Rundfunkfreie fordern Sitze in allen Personalvertretungen
Es hat, wie so vieles, mit Wertschätzung zu tun. Dürfen Freie in den Arbeitnehmervertretungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mitbestimmen, können sie wählen und gewählt werden? Die Antwort verblüfft insofern, weil es in den Rundfunkanstalten der ARD, einschließlich der Deutschen Welle, sowie im ZDF und im Deutschlandradio unterschiedlich ist. Die Palette reicht von umfangreichen Rechten bis zur „Duldung“ von mehr oder weniger Mitbestimmung durch die Intendanz. Die Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit ist halt Ländersache!
Ohne freie Mitarbeiter*innen geht nix. Sie produzieren 90 Prozent des Programms im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dazu gehören jene, die für den Inhalt der Programme zuständig sind, ebenso wie die große Zahl der Beschäftigten in Technik und Gestaltung. Die Mitbestimmung in den Rundfunkanstalten und damit auch die Zusammensetzung der Arbeitnehmervertretungen ist in den Personalvertretungsgesetzen der Länder und des Bundes geregelt. Einheitliche Standards gibt es nicht. Und so kommt es, dass die freien Mitarbeiter*innen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk mal mehr und mal weniger über ihre ureigenen Interessen mitbestimmen dürfen. Nur in der Hälfte aller Rundfunkanstalten gibt es bisher das aktive und passive Wahlrecht für Freie in Personalräten.
Bremen Tabellenführer
Ganz oben auf der Positivliste steht Radio Bremen. Die Mehrheit der Mitglieder im Personalrat sind Freie. 2008 wurde von der rot-grünen Koalition ins Radio-Bremen-Gesetz geschrieben, dass die Freien im Sender „Beschäftigte“ im Sinne des Personalvertretungsgesetzes sind und deshalb wie Festangestellte ein aktives und passives Wahlrecht für das Gremium haben. Die Umsetzung blieb schwierig. Es folgte ein langer, für die Freien, letztlich siegreicher Weg durch die juristischen Instanzen. Am Ende rief die Intendanz sogar noch das Bundesverfassungsgericht an, weil diese Entscheidung die Rundfunkfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes einschränke – ohne Erfolg! Beim Hessischen Rundfunk kam eine Änderung des Personalvertretungsgesetzes ebenfalls erst nach einer mehrjährigen Klärung vor Gericht zustande. Seitdem kann sich der Personalrat gleichermaßen um die Belange aller Mitarbeiter*innen, Feste und Freie, kümmern.
Auch die Freien im WDR können auf Augenhöhe mit ihrer Intendanz „verhandeln“, denn sie haben alle Wahlrechte und sind so mit mehreren Kolleg*innen im Personalrat vertreten, verfügen über eine aktive Freienvertretung mit regelmäßigen Sprechstunden. Ähnlich wird im SWR agiert. Und im ZDF sind unter den 21 Personalrät*innen immerhin vier Freie, die ohne Abstriche mitentscheiden, wenn es um Beschäftigte geht – das Personalvertretungsgesetz Rheinland-Pfalz/Saar macht es möglich.
Diese Verbindlichkeit, sprich die rechtliche Legitimation, gibt es im MDR nicht. Gleichwohl engagiert sich auch hier eine Freienvertretung. Sie werde mitunter zu Gesprächen in die Intendanz geladen und dann natürlich angehört und durchaus ernst genommen, erklärten Personalrät*innen in Leipzig – aber mehr auch nicht! Auch im RBB sind keine freien Mitarbeiter*innen im Personalrat. Die Freien-vertretung wurde per Statut durch die Intendantin gebildet, so wie es die Personalratsvertretungsgesetze von Berlin und Brandenburg festlegen. Sie darf beraten und Ideen einbringen, hat jedoch juristisch gesehen keine Rechte. Das führte bisher dazu, dass ganz selbstverständliche Mitwirkungsrechte oft extra eingefordert und auch vor dem Verwaltungsgericht eingeklagt werden mussten, weil sie im Statut nicht vorgesehen sind.
Genau diese unbefriedigenden Festlegungen bildeten die Blaupause für die Regelungen im Deutschlandradio-Staatsvertrag. Er verpflichtet den Intendanten seit 2018, eine institutionelle Freien-Vertretung zu schaffen, deren Rechte und Pflichten ein Statut regeln soll. Darüber verhandeln die Gewerkschaften mit dem Sender. Sie wollen ein belastbares Statut auf Basis eines Tarifvertrages, der ein Mindestmaß an Beteiligung und Mitbestimmung sichert.
Eine besondere Form der Interessenvertretung gibt es beim BR. Mangels anderer – etwa gesetzlich legitimierter Möglichkeiten – agiert hier seit mehr als 10 Jahren der „Freienvertretung im Bayerischen Rundfunk e.V.“ Man mische sich ein und werde auch gehört. Wann und zu welchen Fragen, sei jedoch vom Wohlwollen der Intendanz abhängig, heißt es.
Die Rote Laterne im Senderreigen trägt der Norden. Hier gibt es die engagierte Gruppe „Freie im Norden“, die auch mal vorsprechen darf. Sie verfügt weder über eine vom Sender unterstützte Infrastruktur, noch hat sie Mitbestimmungsrechte.
Bundesweiter Austausch
Seit 2016 treffen sich die Freien von ARD, ZDF, Deutscher Welle und Deutschlandradio jedes Jahr in einer anderen Rundfunkanstalt, um sich auszutauschen und mit Intendant*innen, Politik und Gewerkschaften über ihre Arbeit zu diskutieren. Sie fordern Respekt, Wertschätzung und Mitbestimmung ein. 2017 wurde ein ARD-Freienrat gewählt.
Die fehlenden Regelungen zur Mitbestimmung von Freien im Rundfunk – auch im Bundespersonalvertretungsgesetz, das unter anderem für den MDR als Mehrländeranstalt und für die Deutsche Welle gilt – wird jedes Jahr thematisiert. Martin Rabanus, medienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, erklärte auf dem Kongress in Leipzig 2019, dass er sich für eine Änderung und damit für eine vernünftige personalrechtliche Vertretung einsetzen werde. Im Innenministerium wird derzeit eine Novelle des Bundes gesetzes vorbereitet. Der Freienrat wird sich dazu im Oktober mit Rabanus treffen und seine Vorschläge einbringen. Auch zum Medienpolitischen Dialog der SPD-Bundestagfraktion am 24. Oktober sind Freie aus dem Rundfunk eingeladen.
Mehr Informationen unter dem Stichwort ARD-Freienkongress auf https://mmm.verdi.de