sozialen Netzwerke und einige wenige alternative Online-Medien“, analysiert der Philosophie-Professor und Menschenrechts-Experte. Daran werde sich auch kaum etwas ändern, Lerner sieht die Medien in einer Glaubwürdigkeitskrise. „Sie haben viel zu wenig im Kontext des Korruptionsskandals rund um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht recherchiert.“ Da seien Online-Medien wie IDL-Reporteros deutlich aktiver.
Das habe, so Rosa María Palacios, seine Gründe: „In der Redaktionen der El Comercio-Gruppe herrscht Selbstzensur, denn die Kollegen wissen, dass die Aktionäre der Gruppe gute Kontakte in die Politik und auch zum Odebrecht-Konzern und seinem peruanischem Partner Graña y Montero haben“, sagt die 53-Jährige. Folgerichtig sei das politische Interesse, die Fusion der beiden Medienhäuser El Comercio und Epensa zum Thema zu machen, ausgesprochen gering.
Kritische Köpfe wie Palacios oder Gustavo Gorriti Ellenbogen gibt es in den großen Medienhäusern ohnehin nicht mehr. „Fast alle Journalisten mit kritischen Profil haben sich längst andere Jobs gesucht. Sie arbeiten wie Rosa María Palacios für ein kirchliches Radio, habe, wie César Hildebrandt, kleine unabhängige Medien gegründet oder, wie ich, eine aus dem Ausland finanzierte Redaktion aufgebaut. Wir sind unanstellbar für die großen Medienhäuser“, sagt Gustavo Gorriti Ellenbogen, räumt die Zeitungen vom Schreibtisch und schlägt das Laptop auf…