Mit breiter Mehrheit hat das Europäische Parlament am 12. September für die neue Urheberrechtsrichtlinie gestimmt und damit den Weg frei gemacht für die nun anstehenden Trilog-Verhandlungen. Noch im Juli war der Bericht des federführenden Rechtsausschusses („JURI Report“) abgelehnt worden. Dem Berichterstatter des Ausschusses Axel Voss (CDU) war es damals nicht gelungen, bei den Hauptstreitpunkten, der Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger und neuer Haftungs- und Lizenzregelungen für Online-Plattformen (Stichwort: „Upload Filter“) eine Einigung zu erzielen.
Begleitet war dies alles von einer Lobbyschlacht nicht gekannten Ausmaßes. Dabei hatte ein Netzwerk die Europaabgeordneten vor der ersten Abstimmung mit Zehntausenden von Mails und Telefonanrufen bombardiert. Zu den Finanziers der Kampagne gehört – wie Volker Rieck analysiert hat – „Copyright for Creativity“ (C4C), das vom US-Branchenverband „Computer and Communications Industry Association“ (CCIA) finanziert wird. Hinter diesem stehen Branchenriesen wie Google, Facebook oder Uber.
Doch auch die Kreativbranche hatte kräftig mobilisiert, um die vielen Verbesserungen, die die neue Richtlinie beinhaltet, zu retten. Von besonderem Gewicht war ein Aufruf der Authors’ Group an die EU-Abgeordneten, der von 132 Verbänden aus ganz Europa unterzeichnet wurde, darunter auch die dju in ver.di. Sie plädierten unter anderem dafür die Transparenzbestimmungen, die die Verhandlungsposition der Urheber stärken und ihre Vergütung in Verträgen verbessern sollen (Kapitel 3 der Richtlinie) in ihrer Version des JURI-Berichts zu übernehmen, da dies Ergebnis eines überparteilichen politischen Konsenses sei.
Der nun beschlossene „Standpunkt des Parlaments“ geht bei den Neuregelungen für Online-Plattformen (Artikel 13), auf die User urheberrechtlich geschützte Werke hochladen, über den ursprünglichen Vorschlag der Kommission von 2016 deutlich hinaus. Solche Plattformen – wie YouTube – werden künftig selbst für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich gemacht, wenn sie nicht entsprechende Lizenzverträge mit den Rechteinhabern abschließen oder Maßnahmen gegen unberechtigte Uploads ergreifen. Welche das sind, ist offen gelassen worden. Die vielfach in der Öffentlichkeit diskutierten „Upload-Filter“ stehen nicht explizit im Text der Richtlinie. Kleinst- und kleine Unternehmen sind von den Regelungen ohnehin nicht betroffen und Online-Enzyklopädien wie Wikipedia oder Open-Source-Softwareplattformen ebenfalls nicht.
Das neue Presseverleger-Leistungsschutzrecht (Artikel 11) umfasst ausdrücklich keine „bloßen Hyperlinks, neben denen einzelne Wörter stehen“. Es soll jetzt für fünf Jahre gelten und es ist ausdrücklich festgeschrieben, dass Journalist_innen an den Erträgen angemessen und proportional beteiligt werden müssen. Durch den neuen Artikel 12 wird die europagesetzliche Grundlage für die Beteiligung der Verlage an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften gelegt.
„Das ist ein gutes Zeichen für die Kreativindustrie in Europa“, konnte ein glücklicher Axel Voss am 12. September um 13 Uhr erleichtert feststellen, nachdem das Parlament in Straßburg seine Anträge schließlich mit 438 Stimmen bei 226 Gegenstimmen und 39 Enthaltungen beschlossen hatte.
ver.di begrüßt „die europaweite Stärkung des Urheberrechts. Der Beschluss ist ein wichtiger, aber auch überfälliger Schritt in Richtung eines sozialverträglicheren Miteinanders im Netz, aber auch in der analogen Welt“, erklärte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Die vertragsrechtliche Position der einzelnen Kreativen sei durch die Übernahme der Grundsätze des deutschen Urhebervertragsrechts verbessert, weil die faire und angemessene Vergütung als Basis von Verträgen ausdrücklich geregelt ist. Die Möglichkeit, Rechte der einzelnen Urheber_innen und Interpret_innen mittels Gewerkschaften und Verbänden durchzusetzen, sei wesentlich für faire Vergütungen und stärke Kollektivvereinbarungen wie Tarifverträge und gemeinsame Vergütungsregeln.
Der Verband Deutscher Schriftsteller_innen (VS) in ver.di bewertet die Entscheidung des Parlaments für diese Reform eines 17 Jahre alten Urheberrechts als „ein dreifaches Ja: zur Verantwortung, zur Kulturvielfalt im Internet, aber auch zum Schutz und zur Freiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher“, so Nina George, Mitglied des Bundesvorstandes und Beauftragte für das Ressort Urheberrecht. Die rechtliche Absicherung der VG Wort ist für den VS ein besonderes Anliegen: „Wir sind überzeugt, dass die gemeinsam betriebene Verwertungsgesellschaft über eine weit größere Verhandlungsmacht zum Wohle der Autoren und Autorinnen verfügt, als getrennt handelnde Einrichtungen. Deswegen freut uns, dass mit Art. 12 des Richtlinienentwurfes Rechtssicherheit geschaffen werden soll“, so Nina George.
In den nun folgenden Trilog-Verhandlungen zwischen Europäischen Parlament, Rat und Kommission muss sich nun zeigen, was von den hart umkämpften Vorschlägen für die neue Urheberrechtsrichtlinie tatsächlich am Ende Bestand hat. Denn gerade bei den besonders umstrittenen Artikeln 11 und 13 gibt es deutliche Unterschiede zwischen dem gerade gefassten Parlamentsvotum und dem Verhandlungsmandat des Rates der Mitgliedstaaten.