Falsche Entscheidung: Hakenkreuze im Spiel

Back view of teenage gamer boy playing video games online on computer in dark room wearing headphones with microphone and using backlit colorful keyboard

Die Freiwillige Selbstkontrolle Unterhaltungssoftware GmbH (USK) hat die englischsprachige Originalversion des Ego-Shooters „Wolfenstein: Youngblood“, in dem Nazi-Symbole zu sehen sind, für den deutschen Markt zugelassen. ver.di und der DGB halten diese Freigabe-Entscheidung für „falsch“. „Aggressive Computerspiele mit pseudo-historischen Bezügen nutzen Nazi-Symbole nur als zusätzlichen ‚Trigger-Faktor’“, erklärte dazu Frank Werneke, stellvertretender ver.di-Vorsitzender.

In dem Computerspiel wird nach Angaben des Herausgebers in einem fiktiven Paris der 1980er Jahre gegen Nazi-Besatzer gekämpft. Die Zulassung der Verwendung der in Deutschland strafrechtlich verbotenen Symbole begründet die USK einer Pressemeldung der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH) zufolge mit der Sozialadäquanz. Das bedeute, dass nach § 86a Abs. 3 Strafgesetzbuch (StGB) grundsätzlich unzulässige Symbole in einem Angebot verwendet werden dürfen, sofern es der staatsbürgerlichen Aufklärung in Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre oder der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens und der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.

„Eine kritische Aufarbeitung des Zeitgeschehens, als ein Kriterium für Kunstfreiheit“ könne er nicht entdecken, sagte Frank Werneke. „Es sollte also bei geltendem Recht bleiben: Die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ist eine Straftat.“

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach verweist auf die „rechtsextremistischen Gewalttaten dieser Tage“. Sie würden zeigen, „dass das Verbot noch immer aktuell ist“. „Wir müssen eine schleichende Akzeptanz von Hakenkreuzen und anderen Nazi-Symbolen verhindern. Unsere Gesellschaft sollte es nicht der USK überlassen, das Selbstbild der Games-Branche zu definieren und die roten Linien des Rechtsstaates zu verschieben“, betonte Buntenbach.

Auch Lothar Hay, Medienratsvorsitzender der regionalen Medienaufsicht MA HSH kann die Entscheidung der USK „gerade angesichts der jetzigen politischen Lage in keiner Weise nachvollziehen“. Ohne Not werde „hier in einem explizit gewaltgeprägten Shooter-Spiel allein zur Steigerung des Spielreizes die Verwendung von Nazi-Symbolen zugelassen. Die USK fällt mit dieser Entscheidung hinter ihre eigene Aussage zurück, die Sozialadäquanz ‚mit großer Sorgfalt, Kompetenz und Verantwortungsbewusstsein‘ zu prüfen.“ Zudem sei die USK-Entscheidung „besonders unverständlich, weil der Spielentwickler auch eine deutsche Version ohne NS-Symbole anbietet, da er mit dieser USK-Entscheidung offenbar selbst nicht gerechnet hatte“.

Hay sieht seine Kritik und Befürchtung aus dem letzten Jahr bestätigt. Im Sommer 2018 hatte die USK ihre Freigabe-Praxis geändert, um in Computerspielen unter Anwendung der „Sozialadäquanzklausel“ Nazi-Symbole zulassen zu können. (M hatte dazu einen Kommentar von Lothar Hay veröffentlicht, der auch auf M Online nochmals eine rege Diskussion entfachte.) Games sollten damit Filmen und anderen künstlerischen Werken gleichgesetzt werden, bei denen das Zeigen von Hakenkreuzen durch die Kunstfreiheit gedeckt wird. Man gab damit der Spieleindustrie nach, die das seit vielen Jahren forderte. Gleichwohl versicherte die USK, dass es immer eine genaue Einzelprüfung geben werde. „Der Vertrauensvorschuss, den die USK für sich in Anspruch genommen hat“ sei mit dieser Entscheidung verspielt, sagt Hay heute. Denn „Wolfenstein: Youngblood“ trage in keiner Weise dazu bei, das Zeitgeschehen kritisch aufzuarbeiten.

 

Weitere aktuelle Beiträge

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Filmtipp: Mädchen können kein Fußball spielen

Der sehenswerte Dokumentarfilm von Grimme-Preisträger Torsten Körner („Schwarze Adler“) ist eine Hommage an die Pionierinnen des deutschen Frauenfußballs. Körner hat bereits ein ausgezeichnetes Buch über das Thema geschrieben („Wir waren Heldinnen“). Der Film erzählt die Geschichte mit Hilfe von Zeitzeuginnen und vielen zeitgenössischen TV- und Wochenschau-Ausschnitten von den Anfängen in den 50ern bis zur siegreichen Heim-EM 1989.
mehr »

ARD schützt ihre Inhalte vor KI

Die ARD hat ihren Umgang mit Anbietern von KI geändert. Seit Ende Mai dürfen Unternehmen wie etwa Open AI, Perplexity oder Google (Gemini) Inhalte aus den Online-Angeboten der ARD nicht mehr nutzen, um damit ihre KI-Systeme zu trainieren. Das bestätigte der Senderverbund auf Nachfrage. Die ARD hat nun in ihre Webseiten einen sogenannten maschinenlesbaren Nutzungsvorbehalt technisch eingebaut. Damit wird KI-Crawlern signalisiert, dass sie die Inhalte dieser Angebote nicht verwenden dürfen.
mehr »

Internet: Journalismus unter Druck

Angesichts der Vielzahl von Beiträgen zum 30-jährigen Jubiläum des Internets arbeitet der Journalist Jann-Luca Künßberg in einem Gastbeitrag für Netzpolitik.org heraus, wie umfangreich die Online-Welt Journalismus selbst verändert hat. Enorm schnell, so Künßberg, habe der Geschäftsgedanke die Vision eines digitalen Versammlungsorts beiseitegeschoben.
mehr »