Berlinale-Tipp: 6Minuten66

Berlinale: Axel Ranisch in "6Minuten66" von Katja Feldmeier & Julius Feldmeier
Foto:Triebkraft Film

In dem Dokumentarfilm 6Minuten66 denken junge Regisseur*innen aus der deutschsprachigen Filmlandschaft über die gegenwärtige Bedeutung und nahe Zukunft des Kinos nach. Sie alle haben im Laufe der letzten zehn Jahre debütiert. Obwohl die Besucherzahlen in den deutschen Kinosälen kontinuierlich zurück gehen, zeigen die Filmemacher*innen erstaunlich wenig Zukunftsängste.

Fünfzehn Regisseur*innen begeben sich nacheinander in ein Hotelzimmer. Vor ihnen liegt ein Blatt Papier mit Thesen und Fragen zur Zukunft des Kinos. Genau 6 Minuten und 66 Sekunden haben die Filmemacher*innen Zeit, zu sprechen. In dem Raum befinden sich nur zwei Kameras, kein Gegenüber. Niemand unterbricht, keiner stellt Rückfragen. Der strenge Rahmen der „Interviews“ lässt den Besucher im ersten Moment vielleicht zaudern. Auch weil dem Kino in den letzten Jahrzehnten schon oft der Tod prophezeit wurde. Trotzdem langweilt der Film nicht, denn die meisten der jungen Regisseur*innen reagieren erstaunlich erfrischend und mit Perspektive auf die Frage, ob das Kino als Ort und Kunstform überleben wird.

Für die Filmautoren Katja und Julius Feldmeier, Schriftstellerin und Schauspieler, war Wim Wenders‘ Experiment „Chambre 666“ Quelle der Inspiration. Ältere Cineasten werden sich erinnern: Wenders ließ 1982 internationale Regisseure während der Filmfestspiele in Cannes in einem Hotelzimmer über die Zukunft des Kinos räsonieren.  Größen wie Jean-Luc Godard, Steven Spielberg und Rainer Werner Fassbinder waren dabei. Es ging auch darum, ob der Videomarkt das Kino zerstöre. Werner Herzog zeigte sich entspannt und meinte, der Kinofilm werde immer überleben.

So sehen es ausnahmslos auch die jungen Regisseur*innen von heute. Obwohl gerade diese Generation sich mehr denn je im Spannungsfeld entgegengesetzter Sehgewohnheiten und Erwartungen seitens des Publikums befindet. Streaming-Portale, der Serienhype und zu viele Filmstarts mit zu kurzen Laufzeiten in den Kinos lassen Ihre Werke auf dem Markt untergehen. Und heute sind Tablets die bevorzugten „Endgeräte“, nicht mehr die Leinwände. Mia Sprengler war überrascht, als eine Freundin ihr Debüt ausgerechnet auf dem Handy anschaute. Aber sie habe trotzdem geweint. „Meine Message ist angekommen, das Medium ist egal“, sagt Sprengler.

Kaum einer der Regisseur*innen zieht den Kinosaal als den schönsten Abspielort für den Film in Zweifel. Axel Ranisch meint dagegen: „Das Kino ist nur ein Ort, der Film als solcher stirbt nicht.“ Wichtig sei, eine gute Geschichte zu erzählen. Das deutsche Kino habe ein Marketing-Problem, so Katrin Gebbe und meint, man solle dem französischen Beispiel folgen, wo der Film als Kunstform viel stärker im Bewusstsein der Zuschauer*innen verankert sei, auch Dank staatlicher Förderung. Cüneyt Kaya fordert gar, die Filmkunst sollte Schulfach werden. Tini Tüllmann sieht für das Marketing des Autorenfilms VoD als Chance,  auch für die Filmsäle. „Man muss das Kino mehr „eventisieren“. Die Premiere des Films läuft im Kino und wird gleichzeitig gestreamt. Dann spricht sich das herum.“ Kurz danach könnte man den Film aber nur noch im Kino sehen, vorausgesetzt der Ablauf wäre zwischen den Partnern reguliert.

Die Befragten im Film sind: Thomas Stuber, Mia Spengler, Katrin Gebbe, Axel Ranisch, Burhan Qurbani, Tom Lass, Dietrich Brüggemann, Laura Lackmann, Christian Schwochow, Sonja Heiss, Cüneyt Kaya, Tini Tüllmann, Helene Hegemann, Nikias Chryssos und Jakob Lass.


„6Minuten66“ von Katja Feldmeier & Julius Feldmeier

Nächste Vorstellung:

Sa 16.02. 13:00, CinemaxX 5 Berlin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Filmtipp: Der Sohn des Mullahs

Nahid Perssons Sarvestanis Dokumentation „Der Sohn des Mullahs“ zeigt, wie gefährlich – und notwendig – unabhängiger Journalismus im Iran ist. Sie begleitet Roohollah Zam, der sich  sich in Frankreich halbwegs sicher fühlt. Von hier aus betreibt er seinen Nachrichtenkanal, veröffentlicht Berichte über geheime Dokumente, die ihm aus iranischen Regierungskreisen zugespielt werden.
mehr »

Negativrekord der Pressefreiheit

Mehr Übergriffe im Umfeld von Wahlen und eine Rekordzahl von Ländern mit katastrophalen Bedingungen für Medienschaffende. Die Lage der Pressefreiheit hat sich im weltweiten Vergleich weiter deutlich verschlechtert. Dies geht aus der Rangliste der Pressefreiheit 2024 von Reporter ohne Grenzen (RSF) hervor. Der Analyse zufolge befanden sich im vergangenen Jahr 36 Länder in der schlechtesten Wertungskategorie. Das sind so viele wie seit mehr als zehn Jahren nicht.
mehr »

Medienhäuser müssen Journalisten schützen

„Die Pressefreiheit ist auch in Deutschland zunehmend bedroht”, kritisiert die Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di, Tina Groll, zum Internationalen Tag der Pressefreiheit. Die dju in ver.di verzeichne mit großer Sorge eine wachsende Anzahl der Angriffe, die die Gewerkschaft für Medienschaffende in einem internen Monitoring festhält.
mehr »

Beitragsanpassung unter der Inflationsrate

Seit die aktuelle Empfehlung der KEF zur Beitragsanpassung vorliegt, gibt es mehrere Ministerpräsidenten, die eine Zustimmung zu einer Erhöhung kategorisch ausschließen. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht vor drei Jahren bereits geurteilt, dass sich ein Bundesland dem Vorschlag der KEF im bislang gültigen Verfahren nicht einfach so widersetzen darf. M sprach mit dem KEF-Vorsitzenden Prof. Dr. Martin Detzel über die aktuelle Debatte um die Rundfunkfinanzierung.
mehr »