Medien und die AfD: Mehr als ein Dilemma

Tina Groll, links am Mikrofon, begrüßt die Gäste des zweiten Mediensalons, den dju in ver.di, DJV Berlin und die Werkstatt für Medienkompetenz meko factory gemeinsam im taz Café in Berlin veranstalteten
Foto: Thaisa Mezzavilla / meko factory

Die Auseinandersetzung mit der AfD stellt den Journalismus nicht nur vor ein Dilemma, sondern vor vielerlei Probleme. Wie soll man hintergründig über eine Partei berichten, die gegenüber Medien ein kategorisch ablehnendes Verhalten einnimmt und nur wenig von sich preisgibt? Muss man über jedes Twitterstöckchen springen und ist es sinnvoll, die Parteipositionen zu reproduzieren? Kurz: Darf man der AfD ein Podium bieten? Fragen, wie sich zeigte, die selbst die Organisator_innen des zweiten Mediensalons von dju in ver.di, DJV Berlin und meko factory vor ein Dilemma stellten.

Denn, so schildert Tina Groll, Zeit Online und dju in ver.di, zur Begrüßung im taz-Café in Berlin, natürlich habe man sich fragen müssen, ob es bei dem Thema „Journalisten und ihr Umgang mit der AfD“ nicht erforderlich sei, auch jemanden von der Partei selbst aufs Podium zu laden. Man entschied sich dagegen, um eben keine Bühne zu geben. Ein Vertreter der AfD hatte sich dennoch angemeldet, er wurde in die erste Reihe gesetzt, nicht mehr als eine Frage wollte man ihn stellen lassen. Martin Rola, Referent für Öffentlichkeitsarbeit in der AfD, hält sich an diese Spielregel. Außer mit der Frage, ob denn auch alle Podiumsgäste das AfD-Grundsatzprogramm gelesen hätten – die übrigens bejaht wurde – und gelegentlichem empörtem leisem oder unverständlichem Gebrabbel – das der Autorin nicht entgehen konnte, da sie direkt neben ihm saß – fällt er nicht weiter auf. Trotzdem wird die Entscheidung der Organisator_innen, ihm diesen minimalen Raum zuzugestehen, später aus dem Publikum kritisiert. Ein Gradmesser für die Polarisierung, die das Ringen um den Umgang mit der Partei mittlerweile kennzeichnet.

Keine Partei wie jede andere

Immerhin ist die AfD eine demokratisch gewählte Partei. Aber ist sie deshalb auch eine normale, eine Partei wie jede andere?, fragt Moderator Johannes Altmeyer, Politik-Redakteur bei WeltN24, in die Runde. Ja, eine normale, aber eine schwierige, findet Matthias Kamann, ebenfalls von WeltN24. Die durch fundamentales Misstrauen geprägte Beziehung zwischen Journalist_innen und der AfD erschwere die Berichterstattung enorm. Auf der menschlichen Ebene funktioniere es mit den Bundestagsneulingen „gar nicht so schlecht“, aber nicht alle ließen sich auf Gespräche ein. Und wenn er etwas Missliebiges schreibe, dann sei es das sowieso mit dem persönlichen Kontakt gewesen, skizziert Kamann dieses Dilemma. Maria Fiedler vom Tagesspiegel pflichtet ihm bei. Auch sie versuche zunächst, mit denselben Maßstäben und Methoden zu berichten wie über andere Parteien. Heißt: Offen auf die Vertreter_innen zugehen, Kontakte knüpfen, Netzwerke bilden. Weil die AfD zudem eine noch so junge Partei ist, bediene sie besonders viele Nachrichtenwertfaktoren, vor allem durch ihre zahlreichen Personalstreitigkeiten. Das macht die Berichterstattung für Journalist_innen interessant. Andererseits, kritisiert Kamann das Parteigebaren, gebe die AfD außer Personalgerangel wenig von sich preis, über das man berichten könnte. In sachlichen Themen komme man als Journalist kaum an sie heran.

Von einer Empörungsspirale in die nächste?

Bleiben also nur die Selbstinszenierungen der Partei auf Twitter und anderen digitalen Plattformen, mittels derer, so Kamann, eine parallele Gegenöffentlichkeit hergestellt werde. Da spare die AfD gewiss nicht. Es gelte, sich genau zu überlegen, über welches dieser Stöckchen man springen möchte, warnt Fiedler. Beim Tagesspiegel werde jede solche Entscheidung der Redaktion lange diskutiert, auch im Nachgang. Einen Leitfaden wie etwa bei der dpa, wo es einen Index für bestimmte Begrifflichkeiten gebe, hätten sie nicht. Die Devise sei, sich sachlich und ideologiefrei mit den Positionen auseinanderzusetzen. Leicht sei das jedoch nicht, im Gegenteil bisher noch immer eine Zwangslage. Dieses Dilemma kennt auch Stefan Lauer von belltower.news. Manche der AfD-Tweets seien derartig menschenverachtend, dass es geradezu sträflich sei, nicht darauf zu reagieren. Trotzdem gerate man damit in einen „Teufelskreis“: „Wie man damit umgeht, muss weiter verhandelt werden.“

Provokationen als Strategie entlarven

Per Leo, Historiker und Autor von „Mit Rechten reden“, plädiert dafür, eben nicht nur über die Parteiprovokationen an sich, sondern auch die Dynamiken zu berichten, die dahinter stünden. Auch Lauer und Christoph Giesa, Publizist und Autor von „Gefährliche Bürger“, sind der Ansicht, Medien hätten Narrative und Positionen der AfD zu oft ungeprüft weiterverbreitet. Lauer sieht in seinem Portal eher eine Art Watchblog, dessen Aufgabe es sei, Hintergründe zu beleuchten statt Positionen einfach zu reproduzieren. Denn „hinter den Provokationen steht eine Strategie“. Und die müsse man durch gute Vorbereitung entlarven, ohne sich provozieren zu lassen, findet auch Giesa.

Zitatefledderei und Moralisierung von Sachfragen

„Haben die Medien die AfD in den Bundestag gebracht?“, fragt Moderator Altmeyer den Autoren Per Leo – ein Vorwurf, der nach den Wahlen im September 2017 wiederholt öffentlich wurde. Leo, der als Nicht-Journalist auch einen etwas neutraleren Blick von außen beisteuert, hält diese These für „zu steil“. Man könne allerdings feststellen, dass unter Journalist_innen eine große Überforderung geherrscht habe. In dem Gefühl, die Demokratie retten zu müssen, hätten sich viele in eine Art Duellsituation mit der AfD begeben. Dass journalistische Kerntugenden wie eine differenzierte und hintergründige Auseinandersetzung mit den Sachverhalten in einer solchen Atmosphäre nicht mehr zum Zuge kamen, sei kaum verwunderlich. Auch Kamann erkennt in der „Zitatefledderei“ einen der großen Fehler des Journalismus im Umgang mit der AfD. Statt zu versuchen, die Dynamiken der Partei zu verstehen, habe der Fokus darauf gelegen, „besonders krasse Zitate zu bringen“. Außerdem: Gerade in der Anfangszeit der Partei habe keine konstruktive Auseinandersetzung mit Sachfragen wie etwa der Flüchtlingsaufnahme oder dem Euro stattgefunden. Politische Streitfragen seien stattdessen „übermäßig moralisiert“ worden. „Das hat jedoch bei denjenigen, die es mit der AfD hielten, die Radikalisierung befördert und andererseits die Partei interessant gemacht für Leute, die eben genau außerhalb stehen wollten.“ Wer eine abweichende Meinung vertrat, sei somit aus dem erlaubten Diskursrahmen hinausbefördert worden.

Wie weiter?

Was also tun? Wieder mehr mit den Menschen sprechen, die diese Partei wählen, statt mit den Parteikadern, so ein Einwurf aus dem Publikum. Nur, wie soll das gehen? Denn wie die AfD selbst, haben auch ihre Anhänger ein geradezu feindseliges Verhalten gegenüber Medienvertreter_innen jeglicher Art entwickelt. Maria Fiedler gibt sogar zu bedenken, dass das Verhältnis zu den Anhängern derzeit schwieriger sei als zur eigentlichen Partei.

Die Veranstaltung hat viele interessante Fragen aufgeworfen, konnte jedoch nur wenige davon abschließend beantworten. Vielleicht muss das aber auch gar nicht sein. Ein transparenter und offener Diskurs sowie eine ehrliche Fehleranalyse dürften in der derzeitigen Gemengelage wohl das wichtigste sein. Womöglich weisen sie sogar Wege aus dem einen oder anderen Dilemma…

Der nächste Mediensalon zum Thema EU-Urheberrechtsreform findet am 25. April im taz-Café statt.

 

 

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