Überall kostenlos im WLAN surfen, ohne eigene Mobilfunk-Daten zu verbrauchen. Ein Traum? Während nicht wenige Hotels in Deutschland für WLAN-Zugänge noch immer die Hand aufhalten oder Cafés ganz abwinken, baut Berlin wie keine zweite Stadt in Deutschland an immer neuen kostenlosen öffentlichen Hotspots.
Weltoffen, vielfältig, modern. So vermarktet sich Berlin weltweit als attraktives Reiseziel für jedermann. Für viele Touristen – Stichwort „Generation easyjet“ – gehört kostenloses öffentliches Internet ganz selbstverständlich mit dazu. Selfies vom Brandenburger Tor oder Facebook-Likes vom Fernsehturm wollen schließlich direkt und ohne Zeitverzug gepostet werden.
3.400 freie WLAN-Spots
„Dass Berlin in den vergangenen Jahren nicht untätig geblieben ist, sieht man daran, dass allein die fünf Berliner WLAN-Anbieter unseres Arbeitskreises mittlerweile ca. 3.400 frei zugängliche WLAN-Spots im gesamten Stadtgebiet zur Verfügung stellen“, sagt Björn Böhning, ehemaliger Chef der Berliner Senatskanzlei. Ob Fernsehturm, Friedrichstadtpalast oder Spandauer Zitadelle: an den meisten Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt ist kostenfreies und, darauf verweist die Stadt, auch sicheres und zuverlässiges Surfen möglich – ohne sensible persönliche Daten preiszugeben. Auch in Rathäusern, Bürgerämtern, Museen, Schulen, Bibliotheken steht Free Wifi Berlin inzwischen zur Verfügung, die Hotspots sind ausgeschildert.
Außerdem unterstützt Berlin die Freifunk-Initiative, die von Berliner Bürgern ins Leben gerufen wurde und ebenfalls kostenloses, öffentliches WLAN für alle zur Verfügung stellt. Die Grundidee des Freifunks basiert darauf, dass mehrere Nachbarn ihre WLAN-Router zusammenschließen und so ein lokales Netz mit Verbindung zum Internet schaffen, das von vielen anderen Usern im Sinne einer Grundversorgung mitgenutzt werden kann. Eine simple Idee, die auf Solidarität setzt und damit in den letzten Jahren nicht erfolglos war.
Kirche, Verkehrsbetriebe und Wirtschaft ziehen mit
Inzwischen ist der Kreis noch größer geworden. Zu den WLAN-Partnern der Stadt gehören neben Senat und Freifunk auch so unterschiedliche Partner wie die Medienanstalt Berlin-Brandenburg mabb, die Evangelische Kirche, die Verkehrsbetriebe BVG und diverse Unternehmen. „Ich freue mich über die Zusammenarbeit und die positiven Synergieeffekte für die Nutzer. Wie wichtig das WLAN-Angebot für Berliner sowie Gäste der Stadt ist, sehen wir an der Resonanz auf das Senatsprojekt „Free Wifi Berlin“ mit bis zu 3,7 Mio. Zugriffen monatlich. Insgesamt kommt Berlin seinem Ziel, die zentralen Orte der Stadt mit WLAN auszuleuchten, immer näher“, so Böhning, der inzwischen Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist.
Wer sich mit dem WLAN Fee Wifi Berlin per Handy, iPad oder Laptop verbindet, kann unbegrenzt lange surfen. Am Anfang muss er sich allerdings einen Werbespot einer Sportartikelfirma anschauen. Oder einen Spot des Berliner Hörbuchverlages Audible. Und Berlin erweist sich dabei durchaus als kreativ: Audible hatte eigens für das Berlin-Netz die Interviewreihe „Typisch Berlin“ produziert. Abhängig vom jeweiligen Einwahlort, erzählen Prominente kleine Geschichten über den jeweiligen Kiez. Nette Werbung.
Im Deutschlandranking rückt Berlin damit an die Spitze. Zum Vergleich: In München sind es 25 städtische Hotspots, in Hamburg gibt es kommunales WLAN für wenige Straßenzüge. Mit über 3.400 Hotspots muss die deutsche Hauptstadt inzwischen auch den Vergleich mit anderen europäischen Metropolen nicht mehr scheuen.
Auf dem Weg zur „Digitalhauptstadt“
Was nach paradiesischen Zuständen klingt, war nicht immer so. Der entscheidende Aspekt für das lange auf sich warten lassen lag an der Störerhaftung, für deren Abschaffung sich vor allem das Land Berlin ganz besonders eingesetzt haben soll. Ein weiterer Grund für das Zögern bundesweit liegt nach Ansicht von Böhning aber auch darin, dass die Deutschen im Vergleich zu anderen Nationen beim Thema Datensicherheit vorsichtiger sind.
Und noch immer gibt es Lücken, auch in der Modellstadt Berlin. Wer zum Beispiel an so zentralen Punkten wie dem S-Bahn-Gleis am Alexanderplatz steht, bekommt vom freien BVG-WLAN oft gar nichts mehr. Doch sei´s drum, Berlin hat noch viel vor.
Berlin will zur führenden Digitalhauptstadt werden, überall WLAN ist ein Teil davon. Dazu hatte Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller, 2015 eine „10-Punkte-Agenda“ vorgestellt. Nicht zuletzt deshalb wurde das Projekt Free Wifi Berlin von der Senatskanzlei Berlin ins Leben gerufen, umgesetzt von der Firma abl social federation. Die Senatskanzlei hat die Einrichtung der Access Points mit einem Zuschuss in Höhe von 170.000,- Euro sowie einer Beteiligung an den Installationskosten in Höhe von 66.000 Euro gefördert.
Zudem profitiert die Stadt von einer lebendigen und dezentralen IT- und Tech-Szene. „Wir haben in Berlin nicht einen Dienstleister für alle Hotspots, sondern ganz verschiedene kommerzielle und nichtkommerzielle Projekte und Initiativen, die über die letzten Jahre ihre Wifi-Aktivitäten in Berlin intensiviert haben“, so Anja Zimmer, Direktorin der mabb.
Außerdem trifft die Senatskanzlei Vorbereitungen für die Beteiligung Berlins an dem EU-Projekt zur Förderung der Internetanbindung in Kommunen (WIfI4EU). Die EU-Kommission stellt 120 Mio. Euro zur Verfügung, um kostenloses WLAN an öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Einrichtungen zu fördern. Die Senatskanzlei habe sich dafür eingesetzt, dass Berlin anstatt einem – wie ursprünglich von der EU-Kommission geplant – zwölf Anträge pro Aufruf einreichen kann, so Böhning. Damit ist dann jeder Berliner Stadtbezirk berechtigt, sich an dem EU-WLAN-Programm zu beteiligen.
40 neue Hotspots für das Stadtnetz in Wedding
Der Stadtteil Wedding hat schon einmal damit angefangen, ohne EU-Förderung. Mit einem symbolischen Start nahmen zuletzt Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und Senatskanzleichef Björn Böhning 40 weitere WLAN-Hotspots im Bezirk Wedding in Betrieb. Bei diesen 40 WLAN-Hotspots gibt es hingegen keine Werbung, die Zugänge seien ohne Werbeeinspielung nutzbar, heißt es von der Berliner Wohnungsbaugesellschaft „Gesobau“, die alle Kosten für den Betrieb der Hotspots trägt. Die Aktion der Wohnungsbaugesellschaft soll deutlich machen, dass es sich dabei nicht allein um eine Aktion für Berliner Tourist_innen handelt. Auch Anwohner_innen in Reichweite der neuen WLAN-Antennen können die Internetzugänge bei gutem Empfang kostenlos nutzen.
Verbindung in allen U-Bahnhöfen
Ein weiteres Projekt ist die WLAN-Ausstattung städtischer Krankenhäuser. Dazu stellt der Senat 2,7 Millionen Euro bereit. Ferner sind über 250 weitere touristische Infostelen geplant, die auch mit Monitoren und WLAN versehen werden. Bis nächstes Jahr sollen außerdem alle U-Bahnhöfe komplett mit WLAN ausgestattet sein – einschließlich des gesamten Bahnsteiges und der Vorhallen.
Bis es auch beim Ausbau der kostenfreien Hotspots im öffentlichen Raum jenseits von Berlin in der gesamten Bundesrepublik vorwärts geht, gibt es noch ganz praktische Hürden. Dazu gehören auch banale Fragen nach der Übernahme der Stromkosten, ob und inwieweit Stromquellen oder ein Internetzugang verfügbar sind, manchmal muss bei der Installation auch der Denkmalschutz und das Facility Management hinzugezogen werden. „Bei diesen ganz praktischen Problemen haben wir in Berlin in den letzten Jahren vieles gelernt und richtig gemacht“, resümiert Zimmer. Bundesweit könne man nun davon lernen. Letztlich gehe es um die Akteure, die sich aktiv dafür einsetzen müssen. Das beobachte man vor allem im ländlichen Raum: Wenn der Bürgermeister einer Kommune sich nicht persönlich dafür einsetzt, könne es eben sehr lange dauern bis öffentliche Hotspots im Gemeindezentrum installiert würden.