Mehr als vier Jahre dominierte die Medienkontrollbehörde „Supercom“ die Mediendebatte in Ecuador. Nun ist die staatliche Kontrollinstanz, die oft als Zensurbehörde bezeichnet wurde, Geschichte. Doch trotz mehr Meinungsfreiheit in den Redaktionen, fehle der Mut zur kritischen Berichterstattung, kritisiert der Kommunikationswissenschaftler Mauro Cerbino. Viele Medienhäuser suchen den Schulterschluss mit den staatlichen Institutionen – aus Eigennutz.
Das Edelstahlschild mit dem Schriftzug „Supercom“ ist abmontiert, die Türen des Gebäudes in der Avenida 10 im Zentrum Quitos sind geschlossen. Seit dem 31. Juli 2019 ist die „Superintendencia de la Información y Comunicacción“, Ecuadors Medienkontrollbehörde, Geschichte. Zum Glück so Carlos Mantilla, Generaldirektor der Tageszeitung „El Comercio“ und der dazugehörigen Mediengruppe. Das Medienhaus hatte zwischen 2013 und 2017 immer wieder Ärger mit der „Supercom“ gehabt, weil sich die Behörde in die Berichterstattung einmischte. „Kritische, vermeintlich tendenziöse, Artikel wurden genauso mit Bußgeldern geahndet wie die Nicht-Berichterstattung – beispielsweise den Präsidentenbesuch in einem Nachbarland. Eingriffe in die redaktionellen Inhalte, die indiskutabel sind“, so der Medienwissenschaftler Mauro Cerbino von der Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften (FLACSO) in Quito.
Damit ist es schon lange vorbei. Seit dem Antritt der neuen Regierung unter Präsident Lenín Moreno 2017 hatte sich das Klima zwischen den großen Zeitungshäusern „El Comercio“ und „El Universo“ sowie den privaten Fernsehsendern „Ecuavisa“ und Teleamazonas“ merklich entspannt. Die Kompetenzen der „Supercom“ waren in einem ersten Schritt beschnitten worden, bevor im Februar 2019 das Gesetz zur Auflösung der „Supercom“ das Parlament passierte.
„Positiv ist, dass nun nicht mehr in die Berichterstattung der privaten Medien eingegriffen wird, negativ, dass die privaten Medien den Schulterschluss mit den Institutionen der Regierung suchen. Vor allem weil der Staat der größte Anzeigenkunde“ ist, kritisiert Cerbino. Das bestätigen auch Journalisten wie Mario Calle, der für „Radio Católica“ in der Kolonialstadt Cuenca arbeitet, und moniert, dass das Gros der Redaktionen kaum mehr vor Ort recherchiere. „Es wird verwandt, was die staatliche Pressemeldung hergibt, aber kaum mit den Betroffenen gesprochen“, kritisiert er. Deshalb fordert Cerbino mehr Diskussion über journalistische Standards und Konkurrenz durch neue Akteure. „Genau da sind wir kaum weitergekommen, obwohl das neue Mediengesetz von 2013 eine Demokratisierung bei der Vergabe der Sendelizenzen anpeilte“. Neue Akteure, neue kommunale Radios sollten ein Gegengewicht zu den kommerziellen Sendern bilden. Doch in der Realität sind die Reformen nicht vom Fleck gekommen. Eine Folge ist, dass es kritische, investigative Medien in Ecuador laut einer jüngst publizierten Studie von Cerbino kaum gibt. Einziger Hoffnungsschimmer ist laut der Untersuchung das Netzwerk von 32 kommunalen Radios (Corape). Zu dem gehört auch das „Radio Católica“ von Mario Calle.