Mit einem reichhaltigen Programm aus 60 Ausstellungen, sieben Vorträgen und verschiedenen Diskussionsrunden zeigte die sechste Auflage des alle zwei Jahre stattfindenden Lumix-Festivals für jungen Fotojournalismus eindrücklich die Vitalität und Vielschichtigkeit zeitgenössischer journalistischer Fotografie. Trotz wechselhaften Wetters kamen vom 20. bis 24. Juni zehntausende Besucher auf das ehemalige EXPO-Gelände in Hannover.
Was vor zwölf Jahren als kleine Initiative des Hannoveraner Fotoprofessors Rolf Nobel mit Unterstützung von Studierenden des Studiengangs Fotojournalismus und Dokumentarfotografie begann, ist heute der wichtigste Treffpunkt für Fotojournalist_innen, eine Art großes Klassentreffen der deutschen Fotojournalismus-Szene. So gut wie alle großen deutschen Zeitungen und Magazine schickten ihre Bildredakteur_innen, hunderte Fotojournalist_innen aus der ganzen Welt gaben sich die Klinke in die Hand. Das Lumix-Festival ist der Ort, wo Geschäfte gemacht werden, Redaktionen Geschichten einkaufen und wo bei Portfolio-Reviews neue Talente entdeckt werden. Über die Jahre hat sich das Festival so zum Perpignan Deutschlands gemausert.
Das große Interesse am Festival zeigte ich auch an der beeindrucken Zahl von über 1000 Bewerbungen aus der ganzen Welt, aus denen eine Jury 60 Positionen auswählte. Thematisch reichten die gezeigten Arbeiten von traditionellen Jägern in Japan, über das Thema Anorexie und Freimaurertum bis hin zu industrieller Milchproduktion. Aber auch die klassischen Kriegsgeschichten über den Donbass oder Syrien waren präsent, ebenso aktuelle politische Themen wie der G20 in Hamburg, der Drogenkrieg in den Philippinen oder das Verschwindenlassen in Mexiko. Das Markenzeichen des Lumix-Festivals, über ausführliche Fotoserien mit zehn bis 25 Bildern gesellschaftlich relevante Fragestellungen anzureißen, konnte damit seine volle Wirkung entfalten.
Mit oder ganz ohne Rahmen
Hatte das Lumix-Festival lange den etwas umstrittenen Ruf, alle Arbeiten in gleicher Größe und in gleichen Rahmen zu präsentieren, so fand sich dieses Mal eine große Bandbreite an Präsentationsformen mit unterschiedlichen Bildgrößen, mit und ohne Passepartout oder gleich ganz rahmenlos. Für acht der Serien erarbeitete eine Gruppe unter Leitung des Hannoveraner Fotoprofessors Michael Trippel jeweils eine eigene Präsentationsform. Das führte – wie im Fall der Arbeit von Hannes Jung – zu interessanten kuratorischen Entscheidungen. Seine Serie „New Right“, mit der er den Wahlkampf und Politiker der AFD dokumentierte, wurde auf bedruckten Planen an Bauzäunen angebracht und rahmte als Kommentar den Eingang zum Deutschen Pavillon, in dem bis 2016 Flüchtlinge untergebracht und jetzt vor allem politische Fotoserien zu sehen waren.
Als voller Erfolg erwies sich das vor zwei Jahren als Experiment gestartete Containerdorf, das sich zu einer Art Off-Festival innerhalb des Festivals entwickelt hat. War der Freiplatz zwischen den Containern vor dem Deutschen Pavillon während des letzten Lumix noch oft verwaist, hatte er dieses Mal die Anmutung eines lebendigen Dorfplatzes, in dem Menschen von Container zu Container schlenderten, Fotojournalist_innen miteinander ins Gespräch kamen und Besucher_innen in Workshops selbst tätig werden konnten. Dies war vor allem der Vielfalt der Institutionen zu verdanken, die sich in den Containern präsentierten. Sie reichten von Fotohochschulen aus Deutschland, Dänemark, Frankreich und Bangladesh über Agenturen wie dpa und Kollektive wie CAMEO bis hin zu lokalen Kulturprojekten aus Hannover, wie den Fotomarathon oder Hafven.
Mehr Frauen an die Kamera
So war es auch nicht verwunderlich, dass es die Bühne des Containerdorfs war, die sich als zentraler Ort der Debatte über aktuelle Fragen des Fotojournalismus bewährte. Eine Vielzahl neuer Initiativen stellten sich dort vor, wie das aktuelle Stipendienprogramm 6×6 der World Press Photo Foundation, die African Photojournalism Database oder die Initiative Native Agency, die Fotoreporter_innen aus unterrepräsentierten Regionen unterstützt. Auf einer Podiumsdiskussion präsentierten sich Fotokollektive und sprachen über die Vor- und Nachteile gemeinschaftlichen Arbeitens. Eine Veranstaltung der NGO Sea-Watch nahm das Thema Bildethik bei der Dokumentation von Rettungsaktionen im Mittelmeer in den Blick. Die größte Aufmerksamkeit bekam jedoch eine Podiumsdiskussion über die Situation von Frauen im Fotojournalismus, bei der Strategien diskutiert wurden, wie der Anteil von Frauen im Berufsfeld gestärkt werden kann.
Wie bereits in den vergangenen Jahren wurden am Samstagabend Ehrenpreise vergeben, die insgesamt mit 25.000 Euro dotiert waren. Der renommierte Freelens Award ging in diesem Jahr an den Hannoveraner Fotografen Florian Müller für seine Serie „Hashtags Unplugged – Von Lastern und Leitmotiven“. Eine Honorable Mention bekamen die Arbeiten von Ezra Acayan, Esa Ylijaasko und Elena Anosova. Der LUMIX Multimedia Award ging an den norwegischen Fotojournalisten Kyrre Lien für eine Dokumentation mit dem Titel „Internet Warriors“. Die heimlichen Stars der Preisverleihung waren jedoch Festivalgründer Rolf Nobel sowie die Organisatorin Isabel Winarsch. Die Nachricht, dass beide als Organisationsteam für eine siebte Auflage nicht mehr zur Verfügung stehen, wurde allseits bedauert und hatte viele lobenswerte Erwähnungen zur Folge. Es bleibt abzuwarten, wie und in welche Richtung sich das Festival ohne die beiden zentralen Figuren entwickeln wird.