Türkei: Hoffnung für Deniz Yücel?

Tag der Pressefreiheit: Demonstranten forderten vor der Türkischen Botschaft in Berlin bereits 2017 die Freilassung von inhaftierten Journalisten in der Türkei.
Foto: Christian von Polentz

Das türkische Verfassungsgericht hat heute die Freilassung der beiden Journalisten Sahin Alpay und Mehmet Altan angeordnet, die seit Sommer 2016 in Untersuchungshaft sitzen. Ebenso wie der Cumhuriyet-Mitarbeiter Turhan Günay, der bereits Ende Juli letzten Jahres aus der Haft entlassen worden war, hatten sie gegen ihre Haft Beschwerde eingereicht. Das Urteil könnte ein Präzedenzfall für weitere Prozesse wie etwa den von Deniz Yücel sein.

Reporter ohne Grenzen (ROG) begrüßte die Entscheidung des Gerichts, das seit der Verhängung des Ausnahmezustands im Juli 2016 „gelähmt“ gewesen sei, forderte aber zugleich die Freilassung der über 100 weiteren inhaftierten Journalistinnen und Journalisten in der Türkei. „Nach anderthalb Jahren Schweigen beendet das türkische Verfassungsgericht endlich die willkürliche Untersuchungshaft von Sahin Alpay und Mehmet Altan“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die heutige Entscheidung sollte als Präzedenzfall dienen. Wir fordern die türkische Justiz auf, die über 100 weiteren inhaftierten Journalisten freizulassen.“

Mihr hatte bereits vor zwei Tagen in einem Interview mit radioeins vermutet, dass das Gericht die Journalisten freilassen würde. Das Stillschweigen der obersten Richter in den vergangenen anderthalb Jahren habe dazu geführt, dass viele Journalist_innen, darunter auch Deniz Yücel, Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EuGH) eingelegt haben. Diese Klagen würden dem Bild der Türkei in der internationalen Öffentlichkeit jedoch immens schaden. Es sei daher davon auszugehen, so Mihr in dem Interview, dass das Verfassungsgericht dem EuGH mit einem Grundsatzurteil zuvorkommen wolle.

Das gibt auch Anlass zu neuer Hoffnung für Deniz Yücel, der nun seit knapp einem Jahr und noch immer ohne Anklage in türkischer Untersuchungshaft sitzt. Auch er hatte sowohl vor dem Verfassungsgericht der Türkei als auch vor dem EuGH Beschwerde eingereicht. Nach Angaben von ROG habe die türkische Regierung Anfang Januar ihre Stellungnahme zu Yücels Haftbeschwerde vor dem Verfassungsgericht eingereicht. Seine Anwälte hätten demnach nun eine Frist von zwei Wochen, um die Stellungnahme zu erwidern.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Reform oder Abrissbirne im Hörfunk

Die Hängepartie um Finanzierung und Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) geht weiter. Nach wie vor sträuben sich ein halbes Dutzend Ministerpräsidenten, der Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) für eine Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro zu folgen. Bis Oktober wollen die Länder einen Reformstaatsvertrag vorlegen, um künftig über Sparmaßnahmen Beitragsstabilität zu erreichen. Einzelne ARD-Sender streichen bereits jetzt schon ihre Hörfunkprogramme zusammen.
mehr »

Filmschaffende kriegen künftig mehr

In der achten Tarifverhandlungsrunde für die rund 25.000 Filmschaffenden haben sich die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die Schauspielgewerkschaft BFFS und die Produktionsallianz auf Eckpunkte einer vorläufigen Tarifeinigung verständigt. Doch nicht alle Verhandlungsthemen konnten geklärt werden. Die Frage nach der Regelung von Künstlicher Intelligenz (KI) im Film wurde verschoben.
mehr »

Wie ethisch kann KI berichten?

Ein ethischer Kompass ist angesichts zunehmender Desinformation immer wichtiger – für Journalist*innen, aber auch Mediennutzende. Positivbeispiele einer wertebewussten Berichterstattung wurden jüngst zum 20. Mal mit dem Medienethik Award, kurz META, ausgezeichnet. Eine Jury aus Studierenden der Stuttgarter Hochschule der Medien HdM vergab den Preis diesmal für zwei Beiträge zum Thema „Roboter“: Ein Radiostück zu Maschinen und Empathie und einen Fernsehfilm zu KI im Krieg.
mehr »

VR-Formate im Dokumentarfilm

Mit klassischen Dokumentationen ein junges Publikum zu erreichen, das ist nicht einfach. Mit welchen Ideen es aber dennoch gelingen kann, das stand auf der Sunny Side of the Doc in La Rochelle im Fokus. Beim internationalen Treffen der Dokumentarfilmbranche ging es diesmal auch um neue Erzählformen des Genres wie Virtual Reality (VR).
mehr »