Zeitung obsiegt gegen die Bahn

Unterlassungsklage gegen Artikel zu Stuttgart 21 zurückgezogen

Die Stuttgarter Zeitung obsiegte in zweiter Instanz im Rechtsstreit mit der Bahn, die Artikel über das Projekt Stuttgart 21 missfielen. Bei der Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Stuttgart am 9. April hat das Kommunikationsbüro von Stuttgart 21 seine Unterlassungsklage zurückgenommen.

Foto: bahnprojekt-stuttgart- ulm.de / Arnim Kilgus
Foto: bahnprojekt-stuttgart-
ulm.de / Arnim Kilgus

In dem Streit ging es darum, dass die Stuttgarter Zeitung im Vorfeld einer Sitzung des Bahn-Aufsichtsrats aus internen Papieren zitierte, dass das Millionenprojekt ein Jahr später als geplant fertiggestellt wird. Statt 2021 sollen danach Züge erst 2022 durch den Tunnelbahnhof rollen, wurde berichtet und ausrissweise bildlich dokumentiert.
Dass das Kommunikationsbüro von Stuttgart 21 mit dem Knüppel Unterlassungsklage gegen die Berichterstattung vorging, überraschte. Laut Kontext: Wochenzeitung gehört die Stuttgarter Zeitung zu „denjenigen Presseorganen, deren Führungsetage sich unumwunden für den Bau von Stuttgart 21 ausspricht.“
In erster Instanz gewann die Bahn, vertreten durch den Projektsprecher Wolfgang Dietrich. Die 11. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart untersagte der Zeitung im Urteil vom 4. November 2013, einige Punkte aus zwei beanstandeten Artikeln zu wiederholen: „Dem Bahn-Aufsichtsrat wird am Mittwoch mitgeteilt, dass Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm erst Ende 2022 in Betrieb genommen werden können. Das Projekt hinkt nun schon mindestens drei Jahre hinter dem Zeitplan her“ und … „Die Unterlage konterkariert die Aussage des Pressesprechers Dietrich: Es ist erst wenige Wochen her, da hatte er als Reaktion auf den grünen Verkehrsminister Winfried Herrmann, der aus bahninternen Unterlagen das Datum 2022 herausfischt, verkündet: ‚Der Termin ist falsch’. Es sei ‚für uns nach wie vor Dezember 2021 der Zeitpunkt der Inbetriebnahme’. Darauf seien alle Planungen ausgerichtet.“
Gegen dieses Urteil des Landgerichts hat die Zeitung Berufung eingelgt. Die nun erfolgreich zur Rücknahme der Unterlassungsklage führte. Vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht gab die Bahn klein bei, nachdem Richter Matthias Haag, ein bekennender S-21-Befürworter, erklärte, es werde im Saal 12 des OLG „nicht über den Bau des Bahnhofs entschieden“, sondern ihm läge daran, dass die beiden Parteien den „nicht nötigen Streit“ beendeten. Als Kommunikationsunternehmen seien sie in den nächsten Jahren aufeinander angewiesen. Diesen Eindruck hatte offenbar auch Bahn-Anwalt Josef-Walter Kirchberg. Er erklärte, die Rücknahme der Klage damit, dass die Stuttgarter Zeitung und das Kommunikationsbüro „wieder gut miteinander auskommen“ und ein fortwährender Streit mit dem Blatt nicht weiter helfen würde.
Ganz so eng scheint die neue alte Liebe aber doch nicht zu sein. Als wäre er in einer anderen Verhandlung gewesen erklärt sich Dietrich auf seiner Homepage zum Sieger. Stur behauptet er: „Wir haben das eigentliche Prozessziel erreicht, Landgericht und Oberlandesgericht haben die Berichterstattung der Stuttgarter Zeitung vom 17. September 2013 presserechtlich beanstandet und inhaltlich die zentrale Rüge des Kommunikationsbüros bestätigt.“

Weitere aktuelle Beiträge

Rechte Influencerinnen im Netz

Rechtextremismus und rechte Parolen verbinden viele Menschen automatisch mit testosterongesteuerten weißen Männern. Diese Zielgruppe füttert AfD-Politiker Maximilian Krah mit simplen Parolen wie: „Echte Männer sind rechts.“ Das kommt an bei Menschen, die im Laufe der Zeit irgendwann beim „Gestern“ stecken geblieben sind. Inzwischen verfangen solche rechten Klischees auch bei Frauen. Vor allem im Internet.
mehr »

Sicher ist sicher: Eigene Adressen sperren

Journalist*innen sind in den vergangenen Jahren vermehrt zum Ziel rechter Angriffe geworden. Die Zahl tätlicher Übergriffe erreichte 2024 einen Rekordwert, so eine aktuelle Studie des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) in Leipzig. Die Autoren benennen die extreme Rechte als strukturell größte Bedrohung für die Pressefreiheit. Einschüchterungen oder sogar körperliche Übergriffe geschehen mitunter direkt an der eigenen Haustür. Den damit verbundenen Eingriff in das Privatleben empfinden Betroffene als besonders belastend.
mehr »

Rechtes Rauschen im Blätterwald

Ob Neuerscheinungen, Zusammenlegungen, Relaunches oder altgediente rechte Verlage: Was die Periodika der Neuen Rechten, ihrer Parteien, Organisationen oder auch einflussreicher kleinerer Kreise anbetrifft, lässt sich gerade angesichts des rechtspopulistischen Aufschwungs der letzten etwa 20 Jahre viel Bewegung ausmachen.
mehr »

Rundfunkfinanzierung in der Sackgasse

Bisher war Einstimmigkeit gefordert, wenn es um rundfunkpolitische Fragen ging. Die Ministerpräsident*innen der Länder sollen gemeinsam agieren, zum Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kein einfaches Unterfangen, wenn es um das Thema Rundfunkfinanzierung geht. Dass diese Praxis nun überarbeitet wird, ist Ausdruck einer Krise – wenn nicht der Demokratie, dann doch zumindest der Rundfunkpolitik der Länder.
mehr »